Vom Baum zum Haus
Im Wald wächst der Baum – aus dem Baum wird Holz – aus dem Holz entsteht
das Haus. Die „Woodpassage“, eine Holzskulptur für den Außenraum,
trägt diesen einfachen Gedanken als verspielte Form in die Zentren Europas,
wo Bauen mit ökologischen Rohstoffen wie Holz zukünftig
hoffentlich eine größere Rolle spielen wird. ist.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Darko Todorovic, Mark Lins, Kurt Hoerbst, Alex Schmidt
In Linz, München, Innsbruck, Augsburg und Götzis war die Woodpassage dieses Jahr schon zu Gast – als Teil von Fußgängerzonen, Akzent im öffentlichen Raum. Wien und Basel folgen als Fixstationen im kommenden Jahr. Sie vermittelt als einfaches Zeichen in vierzig Stufen die Transformation von einer Tanne zu einem Haus. Scheibe für Scheibe und herausgeschnitten wie aus großen Holzblöcken stellt das Feldkircher Atelier Andrea Gassner diese Umformung von einem Rohstoff in eine Form, und gedanklich vorweggenommen, zu einem Haus dar. „Im Durchschreiten der feierlich beleuchteten Passage dient sie als Artikulation für die ökologischen Vorzüge konstruktiver Holznutzung“, sagt die Gestalterin dazu, die das Konzept mit ihrem Team erdacht und die Planungsdetails zusammen mit Architekt und Holzbauexperte Hermann Kaufmann und Maren Kohaus, beide involviert über die Technische Universität München, entwickelt hat. Auftraggeber waren proholz Austria, pro Holz Bayern und Lignum Schweiz. Andrea Gassner ist wie ihr Vater Reinhard Gassner keine Unbekannte in der Architekturbranche. Über zahlreiche Publikationen und Kooperationen begleiten die beiden seit vielen Jahren engagierte Architekt(inn)en und ausführende Betriebe, wenn es um die Vermittlung ihrer Arbeit in Wort und Bild geht. Viele Projekte und tiefe Freundschaften zeugen von guter Partnerschaft und gemeinsamen Idealen.
Kein Plakat, kein Buch, keine Ausstellung – die Woodpassage inszeniert eine Botschaft im öffentlichen Raum. „Bei diesem Auftrag ging es um die Kommunikation von Themen im allgemeinen öffentlichen Interesse. Holzbau ist keine Privatsache, vielmehr ein Gebot der Stunde. Es geht weder um ein freies Kunstprojekt noch um eine Werbekampagne. Die Aufgabenstellung der Holzverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz war es, Fragen von Wald, Baum, Holz und Holzbau im öffentlichen Raum zu thematisieren“, konkretisiert Andrea Gassner. „Ein bisschen ist die Woodpassage wie eine Kampagne für den Wald, für den Werkstoff Holz, für den Klimaschutz.“ Dabei zeigt das Projekt das Thema als Realform, als Bauwerk. Die Silhouetten sind aus gehobelten Fichtenrippen, 6/24, mit Zapfenverbindungen und verdeckten Winkelblechen gefügt. Die Lichtführung zwischen den Lamellen im Inneren der einzelnen Torbögen spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die Aussteifung der einzelnen Tore, mit 4,32 m Breite, 4,32 m Höhe und 1,26 m Tiefe, erfolgt über einen Stahlrahmen im Dachbereich, der sowohl die Entwässerungsrinne als auch das Auflager für das Plexiglas bildet. Durch die beiden Holzschwellen am Boden, die alle vier Tore auf einer Länge von 8,65 m miteinander verbinden, werden die Windlasten aufgenommen. Für den Bau dieser vier Tore wurden ca. 13 Kubikmeter Holz gebraucht. Ein Plädoyer für Holzbau als Holzbau.
„Bei Design geht es heute um weit mehr
als nur zweidimensionale Elemente.
Man muss ein Erlebnis schaffen,
etwas Sinnliches machen.“
Andrea Gassner
Designerin
Die Woodpassage ist Träger zahlreicher Botschaften, die – ja – auch Werbebotschaften der Holzindustrie sind, darüber hinaus aber auch gesellschaftsrelevante Aussagen enthalten, und sich so auf angenehme Weise von banalen Verkaufsargumenten unterscheiden. „Holz ist verfügbar und eine Chance zur Ressourcenwende“ ist eine solche. Hinter jedem griffigen Argument bietet die Woodpassage noch mehr Information, mehr Tiefe – durch Texte, Kontakte, aber auch durch Veranstaltungen, die die Installation begleiten. Es ist kein Geheimnis und eben nicht nur Werbebotschaft, dass der Bausektor der größte Treiber des Klimawandels ist und die Art, wie wir in Zukunft bauen, vor allem aber wie viel wir bauen und wozu wesentlichen Anteil haben wird an einer dringend notwendigen Wende im Umgang mit Ressourcen. Dazu braucht es kluge Konsument(inn)en. Menschen, die durch ihre Entscheidungen in der Lage sind, den Markt zu beeinflussen und als souveräne Besteller(innen) auftreten. Denn Bauen mit Holz allein ist, wie mit jedem anderen Rohstoff auch, kein Allheilmittel. Während es in vielen Bereichen dringend einen qualitativen Ausbau baulicher Ressourcen braucht – das Thema Wohnen ist in vielen Ländern der Welt äußerst prekär – wird in den wachsenden Ökonomien der Welt schlichtweg zu viel und vor allem Unnützes gebaut. Eine gar nicht kleine Anzahl von Gebäuden dient mittlerweile nicht mehr Zwecken wie Wohnen, Arbeiten oder soziale Infrastruktur, sondern als Anlage und Investment. Dort aber, wo sich Zweck und Bewusstsein und Verantwortung treffen, ist das Bauen mit ökologischen Rohstoffen eine konsequente Fortschreibung all dessen, was der Hausverstand verlangt.
Mittlerweile wurde die Woodpassage ob ihrer Gestaltung, Ausführung und Medienwirksamkeit selbst mehrfach ausgezeichnet: vom Award Deutscher Designer Club 2019 zum Vorarlberger Holzbaupreis 2019 und dem IconicArchitecture Award 2019. Gute Gestaltung hat immer etwas mit Gefühl und Verstand zu tun – für Botschaft, Medium, Empfänger und für die feinen Zwischentöne. Eine schöne Wendung zum Jahresende mit Dank an alle, die Architektur in Bild und Wort und Aktion übersetzen.
Daten & Fakten
Objekt Woodpassage
Eigentümer/Bauherr Eine Initiative von proHolz Austria, proHolz Bayern und Lignum Schweiz
Architektur Konzept, Entwurf, Gestaltung: Atelier Andrea Gassner, www.atelierandrea-gassner.at; Planung: TU München, Hermann Kaufmann, Maren Kohaus, www.holz.ar.tum.de
Statik und Holzbau Fetz Holzbau, Bernhard Metzler, www.fetz-holzbau.at
Planung 2017/2018
Ausführung 1/2019
Größe vier Holztore in 4,32 m Breite, 4,32 m Höhe; gesamt 8,65 m Länge
Bauweise gehobelte Fichtenrippen, 6/24, mit zimmermannsmäßigen Zapfenverbindungen und verdeckten Winkelblechen gefügt. Aussteifung der einzelnen Tore, mit 4,32 m Breite, 4,32 m Höhe und 1,26 m Tiefe, erfolgt über einen Stahlrahmen im Dachbereich der sowohl die Entwässerungsrinne als auch das Auflager für das Plexi-glas bildet. Durch die beiden Holzschwellen am Boden, die alle vier Tore auf einer Länge von 8,65 m miteinander verbinden, werden die Windlasten aufgenommen.