Wer die Komplexität des Kochens verstehen kann,
hat gute Chancen, auch die Komplexität von Architektur zu verstehen.
Wie wunderbar, wenn ein Projekt Platz für das eine wie das andere bietet.
Im Restaurant Weiss isst man nicht nur außergewöhnlich gut, sondern genießt
auch einen atmosphärisch dichten Raum.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Angela Lamprecht

Die Stadt und ihre Lokale. Innen- und Außenbeziehungen, Transparenz und urbanes Flair im neuen Restaurant Weiss in Bregenz
Von der Straße an die Bar. Wie schon bei den Vorgängern gibt es auch im Weiss die Bar im Eigangsbereich

Wir beginnen mit einen kleinen Wortspiel, der Kochkunst und der Baukunst. In beiden Fällen ist mit dem Wort „Kunst“ eigentlich das Handwerk adressiert – die Meisterschaft, die den Dingen und ihrem Umgang damit zugrunde liegt. Wie jede Meisterschaft sind sie verbunden mit Leidenschaft und Ausdauer, mit Aufmerksamkeit für Details, mit Geduld, mit dem Verständnis, dass Reihenfolge und Prozesse wichtig sind. Und ja, es gibt auch den Entwurf beim Kochen, indem, was dem Rezept vorangeht, in der Idee, wie etwas zusammen harmonieren könnte, eine interessante Spannung erzeugen könnte. Die Architektur kennt zwar keine Rezeptur, aber ebenso viele Regeln und Notwendigkeiten. Sie zelebriert das Ritual des Raumes, des Ortes und der Öffentlichkeit.

Ein langes, schmales Fensterband mit Sitzgelegenheit lässt Blicke in die Küche zu, wo Milena Broger und Erik Pedersen am Werk sind.
Skandinavisches Ambiente: hell, schlicht und sehr freundlich.

Beim Restaurant Weiss ist es geglückt, einen Raum für Genuss zu schaffen, für das Kochen als Handwerk, für eine sinnliche Zusammenkunft. Auf den ersten Blick möchte meinen, geschah dies mit spielerischer Leichtigkeit. Wie wunderbar, wenn die Leidenschaft für gutes Essen mit der Leidenschaft für gute Räume zu einer solchen Harmonie findet. Doch leicht war es zu Beginn nicht. Die Gründung eines neuen Lokals, eines hochwertigen Restaurants ist anspruchsvoll. Und auch der Umbau hatte seine Tücken. „Wir haben uns im Bestand vorangetastet. Es gab während der Abbruch- und Ausbauarbeiten einige Überraschungen“, erinnert sich Architektin Nora Heinzle. Zusammen mit Anja Innauer hat sie „Das Weiss“ in einen zeitgenössischen Raum verwandelt. Plüsch und Gediegenheit weichen nun nordischer Gemütlichkeit, ein bisschen cool, sehr modern und skandinavisch hell. Das Gebäude in der Anton-Schneider-Straße 5 in Bregenz trägt die Spuren der Zeit noch in sich und hat auch eine lange Gastronomie-Geschichte. Von 1926-1980 war dort die Konditorei und Bäckerei Weiss zu Hause. Viele Gäste kennen es auch unter den Namen Neubeck, Bistro oder Füxl. In den Wänden und Verbauten, unter vielen Farbschichten hat sich die Geschichte dieser Lokale noch gut erhalten.

„Wir haben uns auf das Wesentliche konzentriert. Ein Gedanke, der auch ganz dem gastronomischen Konzept entspricht.“

Nora Heinzle
NONA Architektinnen, Dornbirn

Nun wurde der Raum von vielen Altlasten und Dekorationsexperimenten befreit und auf die ursprüngliche Substanz rückgebaut. So anders, wie der Raum nun wirkt, so arbeitsintensiv der Umbau war, rein baulich wurde nur wenig verändert. Der Boden wurde geschliffen, die Säulen belassen. Ein neues Farbkonzept bringt schlichte Eleganz in den Raum. Das Mobiliar ist größtenteils wirklich mobil und wirkt luftig in den Raum hineingestellt. „Uns waren Transparenz und Blickachsen wichtig. So haben wir besonderes Augenmerk auf die Innen- und Außenbeziehungen zum Straßenraum gelegt und auch zum kleinen Schanigarten, der den Blick nach hinten zieht und nochmals eine ganz andere Atmopshäre entstehen lässt.“ Die beschränkten Mittel haben Fokussierungen notwendig gemacht. „Das kann auch eine wertvolle Einschränkung sein. Wir haben uns so auf das Wesentliche konzentriert. Ein Gedanke, der auch ganz dem gastronomischen Konzept entspricht.“

Im Weiss wird das Handwerk des Kochens zelebriert. Dafür braucht es auch qualitätsvolle Arbeitsräume.

Das Restaurant ist auch ein Arbeitsort. „Uns war die Qualität der Arbeitsräume wichtig und hier besonders die Küche.“ Trotz kleinem Raum und kleinem Budget ist auch dieses Ansinnen aufgegangen. Durch ein kleines rechteckiges Fensterband schauen die Gäste Milena Broger und Erik Pedersen bei ihrer Handwerkskunst zu. Die vielen Handgriffe allein sind es nicht. Kochen ist Kultur. In diesem Fall hochentwickelt und doch ganz natürlich. Doch auch die Küche selbst ist zu einem guten Arbeitsplatz geworden, offen, transparent, mit kurzen Wegen und Licht – ein neues Fenster wurde dafür als einziger Eingriff ins äußere Mauerwerk eingebaut. Bregenz hat mit dem Restaurant Weiss ein spannendes neues Lokal bekommen – kulinarisch und atmosphärisch. Derzeit ist es noch schwer, einen Tisch zu bekommen, doch ein Drink an der Bar mit einem kleinen Vorgeschmack in Form eines der kleinen Gerichte lohnt sich schon vorab.

Theresa Feuerstein betreut die Gäste an der Bar und im Service mit ihrem Team.
Team Theresa Feurstein, Erik Pedersen und Milena Broger führen das Restaurant Weiss in Bregenz
Eine Spiegelwand vergrößert den Raum optisch. Kleine Tische an den Randzonen fassen und beruhigen den Raum.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Projekt Weiss Restaurant, www.weiss-bregenz.at

Eigentümer ASS 5 Immobilien GmbH

PächterInnen Theresa Feurstein, Milena Broger, Erik Pedersen

Architektur NONA Architektinnen, Dornbirn, Anja Innauer und Nora Heinzle, www.nona-architektinnen.at

Statik M+G INGENIEURE ZT, Feldkirch, www.m-g.at

Fachplanung Haustechnik: Dietrich, Lauterach; Elektro: Maldoner, Lauterach; Installationen: Greber, Schwarzach

Planung 04/2019- 10/2019

Ausführung 11/2019- 02/2020

Nutzfläche 184 m²

Gastgarten 80 m²

Ausführung Innenausbau: Dr´Holzbauer Dietmar Berchtold, Andelsbuch; Glaser: Längle, Götzis; Mal- und Tapezierarbeiten: fetzcolor, Alberschwende; Möbel: Massivholzschneiderei MO-NI-KA, Wien; Tischler: Simon Hofer, Sibratsgfäll und Bernhard Metzler, Andelsbuch; Korkmanufaktur: Clarissa Kork, Krumbach; Licht: Georg Bechter, Langenegg; Gastro-Küche: FHE, Dornbirn; Boden: Bruno Oberhauser, Egg

Besonderheiten Abbruch, Umbau, Ausführung mit sehr großem Anteil an Eigenleistung