Ein Friedhof dient den Hinterbliebenen als Ort der Erinnerung. Er schafft einen Raum, der dem Bewahren von Lebensgeschichten dient und der Trauer Ausdruck verleiht. Umso wichtiger ist es, dass diese Gedenkstätte für alle erreichbar ist. Der Gemeinde Röthis war es ein Anliegen, die barrierefreie Zugänglichkeit des Friedhofs zu ermöglichen. Eine weitere bauliche Aufgabe, mit welcher sich die Gemeinde befasste, war die Schaffung von zusätzlichen Urnengräbern.

Text: Marcella Zauner | Fotos: Darko Todorovic

Das Büro architektur.terminal unter der Leitung von Martin Hackl und Dieter Klammer übernahm die Aufgabe der Erweiterung des Friedhofs in Röthis. Zu Beginn setzten sich die Architekten und ihr Team mit dem Ort und seinen spezifischen Anforderungen auseinander. Erste gestalterische Überlegungen wurden mit Vertreterinnen unterschiedlicher Organisationen abgestimmt. Neben der Gemeinde sind insbesondere der Pfarrkirchenrat, die Diö-zese und das diözesane Bauamt in Um- und Neugestaltungen von sakraler Architektur involviert. Außerdem wurde das Bundesdenkmalamt hinzugezogen, um die Eingriffe in die historischen baulichen Strukturen zu prüfen. Eine zentrale Herausforderung war die Frage nach der Positionierung der Urnenwand. Die neuen Urnengräber orientieren sich nach Osten, wohingegen die bestehenden Gräber mehrheitlich nach Süden ausgerichtet sind. Ausschlaggebend für die Positionierung der neuen Wandscheibe waren die topografischen und räumlichen Gegebenheiten vor Ort.

Der Röthner Friedhof befindet sich direkt bei der Pfarrkirche zum heiligen Martin. Nördlich davon steigt das Gelände deutlich an. Mit der Zeit wurden verschiedene Niveaus innerhalb des Friedhofs erschlossen, die sich wie Terrassen an der Hangkante entlang aneinanderreihen. Die zusätzlichen Urnengräber sollten den freien Blick über diese Terrassenlandschaft keinesfalls stören. Vielmehr erzeugt die neue Urnenwand am gewählten Standort einen räumlichen Abschluss. Sie erfüllt außerdem die zusätzliche Funktion einer Einfriedung und komplettiert so die ursprüngliche Auffassung des eingefriedeten Hofs um die Kirche.

„Die besondere Qualität der bestehenden, terrassierten Friedhofsanlage, die letztlich in den angrenzenden Weinberg übergeht, sollte nicht durch quergestellte, neue bauliche Elemente gestört werden.“

Martin Hackl
Architekt

Trotz einer Abgrenzung ermöglicht die lockere Gestaltung der Urnenwand eine Beziehung zum Gegenüber. Die offenen Zwischenräume lassen den Blick frei, hin zum Grün des Nachbarn. Das schenkt der Urnenwand zusätzliche Tiefe. Gleichzeitig dienen die Zwischenräume der individuellen Grabgestaltung. Die Grabplatten sind aus Messing. Durch einen transparenten Lack bleibt der Glanz erhalten. Erst wenn ein Grab belegt wird, wird durch das Eingravieren der Inschrift der Lack abgetragen. Durch die entstehende Patina am Schriftzug wird auf behutsame Weise sichtbar, wie lange die Verstorbenen bereits nicht mehr unter uns sind.

Des Weiteren wurde die barrierefreie Zugänglichkeit der verschiedenen Friedhofniveaus durch zwei präzise eingefügte Rampen ermöglicht. Die Elemente bestehen aus Stahlbeton. Ergänzt um die Geländer aus dunklem Stahl, welcher in Anlehnung an die bestehenden Friedhofselemente aus geschmiedetem Eisen ausgewählt wurde.  Vom Vorplatz der Kirche führt eine Rampe auf die tiefste Ebene, die zweite führt auf das erste höher gelegene Niveau am Hang. Besucherinnen können sich über mäandernde Wege von der Kirche hinauf zum Weinberg bewegen. Beim Spaziergang werden die verschiedenen Bauetappen und Stile der Grabanlegung und Gestaltung lesbar. Letztlich ist es besonders bemerkenswert, wie einzigartig und persönlich der Ausdruck jedes einzelnen Grabes ist.

Um die Pflege der Gräber zu erleichtern, wurde ein Brunnenelement ergänzt. Die Wasserentnahme kann nun an mehreren Standorten erfolgen. Der neue Brunnen bespielt dabei eine Nische, die sich durch den Anschluss der neuen Rampe an eine bestehende Grabwand ergibt. Neben dem Brunnen wurden auch Sitzmöglichkeiten geschaffen, wo Besucherinnen in respektvoller Umgebung verweilen und sich mit den Erinnerungen an die Verstorbenen auseinandersetzen können. Passend dazu wurden zusätzliche Bepflanzungen gewählt, die teilweise an den neuen Elementen emporranken. Die Erweiterung des Friedhofs in Röthis präsentiert eine ästhetisch überzeugende Lösung für die Schaffung notwendiger In-frastruktur. Die neue Urnenwand und die barrierefreien Zugänge fügen sich harmonisch in das bestehende Ensemble ein und schaffen ein stimmiges Gesamtbild. Dadurch lädt der Friedhof nun alle Besucherinnen ein, den Ort des stillen Gedenkens, der Besinnung und der Gemeinschaft aufzusuchen.

Daten & Fakten

Objekt: Friedhof Röthis
Neugestaltung: Urnengräber und barrierefreie Erschließung
Bauherr: Gemeinde Röthis
Architektur: architektur.terminal hackl und klammer, Röthis, www.architekturterminal.at
Statik: ssd, Röthis, www.ssd-zt.at
Planung: 2021/2023
Ausführung: 2023/2024
Bauweise: Tragende Bauteile bzw. Fundamente Stahlbeton; Geländerkonstruktionen bzw. Urnenwand Stahl und Messing; Gehwege Naturstein Pflasterbelag
Ausführung: Baumeister: Mähr Bau, Feldkirch, Schlosser: Geiger Technik, Nenzing, Pflasterer: Kröll, Röthis und Gabl+Partner, Feldkirch, Gärtner: Alex Gartenbau, Koblach, Installateur: Simon Jenny, Weiler, Grünraumgestaltung: Katrin Löning, Pulswerk, Bregenz