Zeitgemäßes Wohnen und Arbeiten in einem denkmalgeschützten und einfühlsam adaptierten städtischen Stadl.

Autorin: Julia Ess | Fotos: Darko Todorovic, Nussbaumer Photography

Welches Potenzial in leerstehenden Objekten schlummert und es zu nutzen gilt, zeigt das wieder zum Leben erweckte „Oeconomiegebäude“ des ehemaligen Hotel Weiss in Dornbirn mustergültig auf. Zeitgemäßes Wohnen und Arbeiten finden dabei Einzug in dem denkmalgeschützten und einfühlsam adaptierten städtischen Stadl.

Westfassade Eine neu hinzugefügte Türöffnung erlaubt den direkten Zugang zum Garten, der noch eine ans Haus anschließende Holzterraße erhält.

Ende des 19. Jahrhunderts ließ der aus Südtirol stammende Weinhändler und Hotelier Josef Weiss für seine Familie eine Villa gegenüber dem Bahnhof errichten. Im Erdgeschoß betrieb er eine Weinstube und ein Café. Mit der Vermietung von Zimmern im Obergeschoß entstand das „Hotel Weiss“. Am östlichen Ende des langgezogenen Grundstücks folgte der Bau eines zunächst eingeschoßigen Weinkellers, der später um ein reich geschmücktes Fachwerk-Obergeschoß erweitert wurde. 1889 errichtete man schließlich das „Oeconomiegebäude“ mit Wagenremise, Pferdestall und Heulager. Zentral im Dornbirner Bahnhofsquartier gelegen, stand das Wirtschaftsgebäude jahrzehntelang leer. 1997 wurde es gemeinsam mit dem ehemaligen Hotel Weiss und seiner Weinkellerei als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt und dadurch vor dem drohenden Abriss bewahrt. Es gab mehrere Anläufe für Umnutzungsprojekte, von denen aber keines realisiert wurde. Die junge Architektin Julia Kick hat sich nun des Objektes angenommen und das ehemalige „Oeconomiegebäude“ behutsam und intelligent für zeitgemäßes Wohnen und Arbeiten revitalisiert. Bei der Adaptierung stand ein respektvoller Umgang mit dem Bestand im Vordergrund. Regelmäßiger und konstruktiver Kontakt mit dem Denkmalamt begleitete den Planungsprozess von Anfang an. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes musste erhalten bleiben, und die Patina des Fassadenschirms aus Holz konnte – wie gewünscht – belassen bleiben.

Der Mittelraum dient als Eingangsbereich und Verteiler. Außerdem besteht eine direkte Blickverbindung in das erste Obergeschoß.
„Leerstand hat unglaublich viel Potenzial für
eine bei uns maßstäblich sinnvolle Verdichtung.“

Julia Kick
Architektin und Bauherrin

An der Südostecke wurde die Fassade durch das Einfügen von Lichtschlitzen teilweise subtil aufgelöst. Die Holzlamellen der Rundbogenfenster konnten entfernt werden, sodass mehr Tageslicht in den Innenraum gelangt. Der Wandaufbau erfolgte innenseitig, dennoch ist die originale Tragstruktur auch innen weitestgehend sichtbar. Die ursprüngliche Struktur von Wagenremise, Tenne und Pferdestall blieben erhalten. Über eine große Eingangstür wird das Gebäude betreten. Das originale Holztor dient weiterhin als Laden für die komplett zu öffnende zweiflügelige Glastür.

Der Mittelraum – die Tenne – war ursprünglich bis oben hin offen. Heute dient dieser Raum als Eingangsbereich und Verteiler. Links gelangt man in die ehemalige Remise, in der sich nun das Büro der Architektin befindet. An der Stelle des früheren Einfahrtstores wurde ein Panoramafenster zum Vorplatz eingebaut. Der Sockel wurde ergänzt und fasst so den Raum. Rechts kommt man vom Mittelraum in den früheren Pferdestall, der heute als Garderobe und Zugang zum westseitig gelegenen Garten dient. Dort, wo sich früher der Futtertrog für die Pferde befand, führt heute eine Holztreppe zweiläufig in das erste Obergeschoß.

Das Büro in der ehemaligen Wagenremise. Die betonkernaktivierte Bodenplatte dient im Winter als Fußbodenheizung und im Sommer als kühle Masse.
Direkt unter dem offenen Dachstuhl gelegen, wirkt diese Ebene mit Schlafraum und Badezimmer sehr geborgen und gemütlich.

Im ersten Obergeschoß liegt eine offen gestaltete Wohnebene mit Küche, Wohnzimmer und Büro. Letzteres kann optional zu Kinderzimmern abgetrennt werden. Über dem Eingangsbereich befindet sich ein Podest, das einen erhöhten Sitzbereich in der Wohnlandschaft bildet. Nach Osten hin ist dem Wohnraum eine kleine Loggia vorgelagert, die sich zwischen Außenfassade und nach innen versetzter Glasfront „versteckt“. Durch den mit nur wenigen Lichtschlitzen geöffneten Fassadenschirm ist die Veranda blick- und wettergeschützt. Die Glasziegel, die ehemals auf dem gesamten Dach zur Belichtung des Dachgeschoßes verteilt waren, wurden an dieser Stelle wieder eingedeckt und geben zusätzliches Tageslicht. Es entsteht zwischen den beiden Ebenen ein sehr heimeliger und intimer Außensitzplatz. Eine filigrane, türkis lackierte Stahltreppe führt weiter in das Dachgeschoß hinauf. Zwei neue Dachfenster spenden viel Tageslicht. Direkt unter dem offenen Dachstuhl gelegen, wirkt diese Ebene mit Schlafraum und Badezimmer sehr geborgen und gemütlich.

Über dem Eingangsbereich befindet sich ein Podest, das einen erhöhten Sitzbereich in der Wohnlandschaft bildet. Durch die seitliche Verglasung bleibt die Sichtverbindung in das Erdgeschoß und auf den Vorplatz erhalten.
Architektin und Bauherrin Julia Kick im Gespräch.
Eine filigrane, türkis lackierte Stahltreppe führt zum Podest und weiter in das Dachgeschoß hinauf.
Direkt unter dem offenen Dachstuhl gelegen, wirkt diese Ebene mit Schlafraum und Badezimmer sehr geborgen und gemütlich.
Neben einer kleinen Nasszelle befindet sich im 1. Obergeschoß ein Homeoffice-Arbeitsplatz. Dieser Bereich kann optional zu Kinderzimmern abgetrennt werden.

Daten & Fakten

Objekt Oeconomiegebäude Josef Weiss, Dornbirn
Eigentümer/Bauherr Julia Kick, Philipp Nußbaumer
Architektur DI ZT Julia Kick, Dornbirn, www.juliakick.com
Statik Bmst. DI (FH) Martin Fetz, Lustenau
Ingenieure/Fachplaner Bauphysik: Gerhard Bohle, Dornbirn
Planung 1/2016–5/2016
Ausführung 5/2016–2/2017
Netto-Grundstücksfläche 407,7 m²
Bebaute Fläche 111 m²
Nettonutzfläche 200 m²
Brutto-Geschoßfläche 265,7 m²
Brutto-Rauminhalt 840,9 m³
Bauweise Innenwände EG: Mauerwerk/Fachwerk ausgemauert Bestand; Grundputz, Mineraldämmung, Kalkglätte
Außenwände OG Holzfassade Bestand, Luftschicht, Weichfaserplatte, Holzrost, dazwischen Zellulosedämmung, Fermacell Firepanel, Sperrholzplatte
Dach Strangfalz, Dachlattung, Hinterlüftungslattung, DWD, Weichfaser, Brandschutz-Vollschalung Holz, Sparren, dazwischen Zellulosedämmung, Dampfbremse, Traglattung, Sperrholz
Böden Dielenböden Bestand, Polsterhölzer, Rieselschutz, Rohschalung, Balken Bestand, dazwischen Zellulosedämmung, Dampfbremse, abgehängte Decke Sperrholzplatten
Ausführung Baumeister: Gebrüder Keckeis, Lustenau; Dachdecker/Spengler: Dachi – Stefan Hämmerle, Lustenau; Zimmerer: Mayer Holzbau, Götzis; Innenputz: Heinrich Hosp, Göfis; Heizung/Lüftung/Sanitär: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Elektro: Herbert Stroj, Lustenau; Fenster: i+R Fensterbau, Lauterach; u. a.
Energiekennwert ca. 43 kWh/m² im Jahr (HWB)