Wo früher neben schönen alten Villen
mitten in Hohenems Holz gelagert wurde,
ist ein kleines Stück Stadt neu entstanden.
Ein um einen kleinen Hof gruppiertes,
fein durchwegtes und autofreies Quartier aus drei Häusern.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Karin Nussbaumer

Ein runder Brunnen aus Cortenstahl markiert das Zentrum des neuen Quartiers an der Hohenemser Schillerallee. Rundum blüht es, wuchern Hecken, stehen Bäume, Autos gibt es dagegen keine. Sie sind aus dem Areal verbannt, dessen fein geschwungene öffentliche Durchwegung praktischerweise mit einem bitumengetränkten, mit Kies verklebten Belag versehen ist. Die Autos verschwinden in der unter den drei neuen Baukörpern liegenden gemeinsamen zweigeschoßigen Garage, die wiederum angedockt ist an die bereits bestehende der Raiffeisenbank nebenan – der auch das Grundstück, wo die neuen Häuser stehen, gehört. Deren Typologie orientiert sich an der heterogen gewachsenen Bebauung mit zum Teil großen alten Villen in der Nachbarschaft, wogegen ihre städtebauliche Setzung das Ergebnis intensiver Diskussionen einer hochkarätig besetzten Jury ist. Und so stehen die drei neuen Häuser nun ganz bewusst nicht parallel zur Schillerallee da, sondern raffiniert zu dieser wie auch zueinander versetzt. Wobei das „Haus der Gesundheit“ als in sich geschlossener, formal klar strukturierter Dreigeschoßer den Eingang zum Quartier markiert. Während seine zwei „Geschwister“ – die jeweils einen Stock mehr haben – durch zahlreiche Vor- und Rücksprünge bzw. Terrassen und Balkone gegliedert sind.

Das hat nicht zuletzt mit ihrer Funktionalität als Wohnhäuser zu tun, während das „Haus der Gesundheit“ wie sein Titel schon sagt, für Praxen reserviert ist. Im Erdgeschoß ordiniert eine Kinderärztin, daneben haben sich eine Physiotherapeutin, darüber eine Allgemeinmedizinerin eingerichtet. Und ganz oben breitet sich ein zahnmedizinisches Institut aus, während im straßenseitigen Verkaufslokal „Beauty und Kosmetik“ angeboten wird.

Wo das Quartier in der Schillerallee heute steht, war früher ein Holzlagerplatz. Und das praktisch im Zentrum von Hohenems, direkt neben dem meist lauschigen Emsbach, nur wenige Schritte von Jüdischem Viertel und Schlossplatz entfernt, in unmittelbarer Nähe zu Schulen und Kindergarten, Gastronomie, Läden sowie Markus-Sittikus-Saal und Palast.

Die Entwicklung des städtebaulich so wichtigen Projekts lag in den Händen von Markus Schadenbauer, die architektonische Gestaltung in jenen von Ernst Waibel. Er hat das „Haus der Gesundheit“ als langgezogenen Baukörper angelegt, dessen Schmalseite zur Straße hin weit auskragt. Über dem hier eingerichteten Verkaufslokal, das raumhoch verglast ist, was das Gebäude aus dieser Perspektive fast wie schwebend daherkommen lässt. Die Längsseiten werden dagegen durch große, fast quadratische Fensterelemente gleichmäßig gegliedert. Sie sind dreigeteilt, bestehen aus einem geschlossenen, vertikal mit hellem Holz verlatteten Teil sowie zwei verglasten, wovon einer ein Öffnungsflügel ist. Das zweite Obergeschoß wird durch zwei markante Einschnitte durchbrochen, was die Masse des Baukörpers geschickt optisch relativiert.

„Es war uns wichtig,
dass hier ein neues Stück Stadt
mitten in der Stadt entsteht.“

Ernst Waibel
Architekt

Gebaut sind alle drei Baukörper aus Dämmziegeln, die Decken aus Stahlbeton. Jeweils mit einem Dämmputz auf Kalkbasis, der beim „Haus der Gesundheit“ ganz hell und glatt, bei den zwei Wohnhäusern in einem mittleren, horizontal gebürsteten Graubraun gehalten ist. Im selben Ton wie die Fensterrahmen und fein perforierten Brüstungen der Balkone. Sie sind groß dimensioniert und durchpulsen, indem sie in die Baukörper hineingeschnitten sind oder wie riesige Körbe an den Fassaden hängen, diese fast skulptural.

In einem dieser Häuser gibt es sechs Eigentumswohnungen samt 120 Quadratmeter großem Penthouse, im anderen sieben Eigentums- bzw. Mietwohnungen mit zwei bis vier Zimmern, wobei eine Erdgeschoßeinheit jeweils als Büro genutzt wird. Die Grundrisse sind funktionell geschnitten, auf den Böden liegen hochwertige Parkette bzw. Fliesen. Die Wohnungstüren sind weiß, in den Stiegenhäusern liegt hellgraues Feinsteinzeug, mit Tageslicht versorgt durch in die Flachdächer geschnittene Oberlichten. Die Praxen im „Haus der Gesundheit“ sind durch ihre fast raumhohen Fenster hell und freundlich. Alle Gebäude verfügen über einen Lift von der zweiten Tiefgaragenebene bis ins zweite bzw. dritte Obergeschoß. Jeder Einheit ist ein Kellerabteil zugeordnet und um dem Gebot energetischer Nachhaltigkeit zu entsprechen, ist das Quartier an das örtliche Nahwärmenetz angeschlossen.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Quartier an der Schillerallee
Bauträger SH Bauträger (Schadenbauer, Hohenems und Haberlbau, Lustenau)
Architektur Nägele Waibel, Dornbirn, www.naegele-waibel.at
Statik Mader Flatz, Bregenz; Robert Kofler, Götzis
Fachplanung Bauphysik Lothar Künz, Hard; Elektro: Andreas Hecht, Rankweil; Heizung Sanitär, Lüftung: gmi, Schaan; Bauleitung: Schmelzenbach, Riefensberg; Landschaft: Stadtland, Hohenems; Verkehr: Besch, Feldkirch
Planung 2018–2019
Ausführung 2019–2021
Grundstück ca. 2700 m²
Nutzfläche 1985 m²
Ausführung Baumeister: Wälderbau, Schwarzenberg; Erdarbeiten: Peter Keckeis, Sulz-Röthis; Spengler: Mathis, Altach; Verputz: Brunner, Höchst; Trockenbau: raumwerk, Wolfurt; Elektro: Maldoner, Lauterach und PKE, Wien; Heizung/Sanitär: Rossmanith, Hohen-ems; Lüftung: Kranz, Weiler; Kälte: Engie, Lauterach; Schlosser: Johannes Wolf, Hohenems und Thomas Reimer, Hard; Türen, Geländer: Türtscher, Zwischenwasser; Böden: Vetter, Lauterach; Fliesenböden: Felder, Lustenau; Maler: Bösch, Lustenau
Energiekennwert 28,5-43,1 kWh/m² im Jahr
Baukosten 9,5 Mill. Euro