Espresso urbano
„Frisch gestrichen“ – aber nicht nur das! Die Espresso-Bar Unterberger hat ein Remake erfahren. Kaum bemerkbar, weil geschätzt und geliebt von den Stammgästen, und doch fast alles neu, erstrahlt sie wie bei der Neueröffnung und tut das, was ein gutes Café und eine gute Bar eben machen: Teil der Stadtkultur sein.
Text: Verena Konrad | Fotos: Darko Todorovic
Der Sommer hat so viele Sehnsuchtsmomente. Dazu gehört wohl auch das Bild der italienischen Stadt – und mit ihr der vielen kleinen Bars, die ein Stück das Herz der italienischen Stadt- und Dorfkultur sind und Ortskerne und Stadträume prägen. In der Früh schnell einen Caffè al banco in der Bar, wenn es sich zeitlich ausgeht auch gerne mit einem Cornetto oder einem Cappuccino. Zu Mittag ein kleiner Abstecher, abends ein Aperitivo. Wenn sich das Leben mehr im Freien abspielt, sind die kleinen Bars eine Art Bindeglied zwischen privat und öffentlich. Nicht ganz daheim, noch nicht ganz im hektischen Alltag. Der Schriftsteller Friedrich Torberg soll über Kaffeehäuser einst gesagt haben: „Man ist zwar nie zu Hause, aber auch nicht an der frischen Luft“, und: „Man braucht Gesellschaft, um alleine zu sein.“ Für die italienischen Bars mit ihrer Betriebsamkeit mag das ein bisschen weniger gelten als für das Wiener Kaffeehaus, doch beide sind unbestritten mehr als nur Orte der Konsumation, sondern vielmehr Infrastruktur für eine gesellschaftliche Praxis. Was braucht diese Infrastruktur? Neben einem Tresen mit Kühlschrank und Kaffeemaschine, neben Tischen und Stühlen?
Nun ist die Espresso-Bar Unterberger auch nicht in Italien, aber sie bringt doch etwas von der gelassenen Kultur der italienischen Stadtcafés nach Feldkirch mit seinen vielen kleinen Gassen, Geschäften und Lokalen. Und hat unumstritten das, was eine gute Bar ausmacht – halb öffentlich, halb privat, mit cooler Atmosphäre für den Abend und lebendigem Stadtbezug unter den Arkaden der Stadthäuser. Neu übernommen, hat das Café mit seinem neuen Pächter nicht nur sein Gesicht behalten (dürfen), sondern auch den Namen. Vor Jahren war hier die geschätzte Buchhandlung Unterberger, die sich mit den Buchhandlungen Pröll und Bayer, um die Versorgung der Lesenden gekümmert hat. Unsere Einkaufskultur hat sich verändert.
„Die architektonische Herausforderung war, eine Nutzung sowohl als ansprechendes Tagescafé sowie als coole Nachtbar zu ermöglichen.“
Ulf Hiessberger, Gohm Hiessberger
Architekten, Feldkirch
Nur noch eine dieser wunderbaren Buchhandlungen ist noch in Betrieb und auch die Kaffeehäuser und Bars erleben neue Herausforderungen. Doch wer die Städte und Dorfkerne lebendig halten und so etwas wie ein öffentliches Leben haben möchte, muss sich auch dafür engagieren – und das nicht nur als Stadtpolitik und Stadtverwaltung, sondern auch unternehmerisch und vor allem konsumentenseitig. Aus Italien gibt es die Meldung, dass viele der ortsprägenden Bars verschwinden. Über 15.000 Bars hat Italien mit seiner stolzen Tradition in den letzten 10 Jahren verloren. Darum, liebe Leute, kauft Bücher in der Buchhandlung und geht so oft ihr könnt und wollt ins Kaffeehaus! Eine Kultur verschwindet nicht plötzlich, sondern schleichend, dann aber unwiederbringlich. Dabei geht es nicht nur um die Bar und das Kaffeehaus als Unternehmen, sondern als Treffpunkt. Die gesellschaftliche Dimension dieser informellen Orte kann neben konsumfreien, öffentlichen Orten nicht hoch genug geschätzt werden.
Die Espresso-Bar hat alles, was ein solcher Ort braucht: Die kleine Bar an der Hausecke erstreckt sich hin zum zentralen Marktplatz der Stadt. Unter den Arkaden lässt es sich gut sitzen, aber auch im Stadtraum, den die Stadt großzügig für die Gastgärten zur Verfügung stellt. Große, fast raumhohe Fenster geben Ein- und Ausblicke ins Innere und in den gassenseitigen Stadtraum. Hier lässt es sich auch sitzend flanieren, Passant(inn)en beobachten, das Stadtleben über seine Nutzer(innen) vorbeiziehen lassen.
Der Innenraum ist reduziert, durch die intensive Farbgebung jedoch nicht kühl, sondern eher frisch mit orangenfarbener Decke und apfelgrünem Hintergrund zur Bar, die sonst wie der Rest des Raumes elegant dunkel gehalten ist. Die Möblierung ist hochwertig und geschmackvoll, doch zurückhaltend, ebenso die Beleuchtung. Qualität wirkt am besten unaufdringlich. Mit der Übernahme durch einen neuen Pächter hat der Eigentümer nochmals investiert: in Technik, Ausstattung und Reparatur. Dafür hat er abermals das Architekturbüro Gohm Hiessberger aus Feldkirch beauftragt, das 2003 die Bar gestaltet hat. Dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit folgend, wurde nur erneuert, was erneuert werden musste, Materialien aufgefrischt und Farben neu aufgetragen. Zeitlose Architektur verträgt eben mehrere Auffrischungen.
Daten & Fakten
Objekt: Espresso-Bar Unterberger, Marktplatz Feldkirch
Neuer Pächter: Matthias Lechthaler
Bauherr: Günther Weber (Hausbesitzer) / 2003 Josef Auer +
Architektur: Gohm Hiessberger Architekten ZT GmbH, Feldkirch, www.gohmhiessberger.com
Planung: 2003/2023
Ausführung: Renovierung 01 – 03/2024, Eröffnung 06/2003/Neueröffnung 04/2024
Objektdaten: Wettbewerb: 2005, Planungsbeginn: 2006, Baubeginn: 2009, Fertigstellung: 2011
Nutzfläche: 70 m² + Gastgarten
Bauweise: Altbau/Umbau
Ausführende: Elektro: Kühne Feldkirch; Installateur: (Renovierung) Fa. Keckeis Armin Frastanz; Glas: Lorenz Feldkirch; Schlosser: Josef Hermann Satteins; Maler: Ferhat Öz Feldkirch; Tischler: Markus Ammann Göfis; Stühle: Höttges Dornbirn; Gastrogeräte: Pretterhofer Jürgen, Feldkirch