Der dunkelbraunen Dachverbau und Balkone aus den 1970ern standen dem alten Haus nicht gut. Die Architekten Wimmer-Armellini gingen liebevoll mit dem Bestand um. Eine lange Rampe macht ihn barrierefrei, straßenseitig erweitert eine leichtfüßige Holzstruktur jede Wohnebene um einen gedeckten Balkon über die ganze Hausbreite. Sie reicht bis zum neuen Dach mit seinen zwei vollverglasten Giebeln. Der dortige großzügige Loftraum hat einen phänomenalen Blick über den Bodensee.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Karin Nussbaumer

Die sprichwörtliche grüne Wiese gibt es kaum. Bauen heißt immer weiterbauen, ist Architekt Peter Wimmer überzeugt. „Ein guter Bestand ist das Beste, was einem passieren kann.“ In diesem Fall war die grüne Wiese extrem steil und lag sehr urban an der Altstadt von Bregenz. Das Hanggrundstück ist etwa 20 Meter breit und erstreckt sich von seiner Straßenfront im Nordwesten rund 45 Meter weit südostwärts. Zwischen Gehsteigkante und hinterer Grundgrenze liegen stolze 12 Höhenmeter. Der Garten steigt also um fast 15° an und war malerisch verwildert.

Der Großvater des Bauherrn ließ das Haus 1928 bauen. Es hat einen rechteckigen Grundriss von 9,3 x 13,30 Meter, zwei Geschoße und darüber ein 45° geneigtes Satteldach. Der Keller ist aus Stampfbeton, das Haus solide gemauert, der Dachstuhl aus Holz. In den 1970ern baute man zeittypisch um. Der Bestand bekam eine Garage, einen mächtigen Dachverbau aus dunkelbraunem Holz und kleine, klobige Balkone. Vom Gehsteig bis zum Gartenweg ums Haus waren sechs Stufen zu überwinden, bis zur rückseitigen Eingangstür weitere sechs. Im Alter waren die Eltern des Bauherren auf einen Rollstuhl angewiesen, sie installierten sich einen Treppenlift und lebten bis zu ihrem Lebensende im Erdgeschoss des Hauses. Nach ihrem Tod wurde es vermietet.

„Die sprichwörtliche grüne Wiese gibt es kaum. Bauen heißt immer weiterbauen. Ein guter Bestand ist das Beste, was einem passieren kann.“

Peter Wimmer und Ute Wimmer-Armellini
Architekten

Mit zunehmendem Abstand zur eigenen Vergangenheit konnte es sich der Bauherr wieder vorstellen, dort zu leben. „Ursprünglich dachte ich daran, das Haus wegzureißen und neu zu bauen“, sagt er. Zum Glück konsultierte er Wimmer-Armellini Architekten, die sofort die Stärken und Potenziale des Bestands erkannten. „Man muss das Alte mögen“, sagt Architektin Ute Wimmer-Armellini. „Wir bauen gern um und machen auch die örtliche Bauaufsicht selbst.“ Im Umgang mit Bestand ist es besonders wichtig, sorgfältig zu planen und die  Ausführung im Blick zu behalten. „Wir erhalten möglichst viel, was noch wertig ist.“ Die Architekten gingen sehr respektvoll mit dem Haus um, seine Außenkonturen blieben gleich, die 40 Zentimeter starken Ziegelwände mit dem alten Putz dämmte man nicht.

Die massivsten Eingriffe erfolgten zu ebener Erde und am Dach. Die Garage wurde erneuert und hat im Untergeschoß nun einen direkten Zugang ins Haus. Ihr Gründach integriert sich in den Garten und schafft einen weiteren neuen Freiraum. Eine lange, leicht ansteigende Rampe, die rund um das Haus in den Garten führt, schafft dem Erdgeschoßeinen barrierefreien, separaten Zugang. Es kann also als Einliegerwohnung, Therapiepraxis oder Büro funktionieren. Statt des klobigen Vorbaus setzten die Architekten eine leichte, naturbelassene Holzstruktur unter den Dachvorstand, die jede Wohnebene über die gesamte Breite um eine gedeckte Terrasse mit Bodenseeblick erweitert. Sie wirkt auch als baulicher Sonnenschutz, vertikale Lamellenfelder schaffen privatere Zonen und spenden Schatten.

Die Lage der Stiege wurde respektiert, ihr Verlauf zwischen erstem Stock und Dach geändert, der Bauherr wünschte sich dort, wo früher sein Kinderzimmer war, einen besonderen Raum. Wimmer-Armellini haben ihn geschaffen und sich dabei selbst übertroffen. Sie entwarfen eine neue Treppe aus Eichenholz, die mit Fichte vertäfelt ist, sich aus der Bestandsstiege entwickelt und das Ankommen inszeniert. Man dreht sich gleichermaßen seitlich in den neuen Dachraum hinein und sieht gleich durch den vollverglasten Giebel über den Balkon hinweg zum Pfänder. Die Brüstung der Treppe ist ebenso aus Fichtenholz wie die Vertäfelung der Dachkonstruktion. Die Einbaumöbel entlang der Längsseiten, die auch die Couch integrieren, wurden aus Ahorn gefertigt. Beide Giebel sind vollverglast, der Raum wirkt dadurch großzügig und hell. Seitliche Oberlichten holen auch von Nordwesten und Südosten die Sonne herein. Dort ist noch eine kleine, lauschige Terrasse zwischen die Dachflächen eingeschnitten, den großartigsten Blick aber bietet die südwestliche Stirnseite. Fürsorglich schoben die Architekten zwei Bänke in die Ecken unterm Dachvorstand. „Die Sonnenuntergänge sind in Bregenz am schönsten“, sagt der Bauherr, der sehr gern darauf sitzt. „Die Sonne geht hier im Wasser unter, da hat man ein absolutes Meer-Feeling.“

Daten & Fakten

Objekt: Sanierung und Umbau Haus Scheibengasse 8, 6900 Bregenz

Bauherrschaft: Thomas Jungblut, Bregenz

Architektur: Architekten Wimmer-Armellini Bregenz, www.wimmer-armellini.at

Fachplanung: Bauleitung: Architekten Wimmer-Armellini Bregenz; Statik: Andreas Gaisberger, www.zt-gaisberger.at; Kanalplanung: DI Haimo Rudhardt, Rudhardt | Gasser | Pfefferkorn | Ziviltechniker; bauphysikalische Beratung: Alexander Salzmann Spektrum Dornbirn

Planung: Nov 2021 bis Dez 2022

Ausführung: Feb 2023 bis Dez 2023

Grundstück: 951 m²

Wohnnutzflächen: UG: Garagen – und Nebenräume 106,7 m², davon neu 37,2 m²; EG: Einliegerwohnung 71,5m² (auch als Therapiepraxis nutzbar); 1.–2.OG: Wohnung 125,8 m²

Ausführende:  Baumeister: ZimmermannBau, Bregenz; Holzbau: Holzbau Forster, Opfenbach (D); Spengler: Schwendinger+Fink, Wolfurt; Heizung-Sanitär: Dorfinstallateur Profiteam Fatih, Bregenz; Elektro: Bleyer Electric, Hard; Leuchten: XAL GmbH, Thaur; Fenster und Innentüren: Sigg Tischlerei Hörbranz und weitere