Ludescher + Lutz Architekten haben in die abstrahierte Form eines Rheintalhauses ein Wohnhaus für sechs Parteien geplant. Holz findet sich nicht nur an den Fassaden, auch im Treppenhaus und in den Wohnungen unterstützt das optisch warme Weißtannenholz aus der Region die wohnliche Atmosphäre. Vom Dach bis zur Möblierung wurde auf ein stimmiges Gesamtkonzept geachtet, damit sich der große Baukörper gut in die Umgebung einfügt.

Text Katinka Corts · Fotos Karin Nussbaumer, Gustav Willeit und Elmar Ludescher

Südlich von Palast und Schlossplatz wird die Bebauung in Hohenems kleinteiliger und dörflicher. Quer vom Emsbach geht dort die Wagnerstraße ab, die von Einfamilien- und kleineren Mehrfamilienhäusern gesäumt ist. Die früher bis an die Hausfassaden versiegelte Straße ist heute weicher gestaltet: Ludescher + Lutz Architekten haben auf ein frei gewordenes Grundstück einen großen Holzbau mit Satteldach gesetzt, der in seiner Kubatur an ein abstrahiertes Rheintalhaus erinnert und mit einer gepflasterten Vorzone und einem Garten den öffentlichen Raum neu fasst. Der Viergeschoßer mit Tiefgarage nimmt sechs Eigentumswohnungen auf, die nach Nordwesten ausgerichtete Loggien und Terrassen haben. Die sechs Wohnungen sind nicht standardisiert: Es gibt zwei kleinere und zwei größere Regelgeschoß- sowie unterschiedlich aufgebaute Maisonettewohnungen, von denen man weit über die Stadt und bis ins Rheintal blickt. Auch bei der Planung der anderen Wohnungen legten die Architektinnen und Architekten besonderen Wert auf die Blickbeziehungen zur Umgebung sowie einen hohen Lichteintrag.

Die kombinierten Koch- und Aufenthaltsbereiche sind jeweils zur Gartenseite orientiert, in den Maisonettewohnungen führen Treppen in den hohen Dachraum mit den Schlafzimmern. Die Bäder sind mit schlichten weißen Sanitärobjekten und grünlich grau glasierten Fliesen gestaltet. Zusammen mit den sonst weiß gehaltenen Wänden und dem hellen Eschenparkett in den Wohnräumen vermittelt das eine hohe Wertigkeit bis ins Detail. Auch die gedeckten Loggien und Terrassen, die sich über die gesamte Längsseite des Gebäudes ziehen, sind überlegt gestaltet: Raumhohe Schiebeflügeltüren lassen den Außenraum schwellenarm zum Teil der Wohnung werden.

„Der Bauherr hatte ein feines Gespür für Architektur. Wenn wir ein bisschen abweichende, mutigere oder nicht ganz so konservative Vorschläge machten, war er sehr offen dafür und hat die Idee unterstützt.“

Kathrin Weiß-Königer
Architektin

Zugleich liegen die silbrig melierten Markisen für den Sonnenschutz außen und versteckt in der Konstruktion, statt sichtbar vor der Fassade zu hängen, wo sie das Gesamtbild stören würden. „Ich war lange auf der Suche nach einer kleinen Wohnung, die nicht erdrückend wirkt“, so eine Bewohnerin des Hauses. „Hier war ich dann überrascht, wie groß und hell die zwar kleinen, aber dafür hohen Räume sich anfühlen“. Zu den Erdgeschoßwohnungen gehört je ein kleiner Vorgarten, der direkt an die Holzterrasse anschließt. Für die Gestaltung der Küchen- und Badmöbel sowie der Schränke entwickelte ein Schreiner aus der Region ein Konzept, das die Bewohner bei Interesse realisieren lassen konnten. Ebenso aus hellem Holz gefertigt und mit sehr schlichten Details versehen sind die naturfarbenen Möbel eine zusätzliche Schönheit im Raum.

Das Holz prägt die Innenräume, aber auch die gesamte Erscheinung des Gebäudes. „Das Haus ist eine ökologische Mischbauweise mit Stahlbetondecken und Stahlstützen, die wir für den Aufzug brauchten“, erläutert Architektin Kathrin Weiß-Königer. „Die Wände wiederum bestehen aus vorgefertigten Holztafeln, die Fassaden aus unbehandelten, regionalen Weißtannenbrettern. Sie verkleiden das Haus in wechselnden Fugenmaßen und werden mit der Zeit vergrauen.“ Die flach aufgelegten oder vertikal gestellten Bretter vermitteln optisch den Eindruck einer homogenen Holzwand. Dazwischen liegen präzise ineinander übergehende Fenster, die an der Straßenseite in den unteren Etagen zugunsten der einheitlichen Ansicht hinter den Lamellen versteckt bleiben. Dass auch die Dächer als zu gestaltende Fassade betrachtet und sogar die Untersichten der Dachvorsprünge mit hochwertigem Holz ausgeführt wurden, ist nicht selbstverständlich und bezeugt den hohen gestalterischen Anspruch des Bauherrn.

Für den Ort ist der Neubau ein Gewinn, denn er stärkt mit seiner Erscheinung das historische Profil der Stadt, das immer noch an so manchen Stellen an früheren baulichen Entscheidungen krankt. Dass die Architektinnen und Architekten bei der Umsetzung auf den Einsatz regionaler Materialien und die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern setzten, ist richtig in einer Zeit, in der es zwingend notwendig ist, bauliche Entscheidungen auch in Hinblick auf Graue Energie und regionale Wirtschaftlichkeit zu treffen.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at

Wohnen im Quartier Säge

Bauherr: Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH
Architektur: Ludescher + Lutz Architekten ZT GmbH, Bregenz, www.ludescherlutz.at
Statik: Kofler Baustatik GmbH, Götzis
Planung: Jänner 2022–Oktober 2023
Ausführung: Oktober 2022–Jänner 2023
Grundstück: 580 m²; Nutzfläche: 475 m²
Energiekennwert: 31,7 kWh/m² im Jahr (HWB)

Preisträger des Hypo-Baukulturpreises 2025, baukulturpreis.hypovbg.at