Die Strickmaschinen der Maselli-Textilfabrik stehen schon lange still,
heute wird auf dem Areal gearbeitet und gewohnt. Architekt Marc Hoffenscher
plante den Maselli-Loft und die gleichnamige Wohnanlage.
Wie Strickwerk umhüllen sie Laubengänge und Terrassen der drei freigeformten Wohnbauten,
an denen sich Pflanzen hochranken. Eine hügelige
Hoflandschaft, das umgebaute, aufgestockte Fabriksbüro und der
Co-Working-Space Maselli-Loft komplettieren das lebenswerte Ensemble.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer, Jessica Alice Hath

Wir bauen für unerschrockene Raumpiloten und Raumpilotinnen“, steht auf der Website von Marc Hoffenscher. Der Architekt studierte an der Wiener Universität für Angewandte Kunst bei Wolf D. Prix, dem Mastermind von Coop Himmelb(l)au, die mit dekonstruktivistischen Projekten den Stararchitektenstatus erreichten. Hoffenscher kennt keine Scheu vor starken Farben und Formen und liebt unorthodoxe Lösungen. Südlich des Bahnhofs von Dornbirn liegt die Innenstadt, nördlich davon siedelte sich viel Indus-trie an. Auch die Strickerei Maselli hatte hier in der Sandgasse 13 jahrzehntelang Pullover und Strickwesten produziert, bis sie 2014 als eines der letzten Textilunternehmen im Dreiländereck den Betrieb einstellen musste. Eigentümerin Michaela Rümmele und Gerhard Rümmele bewiesen als Bauherrin und Bauträger Mut und Weitsicht. Sie wollten den familiären Industriebestand zu einem Wohnprojekt entwickeln, das anders ist. Architekt Marc Hoffenscher war dafür genau der richtige. Die Lage ist zwar durch die Bahn von der Stadt abgeschnitten, aber durchaus zentral. Ein guter Platz zum Arbeiten und Wohnen. „Wir hatten die Vision eines durchmischten Quartiers“, sagt Hoffenscher. „Als starkes Team aus Architekt, Bauträger und Bauherr kann man Dinge umsetzen, von denen andere nur träumen.“ Maselli war ein großer Name in Vorarlberg, die Geschichte der Strickerei und viel Grün sind die tragenden Säulen des Projekts, dessen Metallfassaden wie gestrickt wirken.

Die Sandgasse im Norden ist das Gesicht zur Stadt, im Osten und Westen nehmen zwei Quergassen das knapp 4700 m2 große Areal in die Zange. Im Süden wächst noch Gras. Die Bauherren entschieden sich bewusst, diese Wiese vorerst nicht zu bebauen. „Wir haben eigens mit einem Spezialkran drei alte Bäume vom Areal auf die Straße versetzt, um sie zu erhalten“, sagt Hoffenscher. Die freie, sonnige Grünfläche bietet allen einen weiten Horizont und gibt der Verdichtung auf viergeschoßige Baukörper mehr Luft.

„Wir hatten die Vision eines durchmischten Quartiers.
Weil wir als ein kleines, starkes Team aus Architekt, Bauträger und Bauherr
gemeinsam ein Ziel verfolgten,
konnten wir unsere Vision auch umsetzen.“

Marc Hoffenscher
Architekt

Die bestehenden Lager- und Produktionshallen waren nicht zu retten, das zweistöckige Firmengebäude am Eck aber blieb. Es wurde straßenseitig um den Maselli-Loft erweitert. Eine Fassade aus weiß eloxierten, ineinander verflochtenen Streckmetallstreifen mit elliptischen Bögen umhüllt sie wie eine Arkade. Dahinter arbeiten im Co-Working-Space Maselli-Loft zwischen 25 und 30 Menschen, auch die Schreibtische der Bauherren stehen in dem 3,80 Meter hohen, lehmverputzten Raum mit Treppe auf die Galerie. „Wir haben wirklich nachhaltig gebaut“, sagt Gerhard Rümmele stolz. „Alle Zwischenwände sind aus Vollholz, die hinterlüfteten Fassaden mit Steinwolle gedämmt.“ Bereits in den 1990er-Jahren hatte Maselli als erste Firma in Vorarlberg die 350 Pfähle für die Gründung auch für Erdwärme genutzt.

Weil die Maschinen der Textil-fabrik so schwer waren, kam man trotz Aufstockung mit den bestehenden Pfeilern aus. Inspiriert vom US-amerikanischen Künstler Gordon Matta-Clark brach Marc Hoffenscher einen elliptischen Freiraum in den verputzten Bestand, der die Zugänge in jedem Stock belichtet. Er ist mit einer eindrucksvollen Stahlkonstruktion in der Wand verankert, die von der alten Hausmauer noch stehen blieb. Insgesamt gibt es hier 23 Lofts zu mieten, die obersten mit wunderschönen Dachgärten.

Neben dem Maselli-Loft steht ein elliptischer Solitär mit messinggestrickten elliptischen Arkadenbögen im Erdgeschoß, von dem die Wege zu den zwei anderen Gebäuden an den Grundstücksrändern abzweigen. Auch sie haben abgerundete Ecken, die Wohnungen werden im Norden von breiten, großzügigen Laubengängen mit Stegen erschlossen, die so etwas wie kleine, vertikale Vorgärten bilden. An den anderen drei Seiten sind sie von umlaufenden Balkonen umgeben. „Diese Balkone sind gerundet, schieben sich zur Sonne hin und werden in Richtung Südwesten immer tiefer“, sagt Wolfgang Rümmele. Die Menschen nutzen ihre Freiräume an der Sonne: Überall stehen Pflanzen, Sessel und kleine Tische. Die geknickten Stahlstützen zwischen dem messingfarbigen Streckmetall haben auch eine statische Funktion als Vertikalaussteifung zwischen den Geschoßen. Die drei Bauten mit den 31 Wohnungen stehen wie in einer hügeligen Landschaft im Hof. Das Fabriksareal lebt.

Die Zimmer sind mehr oder weniger klein, der Platz ist mit viel kreativem Hirnschmalz perfekt ausgenützt, die räumliche Ausstattung ebenso hochwertig wie schnörkellos funktionell. Atmosphärisch tun die Fototapeten mit Bezügen zur alten Villa gut. Und dass der Blick von den Zimmern nach außen mit jedem Stockwerk höher immer noch besser wird, versteht sich von selbst.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Maselli und Maselli-Loft, Dornbirn
Bauherr Philipp Mäser GmbH, Dornbirn
Architektur Hoffenscher ZT, Dornbirn, www.hoffenscher.com
Statik gbd ZT, Dornbirn, www.gbd.group
Fachplanung Außenanlagen: Amann Gartenbau, Koblach; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg:, Dornbirn; örtliche Bauaufsicht, Projektleitung: BM Gerhard Rümmele, Dornbirn (u. a.)
Planung 09/2015–09/2017
Ausführung 08/2017–04/2019
Nutzfläche 2070 m²
Bauweise Neubau und Bestand Beton; Aufstockung Holzbau; hinterlüf­tete Fassade: Wärmedämmverbund­system; Wärmepumpe mit Energiepfählen; Photovoltaik
Ausführung Baumeister: Erich Moosbrugger, An­delsbuch; Heizung, Sanitär: Berchtold, Dornbirn; Elektro: Sorgo, Au; Brandschutztüren/Tor: Gebrüder Rützler, Innerbraz; Holzfenster/Portale: Zech, Götzis; Spengler: Peter, Götzis; Holzbau: Summer, Sulz/Röthis; Schlosser: Rudigier, Bludenz; Böden: Stefan Künzler, Bezau; Trockenbau: Fischer, Dornbirn (u. a.)
Energiekennwert 37 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis: S. 5 Nr.2: Jessica Alice Hath; alle übrigen: Petra Rainer