Fast wie eine kleine Stadt am Rand der Stadt kommt das Dornbirner Steinebach-Areal daher. Mutiert zum Kreativzentrum, dessen unterschiedliche architektonische Hüllen von Architekt Michael Heim ins Heute geholt wurden.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Das lauschig am Dornbirner Steinebach gelegene Betriebsgelände der ehemaligen Textilfabrik F. M. Hämmerle ist noch immer imposant. Obwohl hier seit den 1980er-Jahren nicht mehr gesponnen, gewebt oder gefärbt wird, ist es ein Ort geblieben, an dem heute in den unterschiedlichsten Disziplinen – gedacht, entwickelt, gearbeitet bzw. produziert wird. In einem Industrie – und Gewerbegebiet, das fast wie eine eigene kleine Stadt am Rand der eigentlichen Stadt daherkommt. Bestehend aus einer Reihe von architektonisch komplett unterschiedlichen, zwischen der Mitte des 19. und den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts entstandenen Gebäuden, die, je nach ursprünglicher Funktion und Entstehungszeit, mehr oder weniger groß und feudal, massiv oder aus Holz gebaut sind. In den besten Zeiten von F. M. Hämmerle haben rund 1900 Menschen am Steinebach gearbeitet, heute beschäftigen die rund 70 hier angesiedelten Firmen etwa 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der große offene Dachstuhl macht den ganz besonderen Charme des 250 m2 großen Büros aus, in dem Roland Egle und seine sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werken.

Als Reverenz an das Früher wurde eine alte Gattersäge stehen gelassen. Um zur Basis für den großen Stehtisch der kleinen Firma zu werden.

Zufrieden über die gute Zusammenarbeit (v. l.): Mark Falger (Projektleiter heim+müller), Architekt Michael Heim, Herbert Graf (F.M. Hämmerle Holding) und Roland Egle (standpunkt).

DER MASSIVE SOCKEL des an einem leicht abfallenden Gelände liegenden Gebäudes, das 1829 gebaut und 1852 von F.M. Hämmerle gekauft worden ist, erhielt nur einen neuen Anstrich.

Die rauchenden Fabrikschlote sind am Steinebach längst verschwunden, das Areal wurde mit viel Fingerspitzengefühl von unnötigen Zubauten bereinigt und vom Denkmalamt unter Ensembleschutz gestellt. Dass Michael Heim (heim+müller) die notwendige Sensibilität und Neugier, aber auch Demut mitbringt, sich auf alte Gemäuer und städtebaulich diffizile Situationen einzulassen, hat der Dornbirner Architekt bereits vielfach bewiesen. Auch am Steinebach, wo er seit dem Anfang der Revitalisierung des Geländes vor rund 20 Jahren im Auftrag von F. M. Hämmerle Immobilien wesentlich mit dabei ist. Erst vor Kurzem ist die auf Messeund Werbebauten spezialisierte Firma „standpunkt“ mit ihren sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die am obersten Rand des Areals liegende, auf das Jahr 1829 zurückgehende „alte Säge“ eingezogen. Auf einem massiven Sockel stehend, ist es das einzige Holzhaus, das von außen fast wie ein Stadel ausschaut und auch das einzige Gebäude ist, das nicht für die textile Nutzung im engeren Sinn gebraucht wurde.

Das Ständerwerk wurde mit weiß lasierten Brettern hinterfangen. Aus statischen Gründen neu eingezogen werden musste mittig längs ein massiver Balken.

Um auch nach seiner Metamorphose durch Michael Heim nicht viel anders daherzukommen als davor. Indem die Bretter, mit denen die Fassaden bisher verkleidet waren, durch neue aus sägerauer Lärche ersetzt wurden, während der Sockel nur einen neuen Verputz bekam, seine Fenster und Türen, um das Flair des „räudigen“ (Heim) zu belassen, aber bewusst die alten geblieben sind.

„Ich liebe es, alte Gebäude in- und auswendig kennenzulernen. Das ist fast wie bei einer Beziehung zu einem Menschen“.

Michael Heim
Architekt

In den Raum gestellt hat Michael Heim eine große gläserne Kiste. Hier sind die Sanitäranlagen genauso untergebracht wie ein schnörkellos klar möblierter Besprechungsraum.

Die Fenster der „alten Säge“ wurden nicht zuletzt aus energetischen Gründen neu gemacht. Während die meisten in ihrer Größe gleichgeblieben sind, ist das riesige raumhohe „Schaufenster“ eine absolute Novität.

Neu sind dagegen das mit beschiefertem Bitumen dicht gemachte Satteldach und der Eingang samt verglastem Windfang. Bei dem in klassischer Ständerbauweise errichteten Gebäude wurde original belassen, was ging, neu gemacht nur das, was aus konstruktiven Gründen notwendig war. So mussten einige der alten Holzständer ersetzt werden, während die anderen nur gereinigt und mit einer weiß lasierten hölzernen Schalung hinterlegt wurden, die – unter der hölzernen Außenhaut – mit einer Isolierung versehen ist. Aus statischen Gründen musste in dem rund 250 Quadratmeter großen Innenraum längs ein neuer massiver Holzträger eingezogen werden. Auf dem nach unten isolierten Boden, der mit einer per Wärmepumpe gespeisten Fußbodenheizung versehen ist, liegen sägeraue Fichtenbretter. Den unvergleichlichen Charme des Raumes macht allerdings der prächtige offene Dachstuhl der „alten Säge“ aus. Frei in den Raum gestellt hat Michael Heim eine große gläserne Kiste, die das Alte außer am Boden nicht berührt. Hier sind die schnörkellos klar angelegten Sanitärräume untergebracht genauso wie ein puristisch eingerichteter Raum für Besprechungen, die eher eine geschützten Rahmen verlangen.

Das riesige Schiebetor, durch das früher das zu sägende Holz angeliefert wurde, steht nun permanent offen, mutierte zum dreifachverglasten raumhohen Fenster im XXL-Format. Belassen wurde eine alte Gattersäge. Statt der Bretter, die früher hier durchgelaufen sind, ragt nun eine massive hölzerne Tischplatte aus dem pittoresken Teil.
Und schon ein weiteres Gebäude wartet am Steinebach auf seine Revitalisierung durch Michael Heim: In dem Gebäude, in dem ehemals der Betriebsarzt ordinierte, sollen zukünftig Kleinkinder betreut werden.

Daten & Fakten

Objekt Umbau Alte Säge Steinebach, Büro, Dornbirn

Bauherr F.M.Hämmerle Holding

Architektur Heim+Müller Architektur, Dornbirn www.heim-mueller.at

Fachplanung Elektro: IHM, Hörbranz

Planung 6/2017 – 10/2017

Ausführung 3/2018 – 8/2018

Grundstücksgröße 590 m²

Nutzfläche 224 m²

Keller 172 m²

Bauweise Bestehendes Holzfachwerk, gebürstet; Oberfläche innen: lasierte Fichtenschalung; außen Rheintalschirm aus unbehandelter Fichte; Dämmung Mineralwolle (20cm); Fußboden: sägeraue Fichtendielen; Heizung mit Luftwärmepumpe über Fußbodenheizung

Besonderheiten Obwohl abgesehen von der Tragstruktur alle Oberflächen und Elemente im Erdgeschoß neu sind, konnte der Charakter des Gebäudes erhalten und sogar betont werden.

Ausführung Holzbau: Fussenegger, Dornbirn; Baumeister: Rümmele, Dornbirn; Elektrik: Willi, Alberschwende; Heizung, Lüftung, Sanitär: Berchtold, Dornbirn; Dach : Rene Sporeni, Fußach

Energiekennwert 77 kWh/m² im Jahr

Baukosten 500.000 Euro