Ein Bauplatz im Landschaftsschutzgebiet und der Wunsch, ein innovatives
pädagogisches Konzept bahnbrechend ökologisch aus Holz im Plus-Energiestandard umzusetzen, machen das Schmuttertal-Gymnasium im deutschen Diedorf zum Leuchtturmprojekt. Zukunftsweisend geplant und realisiert wurde das Ensemble aus vier Holzhäusern vom Vorarlberger Architekten Hermann Kaufmann und seinem Münchner Kollegen Florian Nagler.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Stefan Müller-Naumann, Isabella Marboe

Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf ist einmalig. Es verfolgt eine Pädagogik mit offenen Lernlandschaften, in denen junge Menschen sich individuell oder gemeinsam Wissen aneignen, teilen und vertiefen können. Das Raumkonzept dazu wurde schon vor der Planung von Eltern, Schülerinnen, Schülern und Lehrenden gemeinsam mit dem pädagogischen Beratungsteam vom Büro LernLand-Schaft erarbeitet. Den Neubau wünschte man sich aus schadstoffarmen Baumateralien im Plus-Energiestandard aus Holz. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) förderte ihn: Das bedingt eine zukunftsweisende, integrale Planung sowie die genaue Dokumentation und Evaluierung. Die Architektur vertraute man dem Vorarlberger Hermann Kaufmann und seinem Münchner Kollegen Florian Nagler an. Beide sind ausgewiesene Holzbau-Experten und Professoren an der TU München.„Interdisziplinarität war hier sehr wichtig. Den Entwurf machten wir gemeinsam, die Einreichplanung erfolgte im Büro von Florian Nagler, die Detailplanung bei uns“, so Hermann Kaufmann. „Die besonderen Herausforderungen lagen in der großen Dimension des sichtbaren Holzbaus und der handwerklichen Vorfertigung. Dazu kamen die Plusenergie, die schadstoffarmen Materialien und die fortschrittliche Pädagogik. All das wollten wir ohne Einbuße der Architekturqualität umsetzen.“ Der straffe Termin- und Kostenrahmen war nur dank höchst präziser Planung und Vorfertigung zu halten. Die Schule liegt unweit der Eisenbahnstation Diedorf und einer Bundesstraße im Landschaftsschutzgebiet Schmuttertal.

Das Schmuttertal-Gymnasium im deutschen Diedorf ist ein Leuchtturmprojekt aus Holz im Plus-Energie-Standard.

Es ist einer der „ökologisch wertvollsten Auenbereiche in Schwaben“. Weil ihr der verantwortungsvolle Umgang mit der Schöpfung wesentlich ist, hat die Schule den Schmetterling – das Zeichen des Biodiversitätsprojekts Schmuttertal – als Logo. Derzeit besuchen rund 800 Schüler und Schülerinnen das Gymnasium, dazu kommen etwa 80 Lehrer. Die Klassen, die offenen Lernlandschaften, Aula, Bibliothek, Dreifachturnsaal, Mensa, Sonderunterrichts- und alle weiteren Räume erforderten eine Kubatur von über 80.000 m3. Um diese möglichst schonend in die Natur zu setzen, wurde das Volumen auf vier Bauten aufgeteilt. „Wir hatten die Idee, die Schule als Lernhäuser zu konzipieren, um Funktionen sichtbar zu machen“, so Kaufmann.

Man betritt das Gymnasium durch das Gemeinschaftshaus, wo ein großes Vordach den Eingang beschirmt und eine hohe, helle Aula die Schulgemeinschaft freundlich in Empfang nimmt.
Das Schmuttertal-gymnasium im deutschen Diedorf liegt im Landschaftsschutzgebiet Schmuttertal. Um die beachtliche Kubatur von 80.000 m³ möglichst schonend in die Natur zu setzen, teilten die Architekten das Volumen in vier Häuser auf.

In Absprache mit Energieberatern wurden die vier Holzbauten Nord-Süd orientiert und haben Satteldächer mit nur 9,5° Neigung: So können die Photovoltaikpaneele am Dach die Solarenergie optimal nutzen. Durch Oberlichtsheds mit mikrogerastertem Glas fällt zwischen den Deckenbalken weich gefiltert Tageslicht ein. Die Häuser sind in einem Raster von 2,70 Meter mit größter Sorgfalt geplant. Die Konstruktion aus Fichte blieb sichtbar. Alle Stützen, Balken und die Holzbinder, von denen der Luftraum der Aula, der Turnsaal und die Marktplätze souverän überspannt werden, sind weiß lasiert. Die Stützen erinnern an Baumstämme, die Balken an abstrahierte Zweige. Sie erzeugen in Kombination mit dem weichen Licht eine sehr angenehme Atmosphäre. Um zarte Querschnitte zu erzielen, wurde der Raster in bis zu 90 cm Achsmaß unterteilt: zwischen den schmalen Balken sind Herakustikpaneele angebracht. Das bringt angenehmen Raumklang und eine Struktur, an der interessierte Schülerinnen und Schüler Holzkonstruktionen studieren können.

„Wir hatten die Idee, die Schule als Lernhäuser zu konzipieren, um Funktionen sichtbar zu machen.“

Hermann Kaufmann
Architekt

Die Aula ist das gesellige Herz und die Visitenkarte der Schule. Hier verbringen die Jugendlichen ihre Pause, stürmen die Mensa und es finden viele Veranstaltungen statt.

Die vier Häuser stehen wie Schuppen in den Feldern. Sie sind zwischen 40 und 48 Meter lang und zwischen 30 und 47 Meter breit, also sehr ähnlich und ausgewogen proportioniert. Zwei und drei Geschoße hoch, gruppieren sie sich um einen inneren Hof.

Ein Vordach schützt hier den Schani Garten der Mensa vor Regen. Sie befindet sich im Erdgeschoß des Gemeinschaftshauses und schließt direkt an die zentrale Aula an. Der 7 Meter hohe Raum mit der umlaufenden Galerie ist das gesellige Herz der Schule. Seine Feierlichkeit erinnert an eine Basilika, gegenüber der Mensa befinden sich die Bibliothek und ein Saal mit Konzertflügel. Im ersten Stock sind Räume für Lehrkräfte und Verwaltung. Das Gemeinschaftshaus ist die Visitenkarte der Schule: Hier verbringen die Jugendlichen ihre Pause, stürmen die Mensa und es finden viele Veranstaltungen statt.

Angewandte innovative Pädagogik findet hier unterschiedlichste Lernlandschaften vor. Hier einer der teils zweigeschoßigen Marktplätze, die sich vor den Klassen jedes Jahrgangs ausbreiten.
Die wohlproportionierten Klassen reihen sich an langen Fensterbändern mit Aussicht aneinander.

Die zwei Klassenhäuser rahmen den Hof im Westen und Norden. Brückenbauten verbinden sie miteinander, mit dem Gemeinschaftshaus und der Sporthalle. Die Fassaden aus sägerauer Fichte sind grau gestrichen. So verwittern sie nicht unregelmäßig, sondern bleiben elegant. Ein Detail beweist die Expertise der Planer: Die Fassade des obersten Stockwerks steht etwas vor, die der Geschoße darunter springen sukzessive zurück. So bildet sich ein konstruktiver Holzschutz. Um den Schallschutz und das Schwingungsverhalten der weit gespannten Holzdecken zu verbessern, wurde eine 12 cm starke Betonschicht kraftschlüssig mit den Holzbalken verbunden.

Daten & Fakten

Objekt Schmuttertal-Gymnasium, Diedorf (D)

Eigentümer/Bauherr Landkreis Augsburg, vertreten durch Landrat Martin Sailer

Architektur Hermann Kaufmann ZT , Schwarzach und Florian Nagler Architekten,
München

Statik merz kley partner ZT, Dornbirn

Planung 2/2012–9/2013

Ausführung 9/2013–9/2015

Grundstücksgröße 48.096 m² Gstfl. (inkl. Ausgleichsfläche), Nutzfläche 7816 m²

Bauweise Holz-Skelettbauweise mit Holzbetonverbunddecken; Außenwand: vorgefertigte Holzrahmenelemente mit außenliegender Fichtenschalung; sichtbarer Dachstuhl mit Aufdachdämmung und Vegetationsschicht und Photovoltaikmodulen

Besonderheiten Forschungsprojekt der deutschen Bundesstiftung Umwelt; Nachhaltiger Holzbau in Plusenergiestandard; Modulare Bauweise; Landschaften des Lernens

Energiekennwert spezifischer Primärenergiebedarf ohne nutzerinduzierte Verbräuche 39,7 kWh/m² im Jahr (spezifischer Primärenenergiebedarf) – einschließlich nutzerinduzierte Verbräuche 62,9 kWh/m²

Baukosten 29,6 Mill. Euro