Das „Haus am Winzersteig“, das das Architekturbüro Hackl und Klammer
selbstbewusst mitten in Sulz an eine Kurve gestellt haben,
ist ein Fremdkörper, der dem Ort guttut.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Der neue markant abgetreppte Viergeschoßer, der anstatt eines alten Bauernhauses städtebaulich interessant eine Kurve der Durchzugsstraße mitten in Sulz markiert, kann durchaus als Zeichen eines grundlegenden Wandels der kleinen Gemeinde gelesen werden. Obwohl noch immer mehr als dies Fläche des Gemeindegebiets als landwirtschaftlicher Grund gewidmet ist, hin zu einem beliebten Zuzugsgebiet von außerhalb. Dazu passt das „Haus am Winzersteig“ mit seiner fast urbanen Anmutung perfekt. Wobei die Gemeinde von der Stimmigkeit des Baus des massiven Baukörpers an diesem zentralen Ort zu überzeugen, nicht einfach gewesen sei, sagt Architekt Martin Hackl (architektur.terminal hackl und klammer), die Gemeinde sich bei der Realisierung des Projekts allerdings als geradezu idealer Partner erwiesen habe.

Wobei der klare, aus Einsteinmauerwerk gebaute, per horizontalem Besenstrich weiß verputzte, in einen klaren Raster aus großen, fast quadratischen Fenstern strukturierte Baukörper eindeutig ein Fremdkörper in dem von Satteldächern und wesentlich kleineren Kubaturen dominierten Umfeld ist. Sich in seiner urbanen Anmutung selbstbewusst mit diesem matcht, eine neue Dimension im örtlichen Gefüge eröffnet. Um als so etwas wie ein Leuchtturm eine wichtige straßenraumbildende Funktion einzunehmen, nicht zuletzt durch den kleinen gepflasterten Vorplatz als Schleuse zwischen öffentlichem und privatem Raum.

Während im Erdgeschoß ein Zahnarzt seine Praxis eingerichtet hat, sind die drei Obergeschoße für sieben (Miet-)Wohnungen reserviert. Sie sind zwischen 54 und 74 Quadratmetern groß, das Penthouse hat fast 100 Quadratmeter plus einer Terrasse, die noch um zehn Quadratmeter größer ist. Hier oben ist das Reich von Gisela Schmidt, die lange nach einer Wohnung gesucht hat, um hier die für sie ideale zu finden. Nicht zuletzt durch die riesige Terrasse, auf die vom Morgen bis zum Abend die Sonne scheint. Man glaubt, sich auf einer exterritorialen Oase weitab von den Niederungen der realen Welt zu befinden. Ein Teil dieses fein in Zonen gegliederten Bereichs, wo – von einer Markise vor zu viel Sonne geschützt – gegessen bzw. in dem mit unterschiedlichen Sitzmöbeln bestückten Freiraums gefaulenzt wird, ist mit 60 x 60 Zentimeter großen Platten aus Feinsteinzeug belegt, ein kleinerer Teil bekiest. Vom „grünen Daumen“ Gisela Schmidts zur Gänze verwandelt in einen wunderbar vielfältigen Garten, in dem praktisch immer etwas blüht.

„Die interessante städtebauliche Situation
hat uns an diesem Projekt ganz besonders gereizt.“

Martin Hackl
Architekt

Eine raumhoch verglaste Schiebetür macht den Übergang zwischen Terrasse und Wohnzimmer samt Küchenbereich fließend. Große Fenster stellen Bezüge zum Außen her, auch in den zwei kleinen Schlafzimmern, dem großen Bad sowie WC. Hier liegt helles Feinsteinzeug am Boden, die Fliesen sind weiß, die Möbel und Türen aus hellem Holz. Geöltes Eichenparkett liegt im Wohn- bzw. in den Schlafzimmern.

Mit dieser Wohnung ganz oben können die in den unteren Geschoßen naturgemäß nicht konkurrieren. Ihre Grundrisse sind funktionell, statt einer Terrasse müssen sie sich mit einer Richtung Südwesten ausgerichteten, in den Baukörper hineingeschnittenen Loggia begnügen. Helles Feinsteinzeug liegt auch im Stiegenhaus. Die Geländer sind weiß, die Handläufe aus Holz genauso wie die Eingangstüren zu den einzelnen Einheiten.

Der Eingang ins „Haus am Winzersteig“ ist straßenseitig in den Baukörper hineingeschnitten. Von hier aus betritt man auch die Zahnarztpraxis, die in diesem Bereich großzügig raumhoch verglast ist. Auf 220 Quadratmetern breiten sich der offene Empfangsbereich, die fünf Behandlungsräume, Warte-, Technik- und Personalräume aus. Zusammengebunden in ihrem oberen Bereich durch ein durchgehendes Glasband, was atmosphärisch dem an sich ganz bewusst sachlich kühl gehaltenen Ambiente guttut. Glas, das Weiß der Wände, Akustikdecken und eingebaute Möbel werden durch den schwarz glänzenden Gussasphaltboden und ein schnörkellos minimales Lichtkonzept reizvoll konterkariert. Einer variablen Nutzbarkeit des Erdgeschoßes wegen gibt es hier ganz bewusst nur wenige tragende Wände. Die Garage darunter hat 15 Autostellplätze.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Am Winzersteig
Bauherr INSIDE96, Rankweil
Architektur hackl und klammer, Röthis, www.architekturterminal.at
Statik Mader Flatz Schett ZT, Bregenz
Fachplanung Geotechnik: BGG Consult, Hohenems; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung, Lüftung, Sanitär: Marte Diem, Bregenz; Entwässerung: Breuß Mähr, Koblach; Bauaufsicht: Querformat ZT, Dornbirn; und andere
Planung 2017–2019
Ausführung 2018–2019
Grundstück 1092 m²
Nutzflächen 496 m² (zzgl. 204 m² Arztpraxis)
Bauweise Massivbauweise (Lochziegel, Betondecken); Putzfassade mit Besenstrich; Holzfenster geölt
Ausführung Baumeister: Wilhelm und Mayer, Götzis; Heizung, Sanitär, Lüftung: Amann, Götzis; Elektro: Obwegeser, Hohenems; Spengler: Carl Günther, Kematen; Fenster: Rieder, Zillertal; Fenster Innentüren: Josef, Götzis; Verputz: Rümmele, Dornbirn; Schlosser: Kalb, Dornbirn; und andere
Energiekennwert 32 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 3,1 Mill. Euro