Update für ein Gemeindeamt
Das Gemeindeamt in Gaißau ist ein Stück Ortsgeschichte, das in die Gegenwart geführt wird: Das um 1900 errichtete ehemalige Schulgebäude der Gemeinde Gaißau wurde umfassend saniert und zu einem modernen, barrierefreien Gemeindeamt umgestaltet. Der Umbau verbindet historische Substanz mit technischen Neuerungen, energieeffizienter Bauweise und einem klaren Verständnis dafür, was Bürgernähe heute bedeutet. Das Ergebnis ist eine funktionale Verwaltungseinrichtung.
Text Klaus Feldkircher · Fotos Petra Rainer

Das Gebäude hat eine lange Vergangenheit: Erbaut wurde es als Schule mit Eingang an der Hauptstraße, der später wegen des Fuhrwerksverkehrs auf die Seite verlegt wurde. Nach der Schulzeit diente es u. a. als Gemeindeamt, beherbergte zeitweise aber auch eine Bankfiliale. Später fanden neben dem Büro des Bürgermeisters Kindergartenräume Platz. Trotz wechselnder Funktion blieb der Charakter des Hauses mit seiner soliden Substanz und einer ortsbildprägenden Fassade erhalten. Nach Jahrzehnten der Nutzung wurde die Sanierung zu einem wichtigen Projekt der Gemeinde. Statt Abriss entschied man sich für Bestandserhalt – ein klares Statement für nachhaltiges Bauen und den respektvollen Umgang mit Geschichte.

Der Eingang ins Gebäude erfolgt über eine neu gestaltete Treppe, die beidseitig begehbar ist. Das Gemeindeamt wird nun über einen Windfang mit Bildschirm und Touchscreen, der von einem auskragenden Metalldach geschützt ist, betreten. Im ersten Raum befindet sich der große, helle Bürgerservice. Architektonisch wurde der Altbestand mit Fingerspitzengefühl weiterentwickelt. Tragwände, Raumstruktur, Flure und Treppe blieben erhalten, doch Technik, Beleuchtung und Oberflächen wurden vollständig erneuert.


„In Gaißau ist ein offenes Haus für Bürger(innen), Mitarbeitende und Besucher(innen) entstanden. Ein Ort, der Verwaltung mit
Atmosphäre verbindet: funktional, zugänglich und authentisch.“
Michael Stöckler
Architekt
Abgehängte Decken ermöglichen die Integration von Klimageräten und einer zeitgemäßen Beleuchtung. In einzelnen Räumen – etwa im Sitzungssaal im ersten Stock – wurde die Decke geöffnet, Stahlträger wurden eingezogen und die Deckenhöhe des Raumes damit erhöht. Die neue Atmosphäre des Hauses ist geprägt von warmen Materialien und freundlicher Klarheit. Helle Holzoberflächen in Eiche, adaptierte Türzargen mit Brand- und Schalldämmung und gezielt eingesetzte Akustikelemente schaffen eine angenehme Arbeitsumgebung. Das Farbkonzept orientiert sich ruhig und einladend am Grün des Gemeindelogos. Eine klare und verständliche Beschriftung sorgt für eine konsequente visuelle Linie. Auch die Möblierung folgt einem nachhaltigen Ansatz: Die hochwertigen Möbel stammen von heimischen Handwerksbetrieben und passen sich in Farbe und Material dem Ambiente an, was dem Haus eine authentische Note verleiht.

Die Elektroinstallation – Leitungen, Schalter, Steckdosen, Brandmeldeanlage, Notbeleuchtung – wurde vollständig erneuert. Im neuen Technikraum laufen EDV-Verkabelung, Klimatisierung und Sicherheitsfunktionen zusammen. Kühlungssysteme verhindern Überhitzung, Klimageräte sorgen für konstante Temperatur in den Arbeitsräumen. Thermoputz mit Styroporanteil an den Außenwänden sorgt für Dämmung und Feuchteausgleich. Die bestehende Gasheizung und neue Klimageräte bilden ein effizientes Gesamtsystem. Feuchteschutzmaßnahmen, Abdichtungen und Betonneuauftrag verhindern aufsteigende Feuchtigkeit – ein Thema, das beim nicht unterkellerten Mauerwerk besondere Aufmerksamkeit verlangte. Im Alltag zeigt sich die neue Struktur funktional und flexibel: Ein barrierefreier Zugang über eine Rampe, ein behindertengerechtes WC und ebenerdige Besprechungsräume ermöglichen Inklusion. Lager- und Technikflächen, Gemeinschaftsraum und Reservewohnungen ergänzen das Gesamtkonzept.

Das Gemeindeamt ist Teil eines historischen Ensembles mit Pfarrhaus, Fachwerkhaus und Klostergebäude und stellt ein Stück gelebte Ortsidentität dar. Obwohl keine Denkmalschutzauflagen bestanden, wurde der historische Charakter bewusst bewahrt. Fenstergröße und -teilung sowie Proportionen bleiben identitätsstiftend. Die Läden an den Fassaden wurden erneuert, sind jetzt aus Aluminium und damit pflegeleicht und witterungsbeständig. Der Verzicht auf radikale Eingriffe schuf Freiraum für gezielte Modernisierung mit dem Ziel, den Geist des Hauses zu erhalten.Das neue Gemeindeamt steht beispielhaft für den respektvollen Umgang mit Bestand: Ein Ort, an dem Tradition, Funktionalität und Zukunftsdenken ineinandergreifen. Das Projekt zeigt, dass es möglich ist, historische Gebäude nicht nur zu erhalten, sondern ihnen neues Leben einzuhauchen – durch Präzision im Detail, Mut zur Modernisierung und Wertschätzung für das, was war.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Gemeindeamt Gaißau
Bauherrschaft: Gemeinde Gaißau
Architektur: Stöckler Gruber Architekten ZT GmbH
Planung: 2022
Ausführung: 2023–2024
Fachplanung: Statik: gbd ZT GmbH, Dornbirn
Bauphysik: DI Christian Rothe M.BP Bauphysik GmbH, Hard; Elektroplanung: Walter Bischof, Tschagguns
Auswahl ausführender Firmen: Baumeister: Lutz Bau GmbH, Gaißau; Trockenbau: MB Michael Bischof GmbH, Hard; Fenster: Metzler Fensterbau GmbH, Hohenems; Möbel: Tischlerei Michael Hofer GmbH, Höchst
