Bäume säumen die Marktstraße, kleine Läden in den Erdgeschoßen laden zum Stöbern ein und hinter den hellen Fassaden der Dreigeschoßer wird gewohnt. Doch was sich heute selbstverständlich und natürlich gewachsen anfühlt, ist erst jüngeren Neuplanungen zu verdanken. Lange Zeit war hier ein Hauptdurchgangsort in Hohenems, Schwerverkehr und Personenwagen lärmten durch das Städtchen. Bis es wieder beschaulich wurde, dauerte es. Doch wie ist das gelungen?

 

Text: Katinka Corts | Fotos: Karin Nussbaumer

Die Hohenemser Marktstraße war in den 1990er-Jahren lediglich ein Durchgangsort, das benachbarte Dornbirn hatte der nahe gelegenen Stadt den Rang abgelaufen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Geschäftstreibenden war das fatal, denn je mehr Verkehr sich durch den Ort drängte – zu höchsten Zeiten bis zu 10.000 Fahrzeuge täglich, desto unattraktiver wurde die Gegend. „Alle, die konnten, haben sich von hier zurückgezogen“, erinnert sich Projektentwickler Markus Schadenbauer, der damals nach Hohenems zog. Zuvor hatte Hohenems über viele Jahrzehnte floriert, in der Marktstraße gab es zahlreiche Geschäfte.

Als 2009 die Stadtumfahrung fertiggestellt war, wurde es zwar ruhig in der Stadt, jedoch war der Schaden gemacht. „Man wollte sich hier nicht aufhalten, die Marktstraße galt nicht mehr als Wohnstraße“, so Schadenbauer. Von den Geschäften waren nur wenige geblieben, darunter ein Uhrenmacher und ein Optiker. Um den Abriss der Häuser und damit den Verlust der einstigen Ortsmitte zu vermeiden, stufte das Denkmalamt die Häuserzeilen im Ensemble als schutzwürdig ein. Doch mit diesem Bescheid war es nicht getan, denn es brauchte ein Konzept zur Sanierung und für einen Neubeginn. Die Stadt selbst hatte bereits verschiedene Ansätze versucht, doch erst eine private Initiative brachte den Neuanfang.

„Viele in der Marktstraße wollten ihr Haus verkaufen und ich dachte mir:
Hier kann man weiterdenken und muss es auch, wenn man den Ort revitalisieren und stärken will.“

Markus Schadenbauer
Projektentwickler

Markus Schadenbauer interessierte sich für die Geschichte des Ortes und entwickelte ein Konzept für die Revitalisierung der Straße, finanziert über zahlreiche Eigentümergemeinschaften. Die Häuser wollte er in Absprache mit dem Denkmalschutz qualitativ hochwertig sanieren und in die Erdgeschoße eigentümergeführte Ladenlokale einziehen lassen. Ziel war, hier Angebote erneut anzusiedeln und so gesund zu durchmischen, dass sie sich ergänzten statt konkurrenzierten. „Für uns stand fest, dass wir keine großen Handelsketten hier wollen – die Räumlichkeiten in den kleinen Häusern gaben das auch nicht her“, sagt Schadenbauer. „Wir unterstützten eine Buchhandlung bei der Gründung und suchten Händler und Handwerkerinnen, die ihr Geschäft mit Leidenschaft betreiben.“ Mit fortschreitender Entwicklung konnten sich zunehmend mehr für das Konzept begeistern. Mit der Neugestaltung der einzelnen schmalen Parzellen werden nicht nur die Häuser entlang der Straße saniert, zugleich entstehen offen zugängliche Höfe – zum Beispiel als Zugang zu Ateliers – und neue Hinterhäuser.

Kritisch mag man sehen, dass die Hoheit über die architektonische Vielfalt in der Marktstraße damit bei Markus Schadenbauer und den von ihm beauftragten Architekturbüros liegt. Ein Glücksfall für die Stadt jedoch ist, dass sie mit Schadenbauer einen umsichtigen Projektentwickler als Partner hat, der sich für Vielfalt und Inklusion einsetzt. Bislang hat er mit unterschiedlichen Architekturbüros Baueingaben für 36 Gebäude im Zentrum gemacht. Das die Sehnsucht nach regionalen Geschäftsmodellen und persönlichen Kontakten heute wieder viel stärker ist, hat Schadenbauer zum richtigen Zeitpunkt erkannt und in ein Projekt verwandelt. „Ich möchte das auch gern an andere Gemeinden weitergeben“, so Schadenbauer. „Viele Städte leben nur davon, dass die eine der anderen was wegnimmt. Die Hohenemser Innenstadt soll Handel und Handwerk ein Zuhause geben – in einer Verhältnismäßigkeit für den Ort.“ Man freue sich natürlich, wenn auch Leute von auswärts kämen, aber grundsätzlich sei das Konzept nach innen ausgerichtet.

Für den Betriebswirtschafter ist die Marktstraße ein Geschäftsmodell, das funktioniert. Er entwickelt Projekte und verkauft sie Inverstor(inn)en, behält dabei aber die Hoheit über die spätere Vermietung der Wohnungen und Geschäfte. So wird über die Straße hinweg ein ausgewogener Mietermix gewährleistet, der Vielfalt und eine gesunde Nachbarschaft ermöglicht. Auch wenn die konjunkturelle Situation gerade herausfordernd ist für die Geschäfte, geht es mit den Projekten Stück für Stück vorwärts. Schadenbauer ergänzt: „Es gibt nicht viele Ansätze in der Tiefe und Ausdauer, die für kleinere Ortskerne ein Rezept haben. Oft fehlt auch der Glaube daran, dass etwas ganz Neues funktionieren kann. Es ist noch nicht alles rosig, aber wir haben nun über mehrere Jahre bewiesen, dass es Potenzial hat.“

Daten und Fakten

Wiederbelebung Altstadt Hohenems, Marktstraße und Harrachgasse, Hohenems

Bauherrschaft: Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH; Markus Schadenbauer; Stadt Hohenems, Bürgermeister Dieter Egger

Architektur: Architekten Nägele Waibel, Bernardo Bader Architekten, Georg Bechter Architektur + Design, HEIN architekten, Imgang Architekten, ma.lo architectural office zusam­men mit DI Michael Egger

Begegnungszone: lohrer.hochrein, München; private Freiraumpla­nung: Stadtland, Hohenems

Fertigstellung:  Sommer 2022

Die Wiederbelebung der Altstadt Hohenems hat 2023 den renommierten Bauherr:innenpreis der ZV Zentralvereinigung der Architekt(inn)en Österreichs erhalten.