Lustenau ist keine klassische Urlaubsdestination, dafür ist man rasch in der Schweiz, in Dornbirn, Bregenz, Feldkirch, am Arlberg und im Bregenzerwald. Es gibt also Bedarf für Ferienappartements. Auf ein kleines, trapezförmiges Grundstück an einer Kreuzung zwischen Landidyll und Straße setzte Dieter Klammer mit seinem Architektur-büro architekturterminal ein aufgeständertes, robustes Haus aus Sichtbeton, Holz und Lärchenschindeln. Es bietet acht kleine, möblierte Wohnungen mit Loggia als temporäre Bleibe.

Text Isabella Marboe · Fotos Bruno Klomfar

Lustenau hat gerade einmal knapp 25.000 Einwohner, ist aber trotzdem die größte Marktgemeinde Österreichs. Außerdem wurde Lustenau 2016 vom Verein Landluft mit dem Prädikat „Baukulturgemeinde“ ausgezeichnet. Im Gewerbepark bewiesen Baumschlager Eberle mit ihrem Büro be 2226, dass man in einem kompakten Baukörper aus massivem Mauerwerk, zeitlos wertigen Materialien und moderat dimensionierten, in alle Himmelsrichtungen orientierten Fenstern auch ohne Dämmung, Klimaanlage und aufwendiger Haustechnik Wohlfühltemperaturen zwischen 22 und 26 Grad erreichen kann. Lüftungsklappen genügen völlig. Marte.Marte Architekten realisierten hier das ikonische Bürohaus SIE, den innovativen, fröhlich roten Kindergarten der Schweizer Architekten Burkhalter Sumi erweiterte Bernardo Bader um einen Holzzubau der nächsten Genera-tion. Hier entsteht schon lange und kontinuierlich hochwertige Architektur.

Die Nähe zur Schweizer Grenze brachte viel Gewerbe und Industrie in den Ort, Sport-, Freizeit- und Parkanlagen folgten. Dessen Website appelliert an die „Lust auf Lustenau“, die Gemeinde ist aber keine klassische Urlaubsdestination mit schönem, altem Dorfkern in idyllischer Gebirgslandschaft. Allerdings ist man von hier aus rasch im Bregenzerwald, am Arlberg und als Geschäftsreisender oder -reisende am Puls des Wirtschaftslebens. Die Bauherren betreiben bereits in Stuben am Arlberg, Götzis, Mäder und Klaus mehrere Ferienappartements, in Lustenau hatten sie ein kleines, trapezförmiges Grundstück. Sie beschlossen, auch hier Wohnungen zu errichten, die man tageweise mieten kann. Dieter Klammer vom Büro architekturterminal plante ihnen ein unkompliziertes, freches fünfeckiges Gebäude mit einer Fassade aus Lärchenschindeln. Sein kluger, effizienter Grundriss bringt auf dem eng zugeschnittenen Bauplatz immerhin acht Ferienappartements unter. Und zwar alle mit Loggia.

„Das Haus orientiert sich an den umgebenden Bauten. Es ist ein Hybridbau mit einer tragenden Betonstruktur, Holzwänden aus Dreischichtplatten und einer schützenden Haut aus Lärchenschindeln.“

Dieter Klammer
Architekt

„Der Grundwasserstand war hier extrem hoch, ein Keller wäre bei so einem kleinen Objekt viel zu teuer geworden“, sagt Dietmar Klammer. „Außerdem liegt die Südseite direkt an der Straße, deshalb gibt es im Erdgeschoß keine Wohnungen.“ Klammer ständerte das Gebäude also auf einem Sockel aus Sichtbeton auf. Der Erschließungskern ist im Erdgeschoß auf einen Lift in der Mitte und eine Wandscheibe an der nördlichen Grundgrenze reduziert, an der eine einläufige Treppe ins Obergeschoß führt. Deshalb können hier auch die Autos witterungsgeschützt unter dem Haus parken. Entlang der Hauptstraße finden ein trapezförmiger Fahrradabstellraum und Kellerabteile noch Platz.

An den Ecken und der langen Südflanke des Gebäudes sind die Wohnungen aufgefädelt, dadurch bleibt rund um den Erschließungskern in der Mitte ein trapezförmiger Laubengang frei. Er ist eigentlich schon ein kleiner Platz, wo man sich treffen kann. Insgesamt gibt es vier Wohnungen pro Geschoß, die größeren Drei-Zimmer-Einheiten am Eck haben Fenster in drei Himmelsrichtungen, in der Mitte liegen die beiden Zwei-Zimmer-Appartements. Allen aber ist im Süden eine durchgehende Loggia vorgelagert, die sich die gesamte Fassade entlangzieht. Geräteboxen trennen die unterschiedlichen Bereiche voneinander. Das Grundstück liegt an der Kreuzung von der Brändlestraße mit der Gutenbergstraße. Erstere macht hier einen Knick und verläuft im Süden an der Längsseite der Parzelle entlang, an dieser Gabelung treffen drei unterschiedliche Atmosphären aufeinander. Im Süden eine Magerwiese, im Westen alte Rheintalhäuser im Grünen, im Osten ziemlich gesichtslose Einfamilien- und Wohnhäuser.

Vogelgezwitscher trifft hier auf Motorengeräusch, Karrenblick auf hohe Hecken.„Das Haus orientiert sich an den umgebenden Bauten“, sagt Klammer. „Es ist ein Hybridbau mit einer tragenden Betonstruktur, Holzwänden aus Dreischichtplatten und einer schützenden Haut aus Lärchenschindeln.“ Die passt zu den Fassaden der umgebenden Bauernhäuser, der unbehandelte Sichtbeton zur Straße. Unter dem Haus parken zwei Motorräder, sie gehören einer Künstlertruppe auf Tournee. Die mietet das Apartment öfter, sie schätzt das Preis-Leistungs-Verhältnis, die praktische Ausstattung, vielfältige Nutzbarkeit, die Loggia und auch die Lage sehr. Jeder Spielort ist gut erreichbar. „Hier ist alles rau und sichtbar“, sagt Klammer. An den Wänden unsortierter Standardtäfer aus Fichte, am Boden ein gespachtelter Estrich, die Decke blieb, wie sie war: unbehandelter Beton. Dazu weiße Küchen, einfache Möbel und große Fenster. Die raue Lässigkeit des Hauses passt zum nomadischen Wohnen. Sehr cool.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at

Brändlestrasse, Lustenau

Bauherr: Werle Immobilien OG, Koblach, Angelika und Stefan Werle; www.stayvorarlberg.com
Architektur: architektur.terminal Dieter Klammer
Statik: zte Leitner ZT GmbH, Schröcken
Planung: 06/2020–06/2022
Ausführung: 11/2021–12/2022
Grundstück: 913 m²
Fachplanung: Baumeister: Winsauer Bau, Dornbirn; Holzbau: oa.sys baut, Alberschwende; Spengler: Bauspenglerei Burtscher, Ludesch; Heizung/Lüftung: Wachter Installationen, Dalaas; Elektroinstallationen: Dreier Elektrotechnik, Bürserberg; Fenster: Wälderfenster GmbH, Bizau u. a.