Seit 1981 hat die Stadt Lindau ihre „Inselhalle“.
Bekannt nicht zuletzt, weil hier Jahr für Jahr Nobelpreisträger(innen) konferieren.
Die Architektur wurde nach drei Jahrzehnten den Ansprüchen an ein internationales
Konferenzzentrum nicht mehr gerecht. 2010 wurde ein Wettbewerb zur Sanierung
und Erweiterung ausgelobt. Vergangenen August wurde neueröffnet.

Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Benno Hagleitner, Aldo Amoretti

Die pragmatische Architektur der „alten“ Inselhalle bot über viele Jahre einen funktionstüchtigen Austragungsort für Veranstaltungen aller Art. Weniger wegen des Hauses selbst, das zwar ordentlich gestaltet, letztlich aber in sich gekehrt und dunkel wirkte, wohl mehr aufgrund der attraktiven Lage am Rand der Inselstadt, erfreute sich das Konferenzzentrum unablässig großer Beliebtheit. Ein treuer Stammkundenkreis fand sich regelmäßig ein, allen voran die Nobelpreisträger(innen) und wissenschaftlichen Nachwuchstalente aus der ganzen Welt, die sich seit 1951 alljährlich zum „Nobel Laureate Meeting“ in Lindau treffen.

Skulptural sollte das Gebäude nach außen in Erscheinung treten. Daher die allseitige Hülle aus kupferfarben beschichtetem Aluminiumblech. Kantungen der Fassadentafeln ergeben die Linienstruktur. Alles andere ist Sichtbeton und Glas.
Orientierung bietet die Signaletik des Vorarlberger Kommunikationsdesignbüros Sägenvier. Die Piktogramme gönnen dem sachlichen Parkhausambiente einen Schuss pfiffiger Verspieltheit. Die linear durchbrochene Typografie ist von der Dreieckgeometrie des Hallendaches abgeleitet.
Gegenüber wurde das Parkhaus als Multifunktionsgebäude mit 400 Stellplätzen, Fahrradboxen, Sanitäranlagen und einer kleinen Feuerwehrstation auf der Rückseite konzipiert. Das Flugdach über der obersten Etage wurde zurückgesetzt. Das nimmt dem Bauwerk etwas Höhe.

Bei aller Liebe zum Ort und für die Tradition – immer deutlicher zeichnete sich die Notwendigkeit einer baulichen Erneuerung ab: „Es ändern sich eben auch die Gebräuche und Bedürfnisse, wie solche Tagungen funktionieren,“ weiß Carsten Holz, der die Inselhalle im Auftrag der Stadt managt. So brauche eine Konferenz heute nicht nur einen technisch bestens ausgestatteten Vortragssaal. Zunehmend gefragt seien ergänzende Räumlichkeiten für kleinere Workshops oder parallele Sessions. „So ist der Wunsch nach einem flexiblen, modularen Gebäude entstanden, das diese Ansprüche bedarfsgerecht erfüllt.“

Vor neun Jahren lobte die Stadt einen Ideen- und Realisierungswettbewerb aus. Auer Weber Architekten aus München wurden mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. In ihrem Entwurf blieb der alte Saal vollumfänglich erhalten, rundherum wurde er mit neuen Funktionen „eingepackt“. Dem Wunsch der Ausloberin nach einer ergänzenden Stellplatzanlage entsprechend, positionierten die Architekten im östlichen Teil des Areals ein viergeschoßiges Parkhaus. Ein geschwisterliches Ensemble zweier eigenständiger Bauten ist so entstanden, die den neuen Therese-von-Bayern-Platz als Verbindungselement und außenräumliches Foyer in ihre Mitte nehmen.

Das Foyer lässt sich mit mobilen Wänden variantenreich unterteilen. Die abgeschrägten Laibungsflächen des großen Oberlichts bieten Platz für die Namen der Nobel-Laureaten, die hier zu Gast waren bzw. sein werden.

Von diesem „Stadtplatz“, der sich nach Norden zum sogenannten Kleinen See und Richtung Festland öffnet, gelangen die Gäste über eine Freitreppe ins große Foyer, das dem Originalbau im Osten vorgelagert wurde. „Das ist für mich im Vergleich zu vorher ein befreiender Moment“, atmet Carsten Holz tief durch. Denn im Gegensatz zu früher dient nun ein großzügiger, natürlich belichteter Raum mit bester Sicht in die Umgebung als Entree und Vorbereich der Säle. Die Fläche lässt sich dank Schiebewänden flexibel unterteilen, bei Bedarf um die drei platzseitigen Konferenzräume erweitern. Gerade für begleitende Ausstellungen oder größere Festakte ist diese Wandelbarkeit von Vorteil.

Herzstück bleibt die „alte“ Inselhalle. Das Parkett und die Regiekanzel sind original, Licht, Möblierung und technische Ausstattung wurden modernisiert. Im Norden öffnet sich der Saal in voller Breite zum Seefoyer und dahinter zum sogenannten "Kleinen See".
„Die alte Inselhalle wurde als Herzstück erhalten.
Rundherum ist ein modulares, flexibel nutzbares Gebäude entstanden,
das heutigen Bedürfnissen entspricht.“

Carsten Holz
Lindau Tourismus und Kongress GmbH

Das Restaurant: „Einer der wenigen Punkte in Lindau, wo man den Sonnenuntergang sieht,“ weiß Carsten Holz eine der Besonderheiten des neuen Lokals zu bewerben. Die Oberflächen: Sichtbeton, Glas und Eichenholz, weiße Decken, schwarze und kupferfarbene Akzente …
... und am Boden durchgängig Terrazzo. Der bunte Bodenseekies im Belag verleiht den großen Flächen Lebendigkeit, wie ein Blick in die Garderoben- und Sanitärzone im Untergeschoß zeigt.

Der alte Saal bildet nach wie vor das Kernelement der Inselhalle. Die Ausstattung ließ sich zwar nicht so konsequent wie ursprünglich geplant erhalten, dennoch konnte der originale Charakter bewahrt und mit dezenten Umarbeitungen aktualisiert werden. Im Norden öffnet sich der Saal zum kleineren Seefoyer, das dank breiter Treppenanlage eine direkte Verbindung zum Ufer schafft, wo sich ein attraktiver Pausenbereich im Freien ergibt. In den nordwestlich ergänzten Gebäudeteilen hat das separat betriebene Restaurant seinen Platz. Im Süden, stadtseitig, docken die Anlieferung, Lagerflächen und sieben weitere Konferenzräume an. Und wenn, wie etwa bei der Nobelpreisträgertagung, der Platz auf ebener Erde doch nicht reicht, dann gibt es im Untergeschoß nebst Garderoben und Sanitäranlagen zusätzliches, ebenso flexibles Raumangebot.

Bis zu 600 Studierende aus aller Welt besuchen die „Lindau Nobel Laureate Meetings“. Früher mussten sie in einem Zelt verpflegt werden. Im Unter- geschoß der neuen Inselhalle ist auch dafür Platz. An der Wand sind die Porträts von zehn Nobelpreisträgerinnen zu sehen.

Der Um- und Neubau der Inselhalle samt Parkhaus ist im Maßstab des historischen Lindauer Zentrums ein Projekt von außerordentlicher Dimension. Es ist der städtebaulich überlegten Setzung der Architekten zu verdanken, dass sich die Bauwerke dennoch relativ verträglich in die Umgebung fügen. Auch dass das Parkhaus eben kein monofunktionaler Klotz geworden ist, sondern sich mit Fahrradgarage, öffentlichen Sanitäranlagen und kleiner Feuerwache als vielfältig genutzter, durchgestalteter Alleskönner präsentiert, leistet dazu einen Beitrag. Dass der neue, innerhalb der Stadtstruktur unvergleichlich große und hart materialisierte Platzraum ganz ohne Begrünung, Möblierung oder etwa Kunst auskommen muss, bleibt indessen unverständlich – aber das kann ja noch werden.

Früher, in einem Foyer von insgesamt 300 Quadratmetern inklusive Garderobe und Kaffeeausgabe, sei es bisweilen „extrem kuschelig“ geworden, findet Carsten Holz (links im Bild) einen liebevollen Euphemismus für die einstmalige Platznot in der Inselhalle.

Daten & Fakten

Objekt Inselhalle Lindau und Parkhaus, Lindau

Auftraggeber Stadt Lindau; Lindau Tourismus und Kongress GmbH

Architektur Auer Weber, München (D), Till Richter, Projektleitung: Florian Zopfy

Tragwerksplanung Boll und Partner, Stuttgart

Fachplanung Landschaftsarchitektur: Rainer Schmidt, München; Technische Ausrüstung: IGW, Herrenberg (D) und Raible + Partner, Ditzingen (D); Brandschutz: mhd, Konstanz (D); Verkehr: Stadt-Land-Verkehr, München; Licht: Schmidt König, München; Signaletik: Sägenvier, Dornbirn; Projektsteuerung Hitzler, München

Wettbewerb 2010

Fertigstellung 2018

Bruttogeschoßfläche 10.360 m² (Inselhalle), 12.370 m² (Parkhaus)

Baukosten 62 Mill. Euro