Das Hohenemser Wohn- und Geschäftshaus in der Marktstraße 14
erstrahlt nach seiner Sanierung durch Imgang Architekt*innen in neuem Glanz.
Hinter der weit geöffneten Erdgeschoßfassade lädt eine Boutique zum Kauf
nachhaltiger Kleidung und zu kosmetischen Beratungen ein, in den Obergeschoßen wird gewohnt und gearbeitet.
Mit dem neuen Hinterhaus und dem Atelier einer Künstlerin bildet das Ensemble den vielfältigen Charakter
des Ortes ab und passt zu dessen Geschichte.

Text: Katinka Corts | Fotos: Karin Nussbaumer

Das kleine, grün verputzte Haus war seit seiner Erbauung im 17. Jahrhundert bereits der Lebensmittelpunkt für viele Menschen. Die Gebäude auf den langen, schmalen Grundstücken im florierenden Jüdischen Viertel waren oft auf eine Kombination aus Geschäft im Erdgeschoß und Wohnen darüber ausgelegt. Im hinteren Teil des Baufelds standen mal Werkstätten, mal kleine Häuser. Die Geschäftsräume hier wurden auch zweihundert Jahre später noch genutzt, erst als Schreibwarenladen, dann von einem Optiker oder gar als Museum. Doch je mehr Personen- und Schwerverkehr sich durch die Straße quälte, desto unattraktiver wurde die Gegend. Der Durchgangsverkehr vereinnahmte die Stadt und hielt die Menschen fern. „Kaum jemand wollte früher nach Hohenems kommen, diese Straße hier war nahezu ausgestorben“, erinnert sich Bauherr Markus Schadenbauer, der die Stadt als Zugezogener kennenlernte. Als die lang ersehnte Zentrumsumfahrung fertiggestellt war, kehrte Ruhe in der Marktstraße ein – aber noch kein Leben. Die Häuser hier waren desolat, im Inneren war jahrelang mehr gehaust als gewohnt worden, die Geschäfte waren verschwunden. Schadenbauer konnte 2016 mit einer Gesellschaft das Gebäude von der Stadt übernehmen und schlug vor, darin eine vielfältige und zugleich dichte Kombination von eigentümergeführtem Gewerbe und Mietflächen für Büro und Wohnen zu etablieren. Für diesen neuen Plan konnten sich neben Stadt und Denkmalpflege auch mehrere Investoren begeistern, und so entstand das Projekt in Form einer Miteigentümergemeinschaft.

Nebst der Sanierung des Altbaus verantworteten die Architekt*innen zugleich den hinteren Neubau. Im hell verputzten Ziegelbau sind um eine zentrale Stiege auf den drei Etagen Wohnungen angeordnet. In ihnen dominieren helle Wände und Böden aus hellem Holz, was die kleinen Räume größer erscheinen lässt. Während hier frei gestaltet werden konnte, musste im Vorderhaus im Rahmen des Möglichen gearbeitet werden.

„Wir arbeiten sehr gern mit dem Bestand, aber unser Bauherr hat uns hier mit seiner Begeisterung für das Alte noch übertroffen.“

Alexandra Roner
Architektin

Ein breiter Eichenholzrahmen um das Schaufenster im Erdgeschoß zeigt genauso wie die markante Gaube im Dach, dass hier etwas Neues entstanden ist. „Sicherlich ist die breite Gaube ein großer Eingriff, ohne diesen hätten wir aber das ganze Geschoß nicht zeitgemäß als Wohnung ausbauen können“, gibt Roner zu bedenken. Ob es um den Grünton des Kellenstrich-Verputzes der Fassade ging oder um Wandfarben, die mit vorgefundenen Farbtönen korrespondierten, Roner achtete auf die Details. So passt selbst das rote Linoleum in den Wohnungen heute zu den alten Stäben des Treppengeländers, und auch der Schriftzug „Rudolf Jäger“ vom früheren Schreibwarenladen ist wieder am Gebäude zu finden – und zwar im Durchgang zum Innenhof.

„Wir arbeiten sehr gern mit dem Bestand, aber unser Bauherr hat uns hier mit seiner Begeisterung für das Alte noch übertroffen“, lacht Alexandra Roner. In der Marktstraße 14 ist es gelungen, den Bau so zu ertüchtigen, dass das Vergangene seinen Platz wahren konnte und das Haus zugleich für die kommenden Jahrzehnte wieder nutzbar ist. Die Kombination aus erdgeschoßigem Gewerbe und darüberliegenden Wohnungen hat sich auch schon in anderen Häusern entlang der Straße bewährt: Tagsüber kommen Gäste auch von weiter her zu den spezialisierten Geschäften, abends können die kleinen Lokalitäten einen Tagesausklang bieten. Mit der Sanierung der Häuser kehrt Stück für Stück neues Leben in das Viertel und hilft der Stadt Hohenems, ein neues Kapitel der eigenen Geschichte zu schreiben.

Daten und Fakten

Objekt: Marktstraße 14, Hohenems

Bauherr: Miteigentümergemeinschaft Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklung, Hohenems (Bauherrenvertreter)

Architektur: imgang architekten ZT, Innsbruck, www.imgang.com

Statik: Mader + Flatz Baustatik ZT, Bregenz

Fachplanung: Bauphysik: Lothar Künz ZT, Hard; Geotechnik: Dönz, Schruns; Bauleitung: WIKÖ, Götzis u. a.

Planung: 08/2016–03/2022

Ausführung: 07/2020–05/2022

Grundstück: 390 m²

Nutzfläche: 543 m² (zzgl. Keller 19,5 m²)

Bauweise: Denkmalschutz: Fachwerk und Holzbalkendecken ertüchtigt; Kaltdach mit Ziegeln; Neubau Ziegel verputzt; Fernwärmeheizung; Holzständerwände, Gipskarton mit Kalkschlämme; Holzfenster

Ausführende: Baumeister: Moosbrugger, Lauterach; Zimmerer: Mayer, Götzis; Fenster: Manfred Bischof, Thüringerberg; Restauration: Bartsch, Immenstadt/Allgäu; Dachdecker: Weber, Altach, Spengler: Tectum, Hohenems; Böden: Michael Bischof, Hard; Heizung/Lüftung: ERFU, Hohenems; Elektro: Maldoner, Lauterach; u. a.

Energiekennwert: 42–66 kWh/m² im Jahr (HWB)

Kosten: 2,1 Mio. Euro