Die Landschaftsarchitekten Gruber + Haumer haben den Freiraum Schlinser Jagdberg
als Mischung scheinbar unbehandelter und raffiniert kultivierter Natur komplett neu gedacht.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Alexander Ess

Der Jagdberg ist seit vielen Jahren ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche, die es in ihrem bisherigen jungen Leben nicht einfach gehabt haben, in einem vom Vorarlberger Kinderdorf betriebenen Heim leben bzw. in einer Sozialpädagogischen Schule lernen. An einem geschichtsträchtigen, in die hügelige Kulturlandschaft des Walgaus sanft eingebetteten Ort, wovon nicht zuletzt die Ruine einer mittelalterlichen Burg am „Berggipfel“ erzählt. Vielen älteren Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern ist der Jagdberg aber noch als jener abschreckende Platz in Erinnerung, an dem die „bösen Buben“ landen. In der hier bis 1999 existierenden Landeserziehungsanstalt bzw. dem Landesjugendheim, bis der „Jagdberg“ im selben Jahr vom Kinderdorf übernommen und grundlegend umstrukturiert wurde.

Nach der Sanierung der Alten Schule und einem Masterplan durch architur.terminal Hackl/Klammer gewann das Büro von Johannes Kaufmann den Wettbewerb zur Generalsanierung. 2016 begonnen, ist diese noch nicht abgeschlossen. Kaufmann holte für die Verwandlung des rund 18.600 Quadratmeter großen Freiraums die Bludenzer Landschaftsarchitekten Gruber + Haumer mit ins Boot. Elisabeth Gruber und Alexander Haumer verwandelten das riesige Areal in eine wie selbstverständlich daherkommende Mischung aus scheinbar unbehandelter und unaufgeregt gezähmter Natur. Wo sich von Schafen „gemähte“ Wiesen und akkurat gepflegte Rasenflächen abwechseln, es Beete unterschiedlicher Form und Größe gibt, in denen Blumen, Gemüse und Kräuter kultiviert werden, aber auch wachsen darf, was will.

Besonders wichtig war es Gruber + Haumer, parkende Autos auf zwei Stellen zu konzentrieren. Mit dem Ziel, den fein durchwegten Freiraum, aus dem immer wieder der felsige Untergrund auftaucht, durchlässig zu machen und als Gesamtes zum Fließen zu bringen. Strukturiert durch kleine Plätze zum Verweilen, aber auch zum Klettern und Schaukeln bzw. durch zwei Außenzimmer mit „Wänden“ aus Hecken, die einfach nur da sind um in die Luft zu schauen. Durch diese neue außenräumliche Transparenz tun sich Blickachsen in alle Richtungen auf, möglich gemacht nicht zuletzt durch den Abbruch eines Bauteils zwischen Schule und Verwaltungsgebäude.

„Unser Ziel ist es gewesen,
auf eine komplexe Frage eine ganz
einfache Antwort zu geben.“

Elisabeth Gruber
Landschaftsarchitektin

Zu den vielen alten Bäumen wurden zahlreiche neue dazugepflanzt. Was verwildert war, wurde entwildert. Vor der Schulküche gleicht der neue Kräutergarten raffiniert einen kleinen Geländesprung aus. Neben dem Verwaltungsgebäude haben die Schüler eigenhändig einen Nutzgarten angelegt. Vor dem leicht erhöht positionierten Bau gibt es einen mit einer langen hölzernen Bank möblierten Platz, der durch seine Schroppenpflasterung fast urban daherkommt. Mit Blick auf zahlreiche runde und ovale Blumenbeete sowie einen kleinen Teich, der ebenfalls oval ist.

Ihr Ziel sei es gewesen, auf eine komplexe Frage eine ganz einfache Antwort zu geben, sagt Landschaftsarchitektin Elisabeth Gruber. Das scheinbar Einfache wird am Jagdberg allerdings so überzeugend selbstverständlich, so klug und wunderbar uneitel ohne jede gekünstelte Attitüde bis ins Kleinste durchdacht, dass es eine Freude ist. Denn Gruber + Haumer geht es darum, dass die jungen Menschen hier nicht nur einen Ort intellektuellen Inputs finden, sondern basierend auf einem hochinteressanten Lehrkonzept ihre sozialen und emotionalen Potenziale in den unterschiedlichsten „Werkstätten“ real ausprobieren können. Im Cafelino genauso wie in der im Freien eingerichteten „bikegarage“ oder beim Pavillon mit seinem betonierten Boden, dessen hölzerne Sitzelemente ebenfalls in einer der Werkstätten gebaut wurden.

Für die bunte Möblierung des Cafés genauso wie der im gesamten Areal verstreuten Verweilorte haben Gruber + Haumer ebenfalls gesorgt. Die beiden Sportplätze und einen Abstellplatz für Autos haben sie sensibel in die Topografie eingebettet. Atmosphärisch wichtig ist aber auch ein raffiniert ausgeklügeltes neues Lichtkonzept.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Freiraum Jagdberg-Areal, Schlins
Bauherr Hochbau Land Vorarlberg
Eigentümer Paedakoop, Schlins, www.paedakoop.at
Landschaftsarchitektur Gruber+Haumer, Bludenz, www.landschaftsarchitektur-gh.at
Architektur Johannes Kaufmann und Partner, Dornbirn; Wolfgang Ritter, www.jkundp.at
Fachplanung Statik: Merz Kley Partner, Dornbirn; Entwässerung: Rudhardt Gasser Pfefferkorn ZT, Bregenz
Planung 2016–2019
Ausführung 2019
Gesamtfläche 22.540 m²
Fläche Freiraum 18.600 m²
Planungsumfang Erschließungswege, Plätze, Sitzstufen, Spiel- und Sportflächen, Grünräume, Beleuchtungskonzept
Besonderheiten Planung im Gehölzaltbestand, im historischen Kontext der Burgruine und Einbettung in die umgebende Kulturlandschaft
Ausführung Baumeister/Pflasterung: Hilti & Jehle, Feldkirch; Landschaft: Loacker, Koblach; Hartplatz: Schweiger Sport, Wels