Kein Stadtmuseum im üblichen Sinn ist das von Zottele Mallin Architekten
verwandelte von Bludenz. Ist hier doch das Haus selbst das Ausstellungsstück Nr. 1.
Das Geschichte atmet und spannende Geschichten
von der Bronzezeit bis heute erzählt.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer, Alexander Ess

Das Museum der Stadt Bludenz ist keine „Hausmannskost“, sondern eine „Delikatesse“. Weniger ist da mehr, die Zutaten sind vom Feinsten, der Genuss nachhaltig. Wenn auch nur für maximal 15 Besucher-innen und Besucher gleichzeitig, die neugierig sind auf Geschichte und Geschichten rund um den 842 erstmals urkundlich erwähnten Ort „Pludeno“, der 1329 zu einer Civitas im rechtlichen Sinn geworden ist. Die Civitas wurde immer wieder von verheerenden Bränden heimgesucht, von denen das obere Tor im Wesentlichen verschont geblieben ist. Es stammt aus dem späten 15. Jahrhundert, wurde 1774 umgebaut, steht seit 2007 unter Denkmalschutz und beherbergt das kleine Museum der Stadt seit 1918.

An dieses erste Bludenzer Stadtmuseum erinnert, genauso wie an dessen Transformation in den frühen 1970er-Jahren, heute fast nichts mehr. Es ging den mit dem Umbau des Museums beauftragten Zottele Mallin Architekten nämlich primär darum, verborgene räumliche Strukturen freizulegen, um ein Spiel mit der Poesie des Atmosphärischen durchzudeklinieren. Für die beiden sensiblen Baukünstler „ein Lehrbeispiel, welch ungehobenen Schatz alte Formen heute noch bieten“. Bis es so weit war, musste allerdings das Gebäude – nach dem Abtransport der unzähligen bisher hier präsentierten Ausstellungsstücke – von Plastikbodenbelägen, die die schönen alten Ziegelböden zudeckten, oder von den die prächtigen Gewölbe verschandelnden Elektroleitungen befreit werden.

Dann konnte in Abstimmung mit dem Denkmalamt der konsequente Rückbau des architektonischen Bestands angegangen werden. Um Schicht für Schicht vorzudringen in dessen Geschichte inklusive der Geschichten, die auch Mauern, Böden, Gewölbe und Fenster erzählen können. Etwa durch die Freilegung der Reste der alten Stadtmauer, die sich längs durch das gesamte Gebäude zieht. Immer auf der Hut vor bzw. neugierig auf Überraschungen, die dieses fast archäologische Tun mit sich bringt.

„Die Arbeit am Stadtmuseum Bludenz war für uns
ein Lehrbeispiel, welch’ ungehobenen Schatz alte Formen heute noch bieten.“

Christian Zottele, Markus Mallin
Architekten

Die sieben, auf zweieinhalb Ebenen ausgebreiteten Räume mit insgesamt 100 Quadratmetern werden von der Kirchgasse aus durch eine steile, hölzern eingehauste Stiege erschlossen. Die, als kleiner Wermutstropfen, wie das gesamte kleine Museum leider nicht behindertengerecht ist – der Situation entsprechend schlicht und einfach nicht sein kann. Bereits im ersten Ausstellungsraum zeigt sich, welch kongenialen Partner das Architektenduo im Bludenzer Stadtarchivar, dem Historiker Christof Thöny, an der Seite hatte. Dieser musste nicht davon überzeugt werden, dass es nicht um die Menge der gezeigten Objekte geht, sondern um deren Qualität bzw. Aussagekraft. Davon, dass der Ort an sich schon so etwas wie ein Ausstellungsstück ist. Und wie wichtig es ist, wie das Präsentierte in Szene gesetzt wird. Etwa die bronzezeitlichen Pfeilspitzen, die in Ausstellungsraum Nr. 1 an Skulptürchen von Alberto Giacometti erinnernd in einer kleinen, weiß gekalkten Mauernische stehen, erklärt durch ihre per 3D-Drucker auf die wunderbar unregelmäßige Wand aufgebrachte Beschriftung.

Zur Geschichte des Hauses gehören allerdings auch die Einbauten aus Beton aus den 1920er-Jahren und die Butzenscheiben aus dieser Zeit. Genauso wie die selbstbewusst heutigen Eingriffe durch Christian Zottele und Markus Mallin in der Form von puren, in ihrer Radikalität fast skultpural daherkommenden neuen Stiegen, Rampen und Geländern. Was nicht daran hindert, sich in der Stube bzw. Waffenkammer des ehemaligen Torwächters im ersten Obergeschoß in das 16. Jahrhundert zurückversetzt zu fühlen. Sozusagen in das Herz des Gebäudes, das mit wenigen, ganz bewusst platzierten aussagekräftigen Objekten bestückt ist. Akzentuiert wie das ganze Museum durch ein reduziertes Lichtkonzept, bestehend aus in den Raumecken stehenden Lichtstelen bzw. am Boden liegenden Lichtwürfeln.

Durch ihre Höhe, ihre Holzböden und stuckierten Decken verströmen dagegen die seit Gründung des Museums im Nachbarhaus zugemieteten Ausstellungsräume fast feudales barockes Lebensgefühl. Stimmungsmäßig komplett anders als der unter dem Krüppelwalmdach des neuen Tors eingerichtete, durch Schießscharten nur schwach erhellte, über eine steile Stiege erschlossene Raum ganz oben.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Stadtmuseum Bludenz Umbau
Bauherr Amt der Stadt Bludenz
Architektur zottele.mallin architekten zt, Bludenz, www.zottele-mallin.com
Fachplanung Ausstellungskonzept: Christoph Thöny; wissenschaftliche Beratung: Andreas Rudigier, Manfred Tschaikner; Bauaufnahme, historische Bauforschung: Raimund Rhomberg, Dornbirn und Klaus Pfeifer, Egg; Ausstellungsgestaltung: Nikola Bartenbach
Planung 06/2020–05/2021
Ausführung 10/2021–03/2022
Nutzfläche 120 m²
Bauweise Mauerwerk Bruchstein verputzt; Dielenboden: Fichte; Ziegelboden: Estrich; Betontreppe; Ziegelgewölbe verputzt
Besonderheiten Verlauf der ehemaligen Stadtmauer
Ausführung Restaurierung Mauerwerk und Maler: Markus Pescoller, Bruneck; Restaurierung Holzböden: Helge Bartsch, Immenstadt; Restaurierung Steinböden: Alpha Stone Tec, Dornbirn; Elektro + Beleuchtung: Licht und Wärme, Raggal; Schlosser: Gmeiner, Bludenz; Fenster: Bischof, Thüringerberg; Maler: Liepert, Bludenz; Möbel Tschabrun, Vandans
Kosten 85.000 Euro