Nördlich der Fohrenburger Brauerei in Bludenz liegt eine ruhige Einfamilienhaus-
siedlung. Jahrzehnte stand dort ein bescheidenes Holzhaus mit roten Fensterläden
und flachem Satteldach. Mit der Zeit war es schwarz und zu einem Stück Inventar
geworden. Zum Sanieren war es zu baufällig, die Bauherren beauftragten Architekt Lukas Mähr
mit einem Neubau im alten Umriss. Ausschließlich aus Fichte,

außen schwarz, innen unbehandelt, schlicht und schön tritt das neue Haus
in die Fußstapfen des alten.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Der Vater der Bauherrin stammt aus Bludenz, ihr Großvater war Baumeister, er hatte für seine Eltern ein schlichtes Holzhaus gebaut und seinem Sohn vererbt. Es lag zwei Blöcke von der Fohrenburger Brauerei entfernt auf einem Eckgrundstück mit einem wunderschönen alten Nussbaum im Garten. Die Familie vermietete es den Braumeistern der Brauerei, seit etwa zehn Jahren stand es leer. Die Bauherrin und ihr Lebensgefährte leben in Zürich, beide sind in der Baubranche tätig, beide waren vom Charme des Hauses ganz angetan, viele Sommerwochenenden haben sie es vermessen.

„Wir wollten es unbedingt sanieren. Man muss ja nicht gleich alles abreißen“, so die beiden. „Es hat uns alles geboten. Die Raumproportionen waren gut, es nichts schief, nichts verwinkelt, nur die Treppe lag falsch.“ Voll Zuversicht schrieb das Paar Vorarlberger Holzbauunternehmen an, deren Befund war ernüchternd eindeutig: Die Wände waren gerade einmal acht Zentimeter dünn und hatten keine Dämmung, keiner wollte es sanieren. Sie hatten recht, beim Abriss fiel es zusammen wie ein Kartenhaus.

Der Neubau tritt genau in seine Fußstapfen. Der alte, feuchte Keller wurde nach oben hin abgedichtet und bildet nun sein solides Fundament, es hält sich genau an Statik und Umriss des Bestands. Auch das ist Nachhaltigkeit. Architekt Lukas Mähr und die Bauherren bewegten sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem schmalen Grat zwischen Bewahren und Erneuern. Alle Qualitäten des Alten sollten in Gegenwart transformiert werden. Der Balanceakt gelang bravourös.

„Die allererste Bedingung war low-cost.
Wir verwendeten Dreischichtplatten aus Fichtenholz der billigsten Qualität,
doch wir achteten genau darauf, dass alle Maserungen durchgehen.“

Lukas Mähr
Architekt

Das neue Haus sieht mit seiner schwarzen Fassade aus sägerauer Fichte aus wie das alte, das Dach ist statt mit Schindeln mit schwarzen Tonziegeln gedeckt, den kleinen Balkon unterm Giebel gibt es nicht mehr, die roten Läden wichen roten Innenjalousien, genauso dezent erfolgt die Nobilitierung im Inneren. Alles ist aus einem Holz – sogar Küchenzeile und Herdblock, im Erdgeschoß führt eine große Fenstertür auf die Terrasse im Garten.

„Die erste Grundbedingung war low-cost“, sagt Mähr. Alles ist aus einem Holz, ausschließlich Fichte, ausschließlich unbehandelt, man verwendete die preiswertesten Dreischichtplatten, keinen Estrich, eine Wandverkleidung ohne Vorsatzschale, das Holz hat eine starke Maserung und Astlöcher. Trotzdem fehlt jede rustikale Schwere, die Reduktion auf ein Material wirkt in ihrer Schlichtheit befreiend unprätentiös. „Beim Bestellen des Holzes achteten wir darauf, dass die Maserung durchgeht“, sagt Mähr, die Handwerker arbeiteten mit Präzision und Hingabe, subtil inszeniert die Planung die Abfolge von Räumen.

Jeder Zentimeter ist genutzt, die Garderobe rechts vom Eingang in das dahinterliegende Bad eingerückt, eine raumökonomische, zweiläufige Podesttreppe führt unters Dach. Alle Kinder lieben die Schlafkoje im Schopf, an der anderen Seite der Treppe schlüpfte ein schmales WC unter, das Schlafzimmer ruht unterm First. Das andere ist im Erdgeschoß, gleich beim Eingang. Hier können zwei Familien urlauben, ohne einander zu stören. Das Haus ist befreiend leer, hier kann man durchatmen. Matratzen am Holzboden, weißes Bettzeug, eine Bank am Fenster, mehr braucht es nicht für ein Schlafzimmer. Die Wohnküche im Erdgeschoß zelebriert das Beisammensein, die Lage am Garten und die Geometrie des Satteldachs. Der eingeschoßige hintere Bereich mit Küche und Couch vermittelt Geborgenheit, dann steigt der Raum zum First abrupt auf sechs Meter Höhe an, um von dort wieder sacht abzufallen.

Kochen/Essen und Wohnen sind über einen großen Durchbruch mit Falttür lose verbunden und zum Garten orientiert. Nur eine Glasschiebetür trennt die Küche von der Terrasse, im angrenzenden Wohnbereich hat man den mächtigen Nussbaum von der Sitzbank am Fenster und der Couch aus gut im Blick. Auch der freistehende Herdblock und die Küchenschränke sind aus Holz, über die gesamte Länge der Seitenwand verläuft eine Bank. Hier haben wirklich viele Menschen Platz. „Mein Vater hatte die größte Sorge, dass wir etwas machen, das keiner braucht“, sagt die Bauherrin. Unbegründet. „Am schönsten finde ich, dass wir jetzt jede Woche Besuch haben. Alle entdecken es wieder.“ Freunde, Freundinnen, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Haus aus Fichte, Bludenz
Bauherr Familie Zerlauth
Architektur MWArchitekten, Hohenems, www.MWArch.org
Fachplanung Bauphysik: DI Markus Liepert, Bludenz
Planung 05/2020–12/2020
Ausführung 12/2020–05/2021
Grundstück 680 m²
Nutzfläche 110 m² (zzgl. Keller 50m²)
Bauweise Holzrahmenbau mit Deckleistenschalung, gestrichen; Holzdecken; Kaltdach mit Ziegeldeckung; Keller + Garage Bestand; Heizung: Bestand; Innenwände neu: Fichte 3S, unbehandelt; Holz, Holzfenster, Beschattung Textil
Besonderheiten Preiswerter Wandaufbau mit Fichte als sichtbar bleibender Rohbau
Ausführung Holzbau, Generalunternehmung: Berchtold, Wolfurt; Baumeister: Thöni, Bludenz; Fenster: Sigg, Hörbranz; Innentüren: Kühne, Egg; Innenausbau: Künzler, Bizau
Energiekennwert 59,5 kWh/m² im Jahr
Baukosten 340.000 Euro