Der Bauplatz ist besonders. An der Straße eine Lindenallee, rundherum Verwandtschaft. Daher gibt es keine Zäune. Umsichtig setzte Architekt Matthias Hein ein ruhiges, zweigeschoßiges Haus und eine Garage auf das Grundstück. Beide mit Satteldach, beide aus demselben Holz. Haus-Geschwister. Ein gedeckter Freiraum zwischen ihnen ist Eingang und verbindet die beiden, den asphaltierten Vorplatz und den Garten. Gemeinsam bilden sie ein Ganzes, das weit mehr ist als die Summe seiner Teile.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Die Lage in der Kirche am Feld, einem der ältesten Stadtteile von Feldkirch ist wunderbar. Ruhig und grün. Eine Lindenallee säumt die sacht gekrümmte Straße, alle Parzellen am westlichen Kurvenrand werden von einer Familie bewohnt. Daher gibt es keine Zäune und tobt sich das verwandtschaftliche Kinderkollektiv überall aus.

Die Schwiegermutter des Bauherrn ließ sich von Architekt Roland Gnaiger 1988 ein Haus planen. Der Raum unter dem gläsernen Satteldach in der Mitte durchmisst die gesamte Hauslänge. Rechts und links davon dockt je ein Wohntrakt an, leicht davon abgesetzt bildet die Garage die Verlängerung des äußeren. Der Baugrund grenzt im Norden an Gnaigers Haus, Empfehlungen führten geradewegs zu Matthias Hein. Er bereicherte die vorhandene Partitur an Satteldächern um eine weitere Variante. Das zweigeschoßige Wohnhaus und die Garage – beide aus einem Holz, beide mit Satteldach, beide parallel zueinander, fügen sich in Maßstab und Anordnung gut ein. Das Wohnhaus im Süden distanziert sich klar von der Straße, die eingeschoßige Garage im Norden steht ihr naturgemäß näher. Ein gedeckter Freiraum, der sich mit einem halbhohen Drehtor entweder schließen oder offenhalten lässt, verbindet beide. Er handelt alle Themen des Hauses ab: den Freiraum, die Schwelle und den Weg, der neue Raum- und Sichtbeziehung eröffnet.

Garage und Haus definieren einen Platz, der mit Ortbetonplatten befestigt ist. Zwei Lindenbäume spenden im Sommer Schatten und schirmen die Straße ab, die Kinder spielen hier sehr gerne, vom Küchenfenster aus hat man sie immer im Blick. Vor dem Drehtor schafft der Dachvorstand – der sich an die Flucht des Wohnhauses hält – einen gedeckten Bereich, gartenseitig reicht er bis zur vorstehenden Dachkante der Garage, die hier eine Sauna ist. So entsteht eine witterungsgeschützte Nische in der Abendsonne. Vor allem im Hochsommer sitzen auch Familienmitglieder aus den Nachbarhäusern hier sehr gern.

„Nachhaltigkeit war ein großes Thema. Wir bauten nur mit lokalem Holz, der
Planungsprozess ist sehr wertvoll. Man muss alle Entscheidungen
genau überlegen und mit dem Bauherren abstimmen.“

Matthias Hein
Architekt

Linker Hand die Garderobe, geradeaus die Wohnküche, rechter Hand ein WC für Gäste, dahinter der Kamin. Dessen Feuerstelle wendet sich dem Wohnen zu, umsichtig rahmt die wandfüllende Bibliothek an der westlichen Stirnseite ein quadratisches Fenster, das auch Lesenische am Garten ist. Im Süden öffnet sich eine Schiebetür zur Terrasse, die ins Hauseck eingeschnitten ist. Wieder ein gedeckter Freiraum.

Auch die Schrankwand der Wohnküche endet als Sitzbank beim Kamin. Durch ein riesiges Fenster sieht man von der Arbeitsfläche der Küche auf Straße und Lindenallee. In der Mitte ein freistehender Herd und der Esstisch aus der alten Wohnung, natürlich öffnet sich die raumhohe Schiebetür zum Garten. Die eingeschnittene Terrasse schafft im Westen ein weiteres Fenster, das die Abendsonne herein und den Blick durchs ganze Haus schweifen lässt. Die Fensterbrüstung ist innen und außen als Sitzbank gestaltet. Fast ein Lieblingsplatz des Bauherrn. Der zweite ist der Arbeitstisch an der Treppe im Spielflur des Obergeschoßes. Er bewährte sich bestens als Home-Office. Die Zimmer der Kinder reichen bis unter den First, wo es extra ein Hochplateau zum Schlafen und Spielen gibt. Mit einem kleinen Oberlicht, durch das man in den Nachthimmel schauen kann.

Zwei 70 Meter tiefe Erdsonden speisen die Fußbodenheizung, vom Kelleraushub bis zum Einzug verging ein knappes Jahr, der Planungsprozess dauerte eineinhalb Jahre. „Das ist sehr wertvoll. Alle wichtigen Entscheidungen müssen sitzen, man muss sie genau überlegen und mit dem Bauherren abstimmen.“ Das Haus ist ein vorgefertigter Holzbau. „Vorgefertigt klingt so abwertend. Dabei gibt es viele Regionen, wo sie es einfach nicht können“, sagt Hein. „Die Bauausführung war herausragend.“ Die Fichtenholzfassade ist oben sägerau, unten gehobelt, damit die Kinder sich keine Schindeln einziehen. Alle Teile – inklusive Hinterlüftung, Windpapier, Lattung, Fassade – kamen fertig per Lkw auf die Baustelle, zwei Tage später standen Haus und Garage.

„Ich freue mich immer, wenn ich heimkomme“, sagt der Bauherr. Der Cousin hat Blumen- und Gemüsebeete, Katzen, Hühner und Hasen im nachbarlichen Garten. Hoppeln sie auf sein Grundstück hinüber, freuen sich die Kinder.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Haus W, Feldkirch
Architektur HEIN architekten zt, Bregenz, www.hein-arch.at
Bauherr Baukultur Management, Schwarzenberg
Fachplanung Tragwerksplanung: plan DREI, Andelsbuch; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Holzbau: Flatz, Alberschwende
Planung 01/2019–12/2019
Ausführung 09/2019–11/2020
Grundstück 787 m²
Nutzfläche 165 m² (Neubau)
Konstruktion Untergeschoß Beton, außen gedämmt; darauf vorgefertigter Holzständerbau; Fassade Weißtanne; Dach Faserzement-Schindeln; Fenster: Tanne
Ausführung Baumeister: Wälderbau, Schwarzenberg; Zimmerer: Flatz, Alberschwende; Heizung-Sanitär: Siegfried Steurer, Egg; Elektro: Schneider, Schwarzenberg; Spengler: Mathis, Altach; Bau- und Möbeltischler/Fenster: Manfred Oberhauser, Schoppernau; Böden: Wäldar, Schwarzenberg; Estrich: Ebner, Lustenau; Fliesen: Kröll, Rankweil; Ofen: Müller, Ludesch; Maler: Krista, Frastanz; Glas: Müller, Frastanz; Sonnenschutz: Stampfl, Göfis; Trockenbau: Reuplan, Hard
Energieausweis 40 kWh/m² im Jahr (HWB)