Ein Mehrparteienobjekt zur Miete in einem Ort mit rund 800 Einwohnern zu bauen
ist ein mutiger Schritt. Wie sich in Schnifis zeigt, findet er Zustimmung und weist in die Zukunft. Zwölf von insgesamt fünfzehn Wohnungen konnten an junge Schnifner(innen) – Singles, Paare, Familien – vergeben werden,
die die Möglichkeit im Ort zu bleiben und doch in den eigenen
vier Wänden zu leben sehr zu schätzen wissen.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel

Die erste Wohnanlage in der Gemeinde liegt im östlichen Randbereich des Siedlungskerns, auf halbem Weg zwischen Pfarrkirche und Badesee. Drei nach Süden sanft abfallende Grundstücke direkt an der Jagdbergstraße wurden zusammengelegt. Die Lücke, die sie in den beiden Reihen der bereits bestehenden Häuser bildeten, wird von zwei neu errichteten, traufständigen Baukörpern geschlossen, zwischen denen ein großzügiger, befestigter Platz zum Aufenthalt einlädt. Die Dreigliedrigkeit von früher klingt darin an. Mit seinen überdachten Sitzbänken zieht der Platz auch Passanten an, die den ungehinderten Blick nach Süden genießen oder sich für eine kleine Pause niederlassen.

Die Eingänge zu beiden Häusern liegen direkt an diesem Platz, leicht versetzt einander gegenüber, wie auch die Häuser leicht versetzt zueinander stehen. Haus zwei, das östlichere von beiden, ist näher an die Straße gerückt. Dadurch steht es in guter Distanz zu den Häusern in zweiter Reihe und bildet gleichzeitig, durch Verengung des Straßenraumes, eine entschleunigende Torsituation. Haus eins hält etwas mehr Abstand zur Straße, gerade genug für Besucherparkplätze.

„Es war uns wichtig einen offenen und einladenden Platz zu schaffen,
der Begegnung und Kommunikation zwischen Bewohnern und Gemeinde ermöglicht.“

Andreas Ströhle
Projektleitung,
Hermann Kaufmann Architekten

Alle Wohnungen sind nach Süden orientiert, ebenso die dazugehörigen Freiräume. Die Stiegenhäuser und die Kellerräume, von denen wegen der Hanglage auch einige im Erdgeschoß zu finden sind, schirmen die Wohnungen zur Straße im Norden ab. Zu den Gartenwohnungen gehören Terrassen, alle anderen Wohnungen haben eine eingeschnittene Loggia. Deren Brüstungen sind hier (aber leider nicht überall) mit einem gefalzten Blech vor Witterung geschützt, aber mit einem schmalen hölzernen Handlauf bekrönt, so dass man sich an sonnigen Tagen nicht die Hände verbrennt.

Das Gelände steigt nicht nur nach Norden, sondern auch mit dem Straßenverlauf nach Osten an. Dadurch konnte die Zufahrt zur Garage im durchgehenden Tiefgeschoß unter dem Westgiebel von Haus eins positioniert werden und vom Straßenniveau ausgehen, während beim zweiten Haus bereits das Erdgeschoß teilweise im Erdreich steckt. Die beiden Häuser sind nicht nur seitlich, sondern auch in der Höhe leicht versetzt und bilden das natürliche Gelände ab, ohne an Souveränität zu verlieren. Drei kleine Einfamilienhäuser mit drei separaten Zugangssituationen hätten hier nur mühsam eine so stabil wirkende Position einnehmen können, und den befestigten Platz will man sich schon gar nicht mehr wegdenken.

Hinter den homogenen Fassaden aus Fichtenholzbrettern verbirgt sich eine Hybridkonstruktion, ihre Struktur aus Stahlbetonstützen und -decken wird von Holzelementwänden gefasst. Die Horizontale wird durch eingelegte Blechstreifen auf Höhe der Fenstersimse betont, die Vertikale durch die drei verschiedenen Breiten der Fichtenbretter und das schwarze Windpapier hinter dem offenen Schirm, das die Fugen untermalt.

Holz bestimmt auch die Atmosphäre im Inneren. Alle Einbauten und Wände in den Stiegenhäusern sind mit Rotbuche verkleidet. Bis hinab in das Tiefgeschoß. Selbst in dem Haus, wo es gar keine Gartenwohnung im Tiefgeschoß gibt. Eine schöne Willkommensgeste für die Benutzer(innen) der Dauerstellplätze (Fahrräder und Autos), an jedem Tag aufs Neue.
Ein 100 Meter tiefes Sondenfeld versorgt die Häuser für die nächsten 50 Jahre sicher mit Erdwärme. Solaranlagen auf den Dächern liefern weitere Energie und dank guter Ausrichtung und Mineralwolldämmung erfüllen die Häuser den Niedrigenergiestandard. Sie haben zwei unabhängig voneinander funktionierende Haustechnikanlagen, um Energieverluste auf langen Leitungen zu vermeiden.
Die Hausgemeinschaft inkludiert natürlich beide Gebäude und scheint gut zu funktionieren, das Gemeindeblatt berichtet darüber. Auch Nachwuchs gibt es schon. Der Kinderspielplatz unter dem Baum musste nicht lange warten.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Jagdbergstraße Schnifis
Bauherr Wohnbauselbsthilfe Vorarlberg
Architektur Hermann Kaufmann Architekten, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik amiko-bauconsult, Bludenz, www.amiko.at
Fachplanung Projektleitung hk: Andreas Ströhle; Heizung, Lüftung, Sanitär: E-Plus, Egg; Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Entwässerung: Rudhardt+Gasser ZT, Bregenz; Bodenmechanik: 3P, Bregenz; Elektro: ISM, Altach
Fertigstellung 2019
Geschoßfläche brutto: 2243 m²
Bauweise Massives Sockelgeschoß (Beton), obere Stockwerke Hybridkonstruktion (Stahlbetonstützen und -decken),
Holzelementwände; Heizung
Ausführung Generalunternehmen: Tomaselli Gabriel Bau, Nüziders
Energieausweis 29,2 –34 kWh/m² im Jahr