Mit der Idee einer Bücherei erweckten engagierte Bürger(innen) aus Bizau die frühere Postfiliale im Gemeindeamt zu neuem Leben. Gerald Amann vom Architekturbüro querformat gestaltete das leere Lokal zur hellen, freundlichen Bibliothek um. Umlaufende, fast raumhohe weiße Regalwände bieten Platz für viel Lesestoff, eine Kinderecke gibt es auch. Zwei erhöhte Bodenniveaus aus Holz, die wie Wellen in den Raum schwappen, schaffen eine Art Podest. Es hat sich für Veranstaltungen bestens bewährt.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Norman Radon, Petra Rainer

Als die Welt im Dorf noch in Ordnung war, hatte auch Bizau im Bregenzerwald eine Post. Sie lag gleich bei der Busstation neben der Raiffeisenbank im Gemeindeamt. Der Holzbau mit den Arkaden an der Hauptstraße – einer der ersten von Hermann Kaufmann aus den frühen 1990ern – markierte einen wichtigen Punkt in der Gemeinde. Vor etwa 20 Jahren erreichte das Phänomen verödender Ortskerne auch Bizau, die Post gab ihre Filiale auf.

Es gibt kaum Traurigeres als einen Leerstand in Ortsmitte. Lang überlegte man, wie das 90 Quadratmeter große Lokal am besten zu nutzen wäre. Dann hatten engagierte Gemeindevertreter(innen) die Idee von der Bücherei. Architekt Gerald Amann vom Büro querformat baute sie ein. Die einstige Post wurde auf ihren Rohbau zurückgeführt. Sie hat einen Grundriss von 10,5 Meter mal 9 Meter, drei runde, weiße Stützen tragen die Decke, im hinteren Drittel gibt es noch ein Stück Wand. In den Arkaden an der Hauptstraße verläuft über die ganze Länge eine Fensterfront, die beim Eingang um eine Fensterachse vorspringt: So kommt auch von dort Licht und kann man von draußen ins Lokal lugen.

„Die Regale planten wir als umlaufendes Möbel entlang der tragenden Wände.
Der Rest ist ein großzügiger Raum. Alles sollte möglichst schlicht sein,
die Buntheit kommt ohnehin mit den Büchern und Menschen.“

Gerald Amann
Architekt

Man betritt die Bücherei vom Foyer der Gemeinde aus, einladend liegt der Zugangsbereich mit dem weißen Empfangspult beim vorspringenden Fenstereck. „Diese Bücherei ist nicht nur Entlehnungsstelle, sie ist auch ein wichtiger Treffpunkt“, sagt der frühere Bürgermeister Josef Bischofberger stolz. In seiner Amtszeit wurde sie verwirklicht. „20 Jahre warten haben sich gelohnt. Es ist wichtig, dass so ein attraktiver Raum vorhanden ist. Er dient als Wahllokal, für Jahresversammlungen von Vereinen und lässt sich auch spontan nutzen.“
Die gesamte Seitenwand im Osten ist fensterlos – gegenüber im Norden gibt es ein schmales Oberlichtband. Das sorgt für zweiseitige Belichtung und lässt noch sehr viel Wandfläche frei. Die Unterkante dieser Fenster bestimmte die Höhe der Regale. „Wichtig war, dass es rundherum eine Linie als Horizont gibt“, so Amann. „Die Regale planten wir als umlaufendes Möbel entlang der tragenden Wände. Der Rest ist ein großzügiger Raum. Alles sollte möglichst schlicht sein, die Buntheit kommt ohnehin mit den Büchern und Menschen.“ Von der Wand-Restfläche hinter der Teeküche im Eck über die gesamte Länge im Norden und die Seitenwand im Osten nutzt dieses Regalsystem jeden Laufmeter Wandfläche. 4600 Medien – Bücher, Tonträger, DVDs – finden darin Platz. „Die Möbel und Regale sind alle von mir geplant und vom Tischler gefertigt. Man kann sie in der Tiefe doppelt bestücken.“

Diese Maßarbeit ist an aufmerksamen Details zu erkennen: In die Regalmöbel aus weißen MDF-Platten sind farbige, mit Eichenholz gerahmte quadratische Felder eingelassen. Sie dienen dazu, verschiedene Themenbereiche – Zeitschriften, Sachbücher, Biografien, Krimis, Thriller, Belletristik – zu kennzeichnen. Außerdem können Bibliothekare/Bibliothekarinnen in diesen Nischen ihre Empfehlungen und Neuerscheinungen präsentieren.
Davor schwappt ein wellenförmiges, von zwei Sitzstufen eingefasstes Podest aus Eichenholz auf den sonnengelben Linoleumboden. Eine freundliche Farbe, die gute Laune macht. Die erhöhte Holzplattform wird bei Veranstaltungen zur Bühne. 50 Personen lauschten hier schon Lesungen. Sogar ein Buffet lässt sich jenseits der Kinderecke aufbauen. Letztere wird vom Regal an der tragenden Wand im hinteren Raumdrittel begrenzt. Es hat ein eigenes Schubladensystem. „Das können die Kinder selbst herausziehen und darin nach Spielzeug wühlen.“

Die Bücherei eröffnete am 1. Mai 2019. „Damals standen die Leute dicht an dicht herinnen“, erinnert sich Annette Scheffknecht. Die Bibliothekarin aus Leidenschaft ist eine Frau der ersten Stunde. Ein Team von 17 Leuten setzte sich für die Bücherei ein. Sie ist eine Drehscheibe von Kommunikation und Wissensvermittlung. „Der Kindergarten kommt oft zu uns – für das Altersheim stellen wir Bücherboxen zusammen.“ Drei Mal die Woche ist die Bibliothek offen, ein Drittel aller Bizauer hat inzwischen eine Jahres- oder Familienkarte. Im Corona-Lockdown wurden Bücher ausgeliefert. Auf das Stöbern und Schmökern vor Ort freuen sich schon alle.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Gemeindebücherei Bizau
Bauherr Gemeinde Bizau
Architektur Querformat ZT GmbH, Steinebach 3, 6850 Dornbirn, www.querformat-zt.com
Statik ZTE Leitner, Schröcken
Planungsdaten Planungsbeginn: März 2017
Baubeginn: Jänner 2019
Bezug: April 2019
Objektdaten Grundstücksfläche 3607 m²
Bruttogeschoßfläche 2145 m²
Wohnnutzfläche 1241 m²
Nutzung: 20 Wohneinheiten, Betreuungseinheit, Kinderhort
Nutzfläche 90 m2
Besonderheiten Revitalisierung von leerstehenden Gemeindeflächen zugunsten der gesamten Bevölkerung
Ausführung Abbruch/Baumeister: Rümmele Bau GmbH., Dornbirn;
Trockenbau: F+B Holzbau GmbH, Schnepfau;
Tischlerarbeiten: Arnold Meusburger KG, Bizau; Tischlerei Übelher, Bizau; Tischlerei Künzler, Bizau;
Sanitär/ Heizung: Dr’Wäldar Installateur, Bezau;
Elektro/ Gebäudetechnik: Elektro Willi, Andelsbuch;
Bodenbeläge/Podest: Zimmerei Oliver Beer, Reuthe, u. a.
Fotonachweis Petra Rainer, Norman Radon