Verdichtung mit Augenmaß
Am südlichen Ortsrand von Feldkirch-Nofels ist mit „Wohnen am Bergäcker“ ein Wohnprojekt entstanden, das beispielhaft zeigt, wie sich zeitgemäße Verdichtung, Lebensqualität und Klimasensibilität miteinander verbinden lassen.
Text Verena Konrad · Fotos Gustav Willeit

Die „Wohnen am Bergäcker“ steht für ein neues Verständnis von Siedlungsentwicklung am Stadtrand: verdichtet, aber nicht verbaut; gemeinschaftlich, und doch auch individuell; naturnah und zugleich urban. Viele Menschen sehen in Grundstücken am Siedlungsrand nach wie vor die perfekte Lage für klassische Einfamilienhäuser. Die Nähe zum Grünen, der freie Ausblick – all diese Bilder sind zum Klischeebild geworden. Auch dieses Grundstück hatte für eine solche Bebauung Anlass geboten, heute ist es jedoch ganz anders gestaltet, denn Bauherrschaft und Architekt entschieden sich bewusst dagegen. Allerdings nicht gegen die Qualitäten, die Einfamilienhäuser sehr wohl bieten, Privatheit und Rückzugsmöglichkeit und qualitätsvollen Außenraumbezug, die eben auch in einer maßvoll verdichteten Struktur verwirklicht werden können, ohne Nachteile wie Flächenverbrauch oder eine weitere Zersiedelung zu verantworten. So entstanden auf rund 4000 Quadratmetern 34 Wohneinheiten, verteilt auf vier klar gegliederte Baukörper. Mit ihren Vor- und Rücksprüngen schaffen sie geschützte Nischen und private Bereiche, während ein großzügiger Hof in der Mitte zur ungezwungenen Gemeinschaft einlädt.

In ihrer Formensprache erinnert die Anordnung der Baukörper an eine Würfelsiedlung – eine Struktur aus eigenständigen, präzise gesetzten Volumen, die gemeinsam ein harmonisches Gefüge bilden. Zwischen ihnen entstehen kleine Plätze, Durchblicke und Aufenthaltsbereiche. Diese Abfolge offener und geschlossener Räume erzeugt jene Balance aus Privatheit und Begegnung, die den Charakter der Anlage prägt. Der zentrale Quartiershof bildet das räumliche und soziale Herz. Seine wassergebundene Oberfläche, großzügig und robust zugleich, wirkt wie ein moderner Dorfanger: ein Ort, an dem man sich begegnet, plaudert oder einfach verweilt. Hier zeigt sich die besondere Qualität des Projekts – „Gemeinschaft entsteht beiläufig, nicht verordnet.“


„Wir machten eine ökologische und nachhaltige Verdichtung für uns als Bauherrschaft zur Bedingung und holten den „richtigen“ Architekten mit an Bord. Das Projekt wurde mittels mehrerer Baumassenstudien im Vorfeld intensiv mit dem Gestaltungsbeirat der Stadt Feldkirch diskutiert und entwickelt.“
Prok. DI Wolfgang Müller
Swietelsky Vorarlberg
Die Landschaftsarchitektur von landrise – Maria Anna Schneider-Moosbrugger spielt eine tragende Rolle. Ihr Entwurf versteht den Außenraum als gestalteten Naturraum und nicht nur als Restfläche. Ein differenziertes, aber klar strukturiertes Pflanzkonzept mit Hecken, Wiesen und Bäumen sorgt für Orientierung und Atmosphäre. Holzpodeste und Sitzränder laden zu spontanen Treffen ein, farbenfrohe Hecken rahmen den Hof, ohne ihn abzugrenzen. Gleichzeitig leistet die Gestaltung einen aktiven Beitrag zur Klimawandelanpassung. Versickerungsfähige Beläge, artenreiche Vegetation und schattenspendende Bäume regulieren Temperatur und Feuchtigkeit. Regenwasser kann natürlich versickern, die Begrünung verbessert das Mikroklima. Damit wird der Freiraum zum ökologischen Puffer und sozialen Treffpunkt zugleich und damit auch zum Ausdruck einer neuen, naturnahen Urbanität.

Auf der Außenseite öffnen sich Privatgärten zum angrenzenden Grüngürtel. Andere Wohnungen verfügen über Dachterrassen oder Loggien, viele sind nach mehreren Seiten orientiert – ein seltener Luxus im Geschoßwohnbau. So entsteht eine Wohnatmosphäre, die eben eher an das Gefühl eines Einfamilienhauses erinnert als an ein „Blöckle“, wie es die Vorarlberger(innen) nennen. Die Lage am Übergang zwischen Stadt und Landschaft verleiht dem Ensemble besondere Qualität: der bewaldete Hang im Süden, die offene Ebene Richtung Liechtenstein und Schweiz, die Aussicht auf die Berge des Appenzells und der Alviergruppe. Die Gebäude sind in Massivbauweise errichtet, mit tragenden Betondecken und zweischaligem Mauerwerk.

Ein heller Kalkputz fasst die Baukörper ruhig zusammen, während Holzfenster natürliche Wärme ins Innere bringen. Die Kombination aus langlebigen, ökologischen Materialien sorgt für ein angenehmes Raumklima und geringen Wartungsaufwand – eine nachhaltige und wertbeständige Lösung. Die Bauherrschaft Swietelsky Vorarlberg belegt mit „Wohnen am Bergäcker“ ihr Verständnis von Bauen und Architektur als kulturelle Aufgabe und diese Aussage ist nicht nur ein beliebiger Werbeslogan. Wer einen solchen Aufwand betreibt, bekommt auch Anerkennung, zuletzt durch die Verleihung des Hypo Baukulturpreises, der noch nicht oft an einen Wohnbauträger vergeben wurde, hat der Wohnungsbau in Vorarlberg in den letzten Jahren, bald zwei Jahrzehnten, doch nicht unbedingt an architektonischer Qualität gearbeitet, sondern vor allem an Standardisierung, Effizienz und Rendite. Mit dem Projekt am Bergäcker wird gezeigt, dass es auch im mehrgeschoßigen Wohnungsbau möglich ist, architektonischen Anspruch mit sozialer, ökologischer und ökonomischer Verantwortung zu verbinden.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Wohnen am Bergäcker, Feldkirch
Bauherr/GU: Swietelsky Baugesellschaft mbH, Feldkirch; Prokurist Wolfgang Müller
Architektur: bernardo bader architekten
Landschaft: Land Rise
Ausführung: 2018–2021
Nutzfläche: ca. 2250 m²
Heizwärmebedarf: 110 kWh/m²a
Wohnungen: 2-, 3-, 4- und 5-Zimmer-Garten/Terrassen/Dachgeschoßwohnungen mit großzügigen Sonnenterrassen
Bauweise: Mauerwerk doppelschalig
Ausgezeichnet mit dem Hypo Baukulturpreis 2025
