Im vergangenen Jahr plädierte der deutsche Stararchitekt Werner Sobek
bei den österreichischen Bautechtalks für seine Idee des recycelbaren Hauses.
Sobek gilt als Pionier des Urban Mining,
der recycelbaren Art des Bauens.

Rund 800 Milliarden Tonnen seien derzeit in Gebäuden verbaut. In Industrieländern seien dies 335 Tonnen pro Kopf – würden alle Erdbewohner im selben Standard leben, müsste man die Welt noch zweimal bauen, erklärt der Experte in einem Interview mit der „Presse“. Der enorme Materialverbrauch ist laut Sobek deshalb so problematisch, weil dadurch riesige Mengen Energie verbraucht werden, der CO2-Ausstoß steigt und die Menschheit bald schlicht nicht mehr genug Baumaterial hat. Beton ist das meist verbaute Material der Menschheit – mit einem erheblichen Nachteil: Die für die Herstellung benötigten Rohstoffe werden knapp. Sand gehört bereits heute zu einer umkämpften Ressource, Begriffe wie „Sand-Krieg“ oder „Sand-Mafia“ machen die Runde. Daher forscht die Professur Hebel am Karlsruher Institut für Technologie KIT nach Alternativen. Übrigens lässt sich Wüstensand nicht für die Herstellung von Beton verwenden, da er aus sphärischen, glatt geschliffenen Kügelchen besteht. Sein Credo lautet daher: „Build for more with less.“ Mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel konzipierte der Architekt die Unit Urban Mining & Recycling, in der der Kreislaufgedanke eine zentrale Rolle spielt. Partner der Unit ist übrigens die Zimmerei und Tischlerei Kaufmann aus Reuthe im Bregenzerwald.

Hochinteressantes Projekt

Die Unit Urban Mining & Recycling zeigt auf, wie ein verantwortlicher Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen mit einer ansprechenden Architektur kombiniert werden kann. Der Unit liegt die These zugrunde, dass alle zur Herstellung eines Gebäudes benötigten Ressourcen vollständig wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein müssen. Die verwendeten Materialien werden nicht verbraucht und dann entsorgt; sie sind vielmehr für eine bestimmte Zeit aus einem technischen bzw. natürlichen Kreislauf entnommen und werden später wieder in diese Kreisläufe zurückgeführt. Wiederverwendung und Wiederverwertung spielen hierbei eine ebenso große Rolle wie Recycling und Upcycling (sowohl auf systemischer wie auf molekularer bzw. biologischer Ebene, z. B. durch Einschmelzen oder Kompostierung). Die Unit Urban Mining & Recycling ist so zur gleichen Zeit temporäres Materiallager und Materiallabor.

Der Unit liegen folgende Ansätze zugrunde:

• temporäres Entnehmen bzw. Entleihen statt permanentes Erwerben und Entsorgen
• maximale Modularisierung und Vorfertigung
• sortenreine Entnehmbarkeit aller Materialien und Produkte

Die Tragkonstruktion besteht aus Holz – ein Primärmaterial, das (solange es richtig eingesetzt wird) ohne Abwertung wiedergewonnen und -verwertet werden kann. Die Innovation liegt in den Verbindungen und einem materialgerechten Einsatz: Die Knoten des auf Zug und Druck beanspruchten Systems werden reversibel verbunden. Auf Klebeverbindungen wird zugunsten von Steck- und Schraubverbindungen verzichtet. Konstruktiver Holzschutz ersetzt die sonst üblichen Beschichtungen, durch die eine sortenreine Wiederverwertung bzw. eine rein biologische Entsorgung nicht mehr möglich wäre. Die entstehende Unit besteht aus selbsttragenden Modulen, die bei Bedarf auch „im laufenden Betrieb“ ausgewechselt werden können. Das erlaubt eine Um- und Nachrüstung in der Werkstatt, eine wichtige Voraussetzung für eine 100-prozentige Weiternutzung der enthaltenen Materialien oder Produkte. In der Regel wird während der Projektlaufzeit aber ein Auswechseln der Wand- und Deckenpaneele ausreichend sein, um die beabsichtigten Tests von Materialien durchführen zu können.

Kompostierung als Lösung

Aus den Materialressourcen Abfall, Urban Mining und Cultivated Materials werden wieder Gebäude. Hochinteressant ist die Forschung im Bereich kultivierter Materialien. Die Forscher sind überzeugt: Das Myzelium gewisser Pilzsorten lässt sich in Kombination mit organischen Abfallstoffen (z. B. Sägespäne oder Agrarabfälle) in druckfeste Baustoffe „verweben“. Die physikalischen Eigenschaften des Baumaterials lassen sich bei diesem Prozess lokal steuern. Dieser druckfeste und natürliche Baustoff kann in frei formbaren Formen wachsen. Man darf gespannt sein, welche Ideen der Unit in der Praxis künftig angewendet werden können. Die sieben für das Forschungsprojekt NEST von Kaufmann Holzbau produzierten Holzmodule werden bewohnt und nach der Nutzungsdauer von fünf Jahren zerlegt und wiederverwendet. Die Module wurden mit Holzböden, Wänden, Fenstern und den gesamten Elektro- und Sanitärinstallationen in Reuthe schlüsselfertig vorgefertigt. Die Konstruktion sowie große Teile der Fassade bestehen aus unbehandeltem Fichtenholz.

Mehr über die Innovationsprojekte auf: http://nest-umar.net/