Auf einem großen Grundstück von Göfis planten Marte.Marte Architekten ein ­schönes, eingeschoßiges Kinderhaus aus Holz. Es reagiert mit gegliederten Freiräumen auf sein grünes Umfeld am Waldesrand und holt mit großzügigen Verglasungen Sonne und Landschaft nach innen. Hier werden Kinder von 1-6 Jahren betreut. Jede Gruppe fasst L-förmig ihren eigenen Innenhof ein, der sich mit einem Holztor zum geschützten Freiraum abschließen, auch zur großen Spielwiese öffnen lässt.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Stefan Hauer

Die Verzahnung mit der Landschaft auf unterschiedlichen Ebenen ist das Leitmotiv dieses Kinderhauses, die Abfolge von Gruppenraum und Hof erzeugt einen reizvollen Rhythmus.
Jeder Gruppe ist ein Innenhof als geschützter Freiraum zugeordnet, der sich durch ein Drehtor in der Holzwand zur großen Spielwiese hin öffnen und so erweitern lässt.

Kinderbetreuung und Kindergarten sind die ersten außerfamiliären Lebenswelten für Kinder. Hier schließen sie Freundschaften, erkunden den neuen Ort, erfahren sich im eigenen Körper, dem Raum und der Gemeinschaft. Dabei lernen sie intuitiv ihre Grenzen und Gefühle kennen. Ein Umfeld, das ihre Bedürfnisse berücksichtigt, wirkt sich dabei sehr positiv aus. Schon lang perfektionieren Marte.Marte ihre Fähigkeit, komplizierte Raumprogramme in klare Grundrisse und einfache Baukörper zu gießen. Ihre Architektur reagiert passgenau auf den Ort und erweist sich dabei als höchst vielschichtig. Dank dieser Qualitäten war das Feldkircher Architekturbüro 2016 zur Architekturbiennale in Venedig geladen. Es gewinnt oft Wettbewerbe, das Kinderhaus in Göfis war einer davon.

Super übersichtlich: Alle Garderoben liegen am Gang, durch ein Oberlichtband fällt zusätzlich natürliches Tageslicht herein. Direkt dahinter befindet sich der Gruppenraum. So finden sich Kinder gut zurecht.
L-förmig umarmen der Gruppenraum mit Spielgalerie und der kleinere Ausweichraum den Innenhof. Unter dem Vordach können die Kinder auch bei Regen im Freien spielen.

Es liegt am Ortsrand auf einem Grundstück, das über 4000 m2 groß ist. Im Süden und Nordosten schlingen sich zwei Straßen lose darum herum, an ihrer Kreuzung ist eine Bushaltestelle. Im Norden und Südwesten aber beginnt der Wald. „Die Situation ist außergewöhnlich. An diesem Ort, mitten in einem Naturraum, einen Kindergarten zu realisieren, ist ein Privileg“, so Bernhard Marte. „Die Ausblicke sind gigantisch.“ Insgesamt 103 Kinder von 1 bis 6 Jahren werden hier betreut, einige sind von 7 bis 18 Uhr da, helle Räume und viel Bezug zum Freien waren besonders wichtig.

Die Räume bestehen nur aus Holz und Aussicht. Ein fußbodenbeheizbarer Boden aus Eschenholz, Wände aus Weißtanne und abgehängte Holzdecken für eine gute Akustik schaffen eine wohlige Atmosphäre.
„Die Situation ist außergewöhnlich. An diesem Ort, mitten in einem Naturraum, einen Kindergarten zu realisieren, ist ein Privileg. Die Aus­blicke sind gigantisch.“

Bernhard Marte
Architekt

Für die Architekten kam in diesem Naturraum nur ein eingeschoßiges Gebäude in Frage. Der Freiraum sollte zum Erkundungsfeld für alle werden. „Wesentlich war für uns, unterschiedliche Formen der Privatheit zu schaffen“, so Bernhard Marte. „Eine geschützte Situation ist für Kinder sehr wichtig.“ Etwas abgerückt von der Kreuzung erstreckt sich das Kinderhaus nun 55 Meter lang von Südosten nach Nordwesten. Es ist ganz aus Holz. Dieses lebendige Material passt wunderbar zum Wald. Die Fassade ist mit schmalen, vertikalen Lamellen aus Weißtanne verkleidet. Wenn es stark regnet, wird sie nass und dunkel wie das Fell eines Tieres. Sobald die Sonne das Holz trocknet, ist es freundlich und hell. Die Verzahnung mit der Landschaft ist das Leitmotiv dieses Entwurfs. Ein geschwungener Weg führt zum Eingang, vor dem ein Vorplatz in den Baukörper eingeschnitten ist. Ein Vordach bildet eine witterungsgeschützte Wartezone, durch die Glasfassade sieht man ins Foyer, das direkt in den Gang übergeht und so auch eine Spielzone ist. Der Vorplatz ist etwa genauso groß wie die Höfe der Gruppen, die von einer zwei Meter hohen Holzwand begrenzt werden. Sie garantiert Geborgenheit und ist durch ein breites Drehtor leicht zu öffnen. L-förmig umarmen der Gruppenraum mit Spielgalerie und der etwas kleinere Ausweichraum den Hof. Sie sind je vier Meter hoch und rechtwinkelig zueinander angeordnet. So hat jede Gruppe Tageslicht aus zwei Himmelsrichtungen. Von 7 bis 18 Uhr ist hier Betrieb, einige Kinder sind wirklich lang im Kinderhaus. „Die Natur so einzubinden, ist das Schönste, was man machen kann“, sagt Kindergartenpädagogin Claudia Perl. Auch Meerschweinchen fühlen sich im Innenhof wohl. In der Außenfassade bilden sich die Gruppenräume mit einem bodennahen Fenster ab, zum Innenhof hin sind sie ganz verglast. Im gedeckten Außenbereich können die Kinder auch bei Regen im Freien spielen. Die Abfolge von Gruppenraum und Hof erzeugt einen reizvollen Rhythmus.

Einladend: Vor dem Eingang ist ein Vorplatz eingeschnitten, wo Eltern auch witterungsgeschützt auf ihre Kinder warten können. Durch die gläserne Fassade sieht man ins Foyer.

Ein Mittelgang, der an beiden Enden verglast ist, erschließt das Haus. So ist die Landschaft immer präsent. An diesem Gang sind alle Räume aufgefädelt: Drei Gruppen für Drei- bis Sechsjährige im Nordwesten, dahinter ein Bewegungsraum. Gegenüber im Südwesten sind die Kinder unter drei. Ihre Gruppen sind kleiner, je zwei teilen sich einen Hof. Alle Räume bestehen nur aus Holz und Aussicht. Wände und Möbel aus Weißtanne, ein beheizter Boden aus Esche, abgehängte Holzdecken für eine gute Akustik. „Das weiche, helle Holz ist sehr angenehm. Es ist schön zu sehen, wie ruhig die Kinder sind“, sagt Claudia Perl. Genau genommen gibt es hier zwei Einrichtungen: den Kindergarten (3–6 Jahre) und die Kleinkinderbetreuung (1–3 Jahre). Angelika Loacker ist für zweitere zuständig. „Tägliche Berührungspunkte mit älteren Kindern erleichtern den Kleinen den Schritt in den Kindergarten.“ Insgesamt 48 „Große“ und 55 „Kleine“ werden hier betreut, in der Küche mit dem geschliffenen Estrich essen alle gemeinsam. Damit sie beim Auf- und Abdecken mithelfen können, gibt es eine Lade, die man aus dem Küchenblock herausziehen kann. Sie macht jedes Kind zwanzig Zentimeter größer.

Durch raumhohe Verglasungen zum geschützten Innenhof und ein bodennahes Fenster nach draußen erleben die Kinder den Freiraum auch, wenn sie drinnen sind.
Auch die Möbel sind aus Weißtanne, durch die großzügigen Fenster, das natürliche Licht und den Bezug ins Freie erleben die Kinder auch den Wechsel der Jahreszeiten hautnah mit.
In dieser Küche essen alle: die „Kleinen“ und die „Großen“.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Kinderbetreuung Göfis-Hofen

Eigentümer Gemeinde Göfis

Architektur Marte.Marte ZT, Feldkirch, www.marte-marte.com

Statik gbd, Dornbirn, www.gbd.group/de

Fachplanung Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Elektro: Hiebeler + Mathis, Hörbranz; Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: GMI Peter Messner, Dornbirn; Geotechnik: Dönz, Schruns

Planung 10/2016–08/2018

Ausführung 05/2017–08/2018

Grundstück 5980 m²

Nutzfläche 1240 m²

Bauweise Eingeschoßiger Holzbau auf Betonbodenplatte mit Räumen für drei Kindergarten- und vier Kleinkindgruppen.

Ausführung Baumeister: Rhomberg Bau, Bregenz; Zimmerer: Dobler, Röthis; Fenster: Hartmann, Nenzing; Trockenbau: TMF, Hohenems; Elektro: Reisegger, Feldkirch; Böden: Ludovikus, Lustenau; Innenausbau: Lenz Nenning, Dornbirn; Heizung/Lüftung: Markus Stolz, Feldkirch; Schlosser: M+S, Röthis; Spengler: Tectum, Hohenems; Maler: Bianchini, Göfis

Energiekennwert 29 kWh/m² im Jahr (HWB)

Errichtungskosten 4 Mill. Euro