Kreativität, Anspruch und Reduktion
Was dieser Mann macht, erregt Aufmerksamkeit. Zu Recht! 1977 im burgenländischen Eisenstadt geboren, ist Rainer Mutsch Spross einer Tischlerfamilie. Der Sohn mochte zwar das Handwerk, der kreative Aspekt begeisterte ihn weit mehr. So baute Mutsch im Alter von 10 Jahren sein erstes Möbelstück, einen Stuhl. „Learning by doing“ war auch später im Studium seine Devise: „Während meines Studiums habe ich etwa 25 verschiedene Möbel produziert. Man lernt das Fach, indem man viel herstellt“, verriet der 41-Jährige in einem Interview. „Das Fach“ waren eigentlich drei Fächer: Nach der HTL für Innenarchitektur und Möbeldesign in Mödling besuchte Mutsch die Universität für angewandte Kunst in Wien und schrieb sich dort für Industriedesign ein. Aber: „Es ist absolut notwendig, dass man viel unterwegs ist, viel sieht und viel ausprobiert. Design in nur einer Stadt zu studieren, das wäre der falsche Weg“, ist der Kreative überzeugt. Also ging es weiter nach Kopenhagen zum Möbeldesign-Studium und anschließend nach Berlin – dort wurde es dann Produktdesign.
Großer seiner Zunft
In Berlin arbeitete der Österreicher als Assistent des Designers Werner Aisslinger, stieg jedoch schnell bis zum Büroleiter auf. Recht schnell war klar: Die Designbranche, das ist das Metier von Rainer Mutsch. Wer für einen anderen arbeitet, kann seine Kreativität jedoch meist nur bedingt ausleben – deshalb gründete Mutsch nach seiner Rückkehr nach Wien ein eigenes Studio. Es ging steil aufwärts: Der Burgenländer zählt heute zu den Großen seiner Zunft. Zu seinen Kunden gehören so bekannte Namen wie Eternit, Swarovski oder Viteo. Dabei beschränkt Mutsch sich keineswegs: Von der Uhr bis hin zum Sitzmöbel entwirft er alles, was ihm Spaß macht, ihn fasziniert und fordert. Ein Blumentopf? Klasse. Ein Bücherregal? Super. Eine komplette Kollektion mit Outdoor-Möbeln? Immer her damit. Den Einstieg machte er mit Innenarchitektur – so konnte er seine Experimente von Anfang an recht gut finanzieren. Auch heute noch ist der Designer viel in diesem Bereich unterwegs.
Zu den wichtigsten Arbeiten des Rainer Mutsch gehört der preisgekrönte Sessel „Dune“. Das Outdoor-Stück ist ein absoluter Blickfang – nicht nur, aber auch, weil es aus Beton hergestellt wird. „Das Material hat den Vorteil, dass man es das ganze Jahr über im Freien stehen lassen kann und es trotzdem mindestens 20 Jahre hält“, erklärte der Wahl-Wiener gegenüber Journalisten. Das – mit weiteren Elementen individuell auch zu Sitzbänken kombinierbare – Möbel schlug in der Designwelt ein wie ein kleiner Komet. Er bekomme für die ein wenig an riesige Kiesel erinnernde Arbeit bereits Anfragen aus New York oder Tokio, freut sich Mutsch. Sowohl Design als auch Material bevorzugt Rainer Mutsch in der nachhaltigen Variante – das ist zeitgemäß und zeugt auch von einem hohen Anspruch an die eigene Arbeit.
Trotz seiner Vorliebe für Minimalismus und Schlichtheit darf es für das Kreativtalent auch mal ein bisschen flippiger sein: Sein Bücherregal „Crash“ etwa neigt sich windschief in alle Richtungen – und überzeugt mit seinem besonderen Design. Die Uhr, die er für den Hersteller Rado entworfen hat, beinhaltet quasi eine Mikroarchitektur. „Ich wollte ein Stück Industriedesign abliefern und die Mechanik, so gut es geht, reduzieren“, sagt Mutsch über das aus Keramik hergestellte Werk. Das schwarze Zifferblatt mit schwarzem Punkt in der Mitte mit seinen asymmetrischen Schichten sieht zu jeder Tageszeit ein wenig anders aus: „Mir war wichtig, dass die Uhr das Umgebungslicht mit aufnimmt.“ Durch den ständigen Wandel wirke das Modell besonders spannend. Deutlich verspielter sind zum Beispiel wunderschöne Ohrringe für Köchert, mit einem goldenen Kegel und türkisem Gehänge. Blumentöpfe für Eternit sehen aus wie ineinandergestapelt, wirken aber trotzdem organisch.
Eines seiner größten Projekte haben Millionen Menschen schon gesehen: Und zwar ohne es zu wissen. „Crystal Lights“, die grandiose und aufwendige Weihnachtsbeleuchtung in der Wiener Kärntnerstraße, wurde von Rainer Mutsch entworfen. Insgesamt 54 Luster und Lichtelemente, die aus 550.000 Lichtern bestehen, spannen sich über die bekannteste Shoppingmeile Österreichs – heuer bereits im neunten Jahr. Der Auftrag war damals eine große Ehre für Rainer Mutsch, war er doch erst 32 Jahre alt – und gewann schon damals das Vertrauen der Wirtschaftskammer und der Herstellerfirma Blachere. Vertrauen ist ein wichtiges Stichwort in der Designbranche. Entwürfe wie „Dune“ bedeuten zwar Kreativität und Renommee für den Designer, jedoch auch Risiko und finanzielle Investition für den Hersteller. Dieser muss sich zu hundert Prozent auf Mutschs Talent und Gespür verlassen – glücklicherweise scheint beides bestens zu funktionieren. Deshalb kann der 41-Jährige heute auf eine lange Liste an Kunden und diverse Preise und Auszeichnungen blicken. Das liegt mit Sicherheit auch an seiner absoluten Leidenschaft für den Beruf, der gleichzeitig auch sein Hobby ist. „Jeder Entwurf sei eine neue Herausforderung“, sagt Mutsch. Dabei ist Funktionalität genauso wichtig wie eine exzellente Optik. Der kreative Kopf testet alle seine Entwürfe eine Zeit lang selbst. Und noch einen dritten Anspruch hat er: In jedem Produkt aus dem Studio Rainer Mutsch soll Emotion und Persönlichkeit stecken. Der Weg dorthin beginnt übrigens meist im Burgenland. Trotz seines enormen Erfolges holt sich der Designer die Inspiration nicht nur in der Technik, sondern auch am Neusiedler See. Dort sitzt er, betrachtet die Natur – und bringt zu Papier, was einige Monate später Beton, Keramik oder Metall wird. Man kann nur hoffen, dass die Inspiration noch lange nicht versiegt.