Sanfte Verdichtung auf der Säge
Vierhundert Meter nach der Kirche, gleich gegenüber der Bushaltestelle im Oberdorf, wurden ein Bürohaus und zwei Mehrparteienwohnhäuser mit Bedacht in die dörfliche Struktur von Bizau eingefügt. Früher stand hier die Produktionshalle der Alten Säge, nun wird „Uf dr Säogo“ gewohnt und gearbeitet.
Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Darko Todorovic
Schon im Jahr 1485, als der Bizauer Bach erst gezähmt werden musste, wurden eine Säge und eine Mühle an diesem Standort beurkundet, daher der Name. Später stand hier ein Sägewerk, dann wurden Bürsten und Holzspielzeug gefertigt. Als 2016 der Konsum gegenüber der Kirche neu gebaut wurde, diente die Produktionshalle ein Jahr lang als Ausweichquartier, dann wurde sie abgerissen. Ihr Keller blieb erhalten und wurde zur unterirdisch verbindenden Tiefgarage erweitert, wodurch nun das neue mittlere Gebäude etwas höher steht als die beiden anderen. Dass auch die Fenster auf verschiedenen Höhen liegen, ist ein willkommener Nebeneffekt und filtert nachbarliche Blicke und Einblicke. Die separat stehende Einhausung der Garagenzufahrt enthält nicht nur Raum für Fahrräder, sondern bietet Passanten freundlich einen Unterstand.
Alle Gebäude des Ensembles haben Fassaden aus senkrechten Fichtenholzlatten, die silbrig verwittern. Erst aus der Nähe unterscheidet sich das Bürogebäude durch seine größeren Fenster von den beiden Wohnhäusern. Deren Eingänge liegen an der Straßenseite und an der Seite, die parallel zum Bürogebäude liegt, ansonsten geben sie sich in diesen Richtungen diskret. Dafür haben die Wohnhäuser Eigengärten und große Loggien an den langen hofseitigen Fassaden, sodass die Aussicht aus dem mittleren, giebelständigen Haus auf den Gopf und die Hangspitze im Westen geht, die aus dem vordersten, traufständigen auf die Kanisfluh im Süden.
„Wer hier herkommt, kehrt wieder um oder bleibt.
Und wer bleibt, engagiert sich.“
Johannes Kaufmann
Johannes Kaufmann Architektur
Bizau liegt nicht an der großen Durchgangsstraße. Wer hier herkommt, kehrt wieder um oder bleibt, sagt Johannes Kaufmann, der das Projekt entwickelt und geplant hat. Und wer bleibt, engagiert sich. Dazu bieten 25 Vereine Gelegenheit. Die Gemeinde tut viel, um sich treu zu bleiben und nicht als Teil des Speckgürtels missverstanden zu werden, der zwar für das behütete Aufwachsen der Kinder gut genug wäre, aber den Kaffee und die Hochkultur konsumierte man lieber „trés chic“ in der Stadt. Dabei wächst die Gemeinde seit den 1960er-Jahren kontinuierlich in einer sanft ansteigenden Kurve. 2011 hat sie die Tausend-Einwohner-Marke geknackt, aktuell sind es 1126. Zu einem guten Teil sind es junge Menschen, die nach der Ausbildung oder dem Studium in den Bregenzerwald zurückkehren und eine Familie gründen. Die hohen Geburtenzahlen zeugen davon und wirken der Überalterung inzwischen kräftiger entgegen als der Zuzug. Doch wo sollen, wie wollen sie alle wohnen?
„Uf dr Säogo“ stehen die ersten modernen Mehrfamilienwohnhäuser im Bizauer Kerngebiet. Es handelt sich um neunzehn Eigentumswohnungen, und etliche sind von den Eigentümern selbst bewohnt. Ihre Grundrisse sind flexibel: Einige große Wohnungen können in zwei kleine verwandelt, manche Räume problemlos in zwei geteilt werden. Im Prinzip sind sie solide Wälderbauten, kaum merklich größer als die Nachbarhäuser. Am Hang gegenüber sieht man die Siedlung Häldele, 1995 nach Plänen des Architekten Hermann Kaufmann errichtet. Sie befindet sich auf der anderen Bachseite, etwas außerhalb des Ortes, und bildet eine in sich geschlossene Einheit.
Wir sind zu Gast bei zweien, die bleiben wollen. Sie leben in einer Dreizimmerwohnung im mittleren Haus. Schon das Stiegenhaus hat mit seinen holzverkleideten Wänden und Decken eine helle, wohnliche Atmosphäre, bei den Geländern und bei der Absturzsicherung an den bodentiefen Fenstern findet sich die offene Lattung wieder, die auch die Loggien einhüllt. Die Räume aller Wohnungen sind etwas höher als die Bauordnung verlangt. Bei unseren Gastgebern im zweiten Obergeschoß reichen sie sogar bis in den holzverkleideten Dachfirst und sind bis zu fünf Meter hoch. Unter dem First wurde der Länge nach eine Galerie eingezogen. Unter ihr hindurch biegt man wie durch ein Zaubertor in den luftigen Wohnbereich ein, der sich über große Glasflächen zur Landschaft öffnet. Eine wohnungsbreite Loggia schützt vor zu großer Hitze und dient als Sommerwohnzimmer. Der Wohnbereich kann problemlos in zwei Räume geteilt werden. Dann würde aus der Drei- eine Vierzimmerwohnung. Und sogar eine mit fünf Zimmern, wenn man die Galerie dazurechnen möchte: In der Zeit des ersten Corona-Lockdowns diente sie als Homeoffice. Der Rückzugsort gefiel so gut, dass er auf Dauer als Arbeitsplatz eingerichtet wurde. Wer weiß schon, was kommt?
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten & Fakten
Objekt Wohn- und Geschäftsgebäude B1, Bizau
Bauherr Kaufmann LP Kaufmann Liegenschaftsprojekte, Reuthe
Architektur Johannes Kaufmann, Dornbirn, Nathalie Niederwolfsgruber, www.jkarch.at
Statik merz kley partner, Dornbirn und Mader Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: e-plus, Egg und awa, Au; Elektro: Ludwig Schneider, Egg; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung 2015-2017
Ausführung 2016-2017
Grundstücksgröße 3018 m²
Nutzfläche 3923 m²
Bauweise: Untergeschoß: Stahlbeton; Wände darüber: Holzrahmenbau und Stahlstützen nach statischem Erfordernis; Decken: Massivholzplatten, Satteldach aus Massivholzplatten
Ausführung: Holzbau: Kaufmann, Reuthe; Baumeister: Reich Bau, Au; Fenster: Wälderfenster, Bizau; Dachdecker/Spengler: Robert Lang, Bizau; Innentreppe und Geländer: Gerhard Berchtold, Schwarzenberg; Elektro: Fidel Meusburger, Bezau
Energieausweis 11-33 kWh/m² im Jahr (HWB)