Der schlichte Quader der neuen Neuapostolischen Kirche bildet an der
befahrenen Kreuzung von Arlbergstraße und Nideggegasse in Bregenz
einen Ruhepol. Ein Vorplatz mit vier Bäumen verstärkt seine Präsenz im Stadtraum.
Die achtsame Planung der Architekten Bechter/Zaffignani setzt auf Langlebigkeit.
Das Gotteshaus ist aus wertigen Materialien gebaut, die schön altern.
Es steckt voller Symbolik: Jeder handgeschlagene Ziegel der Fassade
repräsentiert einen Gläubigen als Baustein der Gemeinde.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

An die 300 Christ(inn)en, ein Hirte, zwei Evangelisten, drei Priester, drei Diakone und ein herausragender Chor bilden die Neuapostolische Kirchengemeinde in Bregenz. 1965 wurde die erste Kirche in der Nideggegasse 1 eingeweiht, ihre Sanierung wäre sehr teuer geworden. So entschied sich die Gemeinde 2016 für einen Neubau. Er war das Resultat eines zusammen mit dem Dornbirner Bauträger Condor Wohnbau ausgelobten städtebaulichen Wettbewerbs. Drei Architekturbüros wurden mit einer Studie für Wohnbebauung mit Geschäftsflächen und Kirche beauftragt. Das Areal grenzt im Osten an die stark befahrene Arlbergstraße, im Süden verläuft die Nideggegasse. Die alte Kirche stand in zweiter Reihe, die Architekten Bechter/Zaffignani hatten die entscheidende Königsidee: Mutig ignorierten sie das Faktische zugunsten der besten Lösung und positionierten die Kirche am Nachbargrundstück. So liegt sie für alle sichtbar an der Kreuzung und erhält mehr Präsenz im Stadtraum. Ein Grundtausch mit Condor ermöglichte die Rochade, von der auch die drei Wohnhäuser profitierten: Die Kirche schützt sie vor Lärm. Eine angemessen rücksichtsvolle Geste.

Nun steht ein schlichter Quader – 7,5 Meter hoch, 20 Meter lang, 14 Meter breit – in vorderster Front am Eck, wodurch zwischen Kirche und Wohnbauten ein Vorplatz entsteht. Auf den ersten Blick erscheint sie rätselhaft abstrakt. Fensterlos, ohne Turm, könnte sie ein technisches Infrastrukturbauwerk sein. Doch umso mehr man sich ihr nähert, umso mehr Facetten gewinnt sie. Der Fassade, die von Ferne homogen wirkt, ist ein Mauerwerk aus handgeschlagenen Klinkern vorgeblendet. „Aus jeder Hand kommt etwas anderes. Für mich ist diese Wand auch eine Metapher für die Gemeinde“, so Michelangelo Zaffignani, der ab dem Wettbewerb die gesamte Ausführung übernahm. „Üblicherweise will man alles perfekt haben, perfekt ist aber nur der Schöpfer.“ Jeder Ziegel symbolisiert in seiner Einmaligkeit einen Gläubigen – jeder ein Baustein des lebendigen Haus Gottes. Die Ziegel sind mit weißem Lehm geschlämmt, durch den der ockerfarbene Ton durchschimmert. Das wirkt sehr fein. „Wir wollten respektvoll mit dem Opfergeld der Gläubigen umgehen. Diese Kirche ist eine Investition für die Ewigkeit“, so Zaffignani. Der vordergründig schlichte, unaufgeregt zeitlose Bau ist achtsam geplant. „Auch einfache Materialien wie Ziegel altern gut. Je mehr Generationen hier Gottesdienst feiern, umso schöner wird die Kirche.“

„Wir gingen sehr respektvoll mit den Opfergeldern der Gläubigen um.
Materialien wie Ziegel altern gut.
Diese Kirche ist für Generationen gemacht. Je mehr
Generationen hier Gottesdienst feiern, umso schöner wird sie.“

Michelangelo Zaffignani
Architekt

Das Foyer verläuft zwischen den zwei haushohen, breiten Glasschlitzen, in denen sich der Himmel spiegelt. Die großen Fenster in ihren Metallrahmen waren eine Herausforderung für die Statik. Das Foyer – als sozialer Treffpunkt vor und nach der Messe – mündet auf beiden Seiten in Tageslicht und Ausblick. Der Kirchensaal bildet ein eigenes Volumen von 8,40 x 11,45 x 6,3 Meter: Eine weiche Schatulle, deren Wände mit weiß lasiertem Birkenholz verkleidet sind. Die Bänke sind aus weiß lasierter Esche mit Fächern für Liederbücher, der Altar ist Esche Natur. Dasselbe Holz wie die Bänke der Gemeinde, nur naturbelassen –
daher wird er mit der Zeit fast goldig schimmern. Das Holz ist sehr empfindlich: Es fordert Achtsamkeit und zeigt, wie die Gemeinde mit ihrer Kirche umgeht. Der wahre Zauber des Saales aber liegt im Licht. Zwischen den Holzrahmen, die das Dach tragen und die Last seitlich ableiten, fällt Oberlicht auf den Altar. Es zeichnet auch die Kanten der seitlichen Träger nach und taucht den Altarbereich in Helligkeit. Das natürliche Licht verändert sich zu jeder Jahres- und Tageszeit. Es wirkt dadurch sehr lebendig. Zu ebener Erde fasst der Saal etwa 80 Menschen, weitere 30 finden auf der Empore Platz. Sie haben den besten Blick. Auch die Akustik ist sehr gut. Wenn der Chor singt, schwingt der Raum in freudiger Erhabenheit.

Um diese nicht zu stören, gibt es in jeder Neuapostolischen Kirche ein Mütterzimmer: Dort können Mütter mit ihren Kindern die Zeit des Gottesdienstes verbringen. Michelangelo Zaffignani hat diesen Raum sehr schön gestaltet – er liegt an einem haushohen Lichtschlitz mit Ausblick und ist über ein Sichtfenster mit Lamellen an den Altarbereich angebunden. Mütter und Kinder sitzen also nah am heiligen Geschehen.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Neuapostolische Kirche, Bregenz

Bauherr Neuapostolische Kirche

Architekten Michelangelo Zaffignani, Weiler, www.zaffignani.at

Statik gbd ZT, Dornbirn, www.gbd.group

Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Stefan Ammann, Bregenz; Elektro und Licht: Andreas Hecht, Rankweil; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn

Planung 2017–2020

Ausführung 2018–2020

Grundstücksgröße 1006 m2

Nutzfläche 515 m2

Bauweise Massivbau; Außenwand, Mauerwerk zweischalig; Foliendach bituminös
Ausführung Baumeister: Dobler, Röthis; Innenausbau
Kirchensaal: Plattner, Hohenems; Dach: Rusch, Lauterach;
Tischler: Lenz-Nenning, Dornbirn; Kirchenbänke: Schneider, Ludesch; Heizung, Sanitär: Markus Stolz, Bregenz; Elektro, Gebäudetechnik: Pircher, Bregenz; Landschaftsbau: Wilhelm&Mayer, Götzis

Baukosten 2 Mill. Euro