Passive Town, entwickelt vom japanischen Unternehmen YKK Real Estate, testet innovative Ansätze für den Wohnungsbau. Eines der Bauprojekte wurde vom Vorarlberger Architekturbüro HK Architekten geplant und zeigt, wie Erkenntnisse aus dem großflächigen modernen Holzbau in Europa für Japan angepasst werden können.

Text Verena Konrad · Fotos Roland Wehinger

Japanische Gruppen mit Interesse an Holzbau zieht es schon seit Längerem immer wieder auch nach Vorarlberg. In den letzten Jahren etwas öfter und auch etwas konzentrierter. Grund dafür ist die Zusammenarbeit von HK Architekten mit japanischen Firmen, mit japanischen Auftraggebern und der Austausch, der sich daraus ergeben hat – für das Handwerk, das Baugewerbe, die Architektur. Ein solcher Besuch führte auch Herrn Tadahiro Yoshida nach Vorarlberg. Der einflussreiche Unternehmer besuchte Hermann Kaufmann und lud ihn zur Zusammenarbeit im Rahmen einer Entwicklung in der japanischen Küstenstadt Kurobe ein. Diese ist seit vielen Jahren wesentlich durch das Unternehmen YKK geprägt, dem Herr Yoshida vorsteht. Eine neue Anlage, „YKK Passive Town“, widmet sich dem nachhaltigen und energiebewussten Bauen, das in mehreren Etappen von verschiedenen Architekturbüros pionierhaft geplant wurde. Für den fünften Teil, Bauprojekt Nr. 5, erhielten HK Architekten einen Direktauftrag, dem eine Empfehlung durch einen der Architekten der vorherigen Abschnitte und ebenjener persönliche Besuch des Unternehmers in Vorarlberg vorausging. Ein gutes gemeinsames Projekt setzt Vertrauen voraus.

Das Ensemble und spezifisch auch Bauprojekt Nr. 5 setzen neue Maßstäbe in vielerlei Hinsicht: für das Wohnen mit großzügigen und durchdachten Grundrissen, für energiesparende Nutzung, für neue Wege in der Planung und Ausführung. Davon konnten sich auch eine Gruppe des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft und Advantage Austria überzeugen, die dem Projekt letzte Woche einen Besuch vor Ort abstattete, nachdem das Projekt zuvor schon im Rahmen der vai-Ausstellung „verywood. Austrian Architecture Today“ und einem Vortrag von Hermann Kaufmann in Shibaura House in Tokio vorgestellt wurde.

„Besonders beeindruckend in unserer Zusammenarbeit war die hohe Präzision sowohl der Fachplanung als auch des Handwerks.“

Hermann Kaufmann
HK Architekten

Wesentlich ist vor allem die durch konsequente Planung erreichte Emmissionsreduzierung dieses Null- und wenn alle Vorarbeit aufgeht, sogar Plusenergiehauses. In diesem Momentum liegt die Zukunft. Schon vor vielen Jahren hat Michael Braungart, der zusammen mit William McDonough das sogenannte Cradle-to-cradle-Konzept entwickelte, ein umfassendes Konzept, das Umweltschutz und das Thema Müllvermeidung zusammendenkt, ausgesprochen, was mittlerweile auch in der Bauindustrie angekommen ist: Klima-„neutral“ zu sein, ist zu wenig. Es geht darum, einen klima-„positiven“, konstruktiven Beitrag zu leisten. Das Plusenergiehaus ist ein solcher Beitrag. Tatsächlich liegen die Emissionen des Bauwerkes bei gerade einem Fünftel von Standardgebäuden in Japan. Die Hybridbauweise soll den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus sogar um bis zu 50 Prozent reduzieren. Pionierhaftes Bauen ist immer auch Experiment und verlangt eine gemeinsam getragene Risikoabwägung.

Eine der größten Neuerungen für die japanischen Partner, die mit Takenaka, einem der größten und hochspezialisierten General-unternehmer in Japan, vertreten waren, liegt im Grad der Vorfertigung. Diese ist in Japan durch gänzlich verschiedene Rahmenbedingungen – die vor allem durch restriktive Baugesetze und hier insbesondere durch Vorgaben zu den Themen Erdbebensicherheit und Brandschutz gekennzeichnet sind – für alle beteiligten Partner ein Novum. Gebauter Ausdruck dieser Rahmenbedingungen ist unter anderem ein großflächiges Fundament, indem die massiven Treppenschächte des Hybridbauses verankert sind. Trotz all dieser Maßnahmen gelingt es, das Holz als vorrangiges Material weiterhin sicht- und spürbar zu halten. So gestaltete sich die gemeinsame Arbeit als architektonische wie konstruktive Herausforderung, denn Bauprojekt Nr. 5 ist tatsächlich die erste Realisierung eines Holzbauvorhabens in Japan, das im großen Maßstab Vorfertigung und die Verwendung lokaler Holzressourcen – 90 Prozent des verwendeten Holzes stammt aus der Region – zusammenbringt.

Bauprojekt Nr. 5 trägt den bildhaften Titel „Wohnen im Park“ und besteht aus drei eigenständigen Gebäuden mit quadratischem Grundriss und jeweils sechs bis sieben Stockwerken. Schon von außen ist die gestalterische Anlehnung an traditionelle japanische Holzhäuser erkennbar: Sie liegt vor allem in der strengen Symmetrie, dem strikten Raster und in der Farbgebung, aber auch Elementen wie Holzlaubengängen, die nicht nur vor Wind und Wetter schützen, sondern auch Begegnungsraum sind. In ihrer Mitte liegt ein Pavillon, liebevoll als „Stube“ bezeichnet, der sowohl für Co-Working als auch soziale Aktivitäten zur Verfügung steht. Auch auf die Freiraumgestaltung wurde besonderes Augenmerk gelegt. YKK Passive Town ist seit wenigen Wochen eröffnet und zeigt, wie das Holzbauwissen aus Vorarlberg in Japan nicht nur Wertschätzung findet, sondern auch unter den lokalen Voraussetzungen zu neuen Lösungen führen kann. Darin liegt nicht nur ein Markt für die österreichische Holzwirtschaft und spezialisiere Architektur- und Planungsbüros, sondern vor allem auch für die Weiterentwicklung der Wald- und Holzwirtschaft wie auch der Präfabrikation mit Holz in Japan. Pionierbauten erzeugen Wirkung. So möchte Takenaka in Zukunft eine führende Rolle im vorgefertigten Bauen mit Holz in Japan einnehmen und auch die beteiligte Holzbaufirma Chuto will in diese Entwicklung investieren.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at

YKK Passive Town, Kurobe/Japan

Bauherr: YKK Real Estate
Architektur: HK Architekten, www.hkarchitekten.at; Projektleitung:
DI Verena Rauh, Florian Schwender M.A., Mitarbeit (Entwurf): DI Christoph Dünser, Daniela Wache M.Sc.
Fertigstellung: 2025
Generalunternehmer: Takenaka Corporation
Lichtplanung: Manfred Remm