Das vom Architektenteam Simon Metzler und Lukas Schelling geplante neue
Betriebsgebäude der Firma Glatz in Bregenz ist eines, das vieles können muss.
Ein Haus, das idealer Produktionsort genauso ist wie eines, das zeichenhaft das
Selbstverständnis des mittelständischen Unternehmens transportiert.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Darko Todorovic

Begonnen hat alles 2016 mit dem Auftrag zur Sanierung der Fassade des Bestandsgebäudes. Geworden ist daraus schließlich dessen Verwandlung in einen kleinen Gewerbepark sowie ein kompletter Neubau der Firmenzentrale direkt daneben, die als markante Wegmarke unmittelbar an die Arlbergstraße gestellt wurde. Situiert in Sichtweite zur Riedenburg als raffiniert durch Rücksprünge gegliederter, als Reverenz an die großvolumige Wohnbebauung in der Nachbarschaft weiß verputzter Kubus, dessen gekalkte „Häute“ in einer handwerklichen Meistserleistung fein von Hand geglättet wurden, was ihnen eine wunderbar wolkige Haptik verleiht.

Der Stempel- und Klischeehersteller Glatz ist ein alteingesessener, sukzessive wachsender Familienbetrieb. Das Bestandsgebäude war in den letzten Jahren zu klein geworden, ließ angesichts der technischen Entwicklungen aber nicht nur räumlich viele Wünsche offen. Träumte doch Johannes Glatz – der mit seinem Bruder Raphael die Geschäfte führt – schon lange von einem repräsentativen architektonischen Auftritt, der das Selbstverständnis des mittelständischen Unternehmens weithin sichtbar signalisieren soll. Die Umsetzung der Ideen und Wünsche wurde in die Hände des Architektenteams Simon Metzler und Lukas Schelling gelegt. Das Ergebnis ist ein auf einen ersten Blick schlichter, von durchgehenden Fensterbändern horizontal gegliederter Würfel, dessen Raffinesse eine delikat subversive ist, die sowohl mit baukünstlerischem als auch rein pragmatischem Kalkül – etwa dem je nach Tageslicht variablen Lichteinfall für die hier Arbeitenden – zu tun hat. Indem etwa die Fenster in jedem der sechs Geschoße in unterschiedlicher Höhe gesetzt sind. Im ersten Obergeschoß sitzen sie direkt unter der Decke über hohen, durch Schränke verbauten Brüstungen, in den Stockwerken darüber sind diese niedriger, dafür gibt es zusätzlich einen Sturz bzw. keine Brüstung und nur einen, dafür entsprechend breiten Sturz, während das oberste Geschoß komplett ohne Fenster auskommen muss. Das Erdgeschoß mit seinem geschützten Eingangsbereich ist dagegen zu einem großen Teil raumhoch verglast, das darunter bekommt Licht von oben bzw. durch einen großzügig dimensionierten Außenbereich mit entspannenden Ausblicken nach oben. Einen in die Kubatur integrierten, jeweils in eine andere Richtung angelegten Außenbereich als geschützten Freiraum für die Mitarbeiter gibt es allerdings in jedem der Stockwerke

„Der Anspruch einer gestapelten,
erlebbaren Firmenstruktur tritt in Dialog
mit den heterogenen Nutzungen des Ortes.“

Simon Metzler und Lukas Schelling
Architekten

Flache Hierarchien
Als Ausdruck der Glatz’schen Firmenphilosophie wird räumliche Transparenz in dem neuen Firmengebäude ganz großgeschrieben. Wie flach die Hierarchien hier sind, drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass auch die beiden Chefs sozusagen im Glashaus sitzen. Denn massive Trennwände gibt es im Produktions- wie Montagebereich genauso wie bei den Büros nur, wenn sie unbedingt notwendig sind. Dafür dominiert viel Glas, sämtliche vom Architektenteam entworfenen Einbauten sind aus weiß gekalkter Esche getischlert, die meisten Böden sind mit hellgrauem geschliffenem Gummi belegt, was nicht zuletzt der Akustik guttut. Der rund 250 Quadratmeter große, mit Sitzsäcken lose möblierte Multifunktionsraum im dritten Obergeschoß wird durch graue Vorhänge raffiniert variabel bespielbar. Als absoluter Kontrapunkt zur farblichen Kühle – allein in den WCs gibt es einen in jedem Stockwerk anderen Hauch von Farbe – wird es ganz oben sinnlich bunt. Durch seine Fensterlosigkeit angelegt als wohliges „Nest“ bzw. Kommunikationsort für die rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Boden und Wände sind ziegelrot, die mächtige Bar ist aus einem schön gemaserten Stein gebaut. Raumhohe, dunkel gerahmte Türen erschließen den Außenbereich, der hier als wunderbar grüne, die Wirklichkeit ausblendende Oase angelegt ist.

Sinnliche Rundungen
Ein durch seine sinnlichen Rundungen fast barock anmutendes, komplett weißes Stiegenhaus samt Lift ist im zentralen Erschließungskern des in Ortbeton errichteten Gebäudes eingehaust. Der Sonnenschutz ist in die Scheibenzwischenräume der Fenster integriert, geheizt und gekühlt wird per Erdwärme.

Daten und Fakten

Objekt Neubau Glatz Gruppe, Bregenz
Bauherr Glatz Unternehmensgruppe, Bregenz
Architektur Arbeitsgemeinschaft Lukas Schelling ZT | Simon Metzler ZT, www.studio-co.io
Statik M&G Ingenieure, Feldkirch, www.m-g.at
Fachplanung Geotechnik: 3P, Bregenz; Heizung Lüftung Sanitär: Klimaplan, Hohenems; Elektro/Beleuchtung: Hecht, Rankweil; Bauphysik: DI Bernhard Weithas, Lauterach; Landschaftsplanung: Cukrowicz Landschaften, Schaffhausen; u. a.
Planung 08/2016–12/2019
Ausführung 08/2018–02/2021
Grundstück 1706 m2
Nutzfläche 3300 m²
Bauweise Massivbau; gekalkte Kompaktfassade; Verschattung im Scheibenzwischenraum
Ausführende Baumeister: Zimmermann, Bregenz; Fenster, Portale: Wilhelmer, Kolbnitz; Verputz: Helmut Kalb, Dornbirn; Kalkputz: Hansjörg Mess­ner, Villnöss mit Gerold Ulrich, Satteins; Tischler: Rüscher, Schnepfau; Böden: Walo Bertschinger, Dietikon; u. a.
Energiekennwert 34 kWh/m² im Jahr (HWB)
Kosten 9 Mio. Euro