Hohenems hat eine neue, inklusive Volksschule. Die Innsbrucker Architekten Tabernig-Zierl
planten das barrierefreie Gebäude. Es ist so übersichtlich,
geräumig und hell, dass jedes der 240 Kinder den Ort findet,
den es gerade braucht. Das Herz der Schule bildet eine abgesenkte Doppelturnhalle, um die Aula und
halböffentliche
Zonen angeordnet sind. Über diesem rundum verglasten
Sockel schweben die Klassen, die als
Lernhäuser organisiert sind. An jedem
Eck eines, in der Mitte ein Innenhof.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Hohenems ist eine Stadt mit außergewöhnlich hohem Bewusstsein für Baukultur. Das Münchner Büro Lohrer Hochrain gestaltete den Hauptplatz als Begegnungszone mit Brunnen, der achtsam sanierte historische Stadtkern und das Jüdische Viertel werden gekonnt entwickelt. Alle lieben die hübschen Lokale und Geschäfte, Hohenems hat das größte Bevölkerungswachs­tum im Ländle. Den Neubau der dritten großen Volksschule im Ort nahm man sehr ernst. „Wenn wir eine attraktive Schule neu bauen, dann muss es eine inklusive Schule sein“, sagt Christof Jagg, der Direktor. Ein quadratisches Grundstück von 100 Meter Seitenlänge schien am geeignetsten. Es liegt im Stadtteil Schwefel, unweit vom Kindergarten zwischen Einfamilienhäusern. Im Nordosten grenzt es an Wohnbauten, im Südosten an eine von Gartenwänden klar abgegrenzte Reihenhausanlage.

2016 schrieb die Gemeinde einen offenen Wettbewerb aus, das Projekt der Innsbrucker Architekten Alois Zierl und Martin Tabernig siegte. Sie organisierten das beachtliche Raumprogramm sehr kompakt rund um eine zentrale Doppelturnhalle. Der 45 Meter breite, 52 Meter lange, zwei-geschoßige Baukörper nimmt die Flucht der Reihenhausanlage und auch ihre Höhe auf. Dadurch fügt er sich gut in sein Umfeld und ist doch groß genug, um ein Zentrum zu bilden. Die weiße Putzfassade mit den horizontalen Fensterbändern und weißen Sonnensegeln im Obergeschoß sorgt für eine Spur Futurismus. Ein leichtes Podest gleicht das abfallende Gelände aus, das eine aufwendige Pfahlgründung auf 26 Meter tiefen Bohrpfählen erforderte. Im Nordwesten gibt es einen großen Sportplatz im Freien, weit kragt das Obergeschoß im Südwesten über dem gläsernen Sockel aus. Es schafft der Schule einen gedeckten Vorplatz, der sich bis an den Oberen Stockenweg vorzieht, wo auch der Kindergarten liegt. Ständig spielt wer, auf den Tischen und Bänken unterm Vordach sitzen oft Menschen aus der Nachbarschaft. Nur eine Glasfassade trennt den Außen- vom Innenraum, auch in der Aula stehen Tische. Hier essen die Kinder. Rechts und links die Garderobe, dahinter die Stiegenhäuser, dann reihum die Räume für Hauswart, Direktor, Lehrkräfte, Besprechungszimmer, Sonderunterricht. Das Herz dieser inklusiven Schule bildet die abgesenkte Doppelturnhalle, über deren Luftraum hinweg man das ganze Erdgeschoß überblickt. Auch Externe sporteln hier gern. 30 Meter und 27 Meter überspannt die Decke stützenfrei den Turnsaal. „Wir wollten diese Schule so hell und transparent wie möglich gestalten“, sagt Alois Zierl. „Wo Glas ist, kann die Sonne herein.“

Alle Klassen sind im ersten Stock in Clustern organisiert. „Lernhaus“, nennt sie Christof Jagg. Er hat an diesem Nachmittag die Betreuung über. Die Atmosphäre ist ruhig und entspannt. „Was ist für das Kind das Beste? Eine Klasse als Stammzelle und Rückzugsort, wo es sich sicher fühlt“, sagt Jagg. „Und dann viele Möglichkeiten für gegenseitiges Miteinander.“ Die Lernhäuser liegen an den Ecken der Schule, so gibt es von zwei Seiten Licht. Jedes besteht aus drei Volksschulklassen und einer Kleinklasse für etwa 70 Kinder, sowie eigenen Räumen für Kleingruppen, Kinder mit besonderen Bedürfnissen, Lehrer(innen), Betreuende. Und einer Küche. „Jede Klasse sollte möglichst viel Bezug zum Marktplatz haben“, so Zierl. Der große, offene Raum ist durch Glaswände stets präsent. Die Architekten entwarfen eigens Möbel, die sich leicht verschieben lassen. In der Mitte wird das Flachdach der Turnhalle zum geschützten Innenhof. Glasfassade sei Dank, hat man die Kinder, die sich hier übermütig austoben, immer im Blick.

„Wir wollten eine Wohlfühl-
atmosphäre schaffen. Diese Schule so hell
und transparent wie möglich sein.
Wo Glas ist, kann die Sonne herein.“

Alois Zierl
Architekt

„Es gibt viel Platz und er verteilt sich gut“, sagt Jagg. „Das schafft einen wohnlichen, familiären Charakter. Für die Schüler(innen) und das Lehrpersonal ist das sehr angenehm. Die Türen stehen ständig offen.“ Alle gangseitigen Wände sind aus Glas. „Das erleichtert auch die Inklusion“, so die Lehrerin Brigitte Möschel-Berktold. „Das offene Gebäude bietet viele Möglichkeiten. Überrascht hat mich, dass trotz der vielen Sichtflächen die Ablenkung nicht größer ist.“ Kontrollierte Be- und Entlüftung, Akustikdecken, die den Schall schlucken, Fußbodenheizung und mehr schaffen ein angenehmes Raumklima, es gibt viel Holz. „Wir wollten eine Wohlfühlatmosphäre schaffen,“ sagt Zierl. Das ist gelungen. Jagg: „Man kommt gern in diese Schule.“

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Volksschule Schwefel, Hohenems
Bauherr Stadt Hohenems
Architektur Tabernig Zierl Architekten, Innsbruck www.tabernig.com; www.zierl-architektur.at
Statik Mader Flatz Bregenz
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Klimaplan, Hohenems und Müllner, Mönchhof; Elektro: Meusburger, Bezau; Landschaftsplanung: Landrise, Egg; Brandschutz: IHW, Weiler; Signaletik: Proxi, Hohenems; Bauphysik: Bernhard Weithas, Hard; örtliche Bauaufsicht: Flatschacher, Hohenems
Planung 2016 (Wettbewerb)–2018
Grundstück 8800 m2
Nutzfläche 5800 m2; Massivbau (Beton, Ziegel)
Besonderheiten Kommunaler Gebäudeausweis mit 992 Punkten (von 1000 möglichen)
Ausführung Baumeister: Kostmann, St. Andrä; Glasfassaden: Jobarid, Röthis und Saller, Bischofshofen; Fenster: Böhler, Wolfurt; Dach: IAT, Sulz; Heizung, Lüftung, Sanitär: Stolz, Bregenz; Rossmanith, Hohenems und Stolz, Bregenz; Elektro: Graf, Dornbirn; Landschaftsbau: Brunner, Höchst
Energiekennwert 21 kWh/m² im Jahr
Baukosten 12,5 Mill. Euro