Die Räume des ehemaligen Fotostudios Hiller in Bezau werden heute als Architekturbüro genutzt. Die Architekten Markus Innauer und Sven Matt haben dort seit einigen Jahren ihre Bleibe und hüten ein zweifaches Erbe. Den kulturell und sozial bedeutsamen Ort des ehemaligen Fotoateliers und eine der ersten Wirkungsstätten des Architekten und Vorreiters des Vorarlberger Holzbaus Leopold Kaufmann, der in den 1960er-Jahren hier die Räume des Fotostudios gestaltete.

Text: Verena Konrad | Fotos: Adolf Bereuter

Noch bis April nächsten Jahres läuft im vorarlberg museum die Ausstellung „Hiller. Das fotografische Gedächtnis des Bregenzerwalds“. Vielleicht waren Sie schon dort oder haben Sie schon davon gehört. Sie dokumentiert das Schaffen der Fotografenfamilie Hiller aus dem Bregenzerwald, deren Archiv nun im vorarlberg museum als Ausstellung gezeigt wird und einzigartige Einblicke in die Geschichte des Bregenzerwaldes, aber auch der frühen fotografischen Bildpraxis gewährt. Mein erster Kontakt zu diesem Thema kommt von ganz anderer Stelle, aus der Architektur. Seit einigen Jahren haben hier Markus Innauer und Sven Matt ihr Büro eingerichtet.

Einst war das Gebäude landwirtschaftlich genutzt. Die Kombination von Wohnen und Arbeiten hat am Land eine lange Tradition. Johann Kaspar Hiller war der erste Fotograf des Bregenzerwaldes und verrichtete von hier aus seine Arbeit. Seine Tochter Hedwig übernahm später das Geschäft, als erste gewerbliche Fotografin Vorarlbergs, und ließ sich vom jungen Bezauer Architekten Leopold Kaufmann ein Fotoatelier gestalten. Es muss damals eine kleine Sensation gewesen sein: ein durch und durch moderner Bau, hell, luftig, konstruktiv spannend und sparsam zugleich. Feinste Vorarlberger Architektur in einer frühen Prägung. Kaum ein Wälder oder eine Wälderin, die hier nicht schon einmal ein- und ausgegangen ist, um sich ablichten zu lassen. Der Ort, an dem Erinnerungen festgehalten werden, Anlässe wie Erstkommunion, Hochzeit oder Familienfeiern, ist selbst zu einem Ort geworden, der den Menschen in Erinnerung geblieben ist. Umso neugieriger war man in Bezau auch, als das junge Architekturbüro Innauer Matt vor einigen Jahren hier einzog.

„Die Auflage, das Fotoatelier original zu erhalten, haben wir mit Freude und aus Überzeugung
angenommen.

Markus Innauer, Sven Matt
Innauer Matt Architekten

„Für uns war das ein Glücksfall. Der Raum hatte alles, was wir wollten, und noch mehr“, erzählt Sven Matt. Dazwischen, zwischen der Auflösung des Fotoladens und der neuen Nutzung, lagen gut 20 Jahre. Die Bedeutung der architektonischen Arbeit war den Vermietern bewusst. „Die Auflage, nichts verändern zu dürfen, haben wir mit Freude und aus Überzeugung angenommen.“ Doch nicht nur die Nachnutzung des Ateliers, sondern auch der Wohntrakt wurde zum Thema. Langer Leerstand ist für die Substanz immer problematisch. So musste das Gebäude 2021 dennoch umgebaut und saniert werden, um erhalten bleiben zu können. Zu diesem Zweck wurde eine eigene Baugruppe gegründet, bestehend aus Musiker und Hiller-Nachfahre Rudolf Berchtel und den beiden Architekten mit Familien. Der originale Erhalt des Fotostudios stand dabei an erster Stelle.

Das Vorderhaus war nicht mehr zu retten. Ein Ersatzneubau, nahe am vormaligen Bestand, wurde errichtet, sodass sich für das Dorf kaum eine Veränderung zeigt. Auch heute ist die typische Gliederung des Bregenzerwälderhauses mit Vorderhaus, Tenne und Hinterhaus präsent. Drei Wohnungen und ein Architekturbüro sind heute unter dem gemeinsamen Dach untergebracht. Im Vorderhaus wird gewohnt, ein Zwischenbereich, von außen gut ablesbar, wirkt wie eine Klammer und beinhaltet ein Stiegenhaus. Das Dach über dem historischen Bestand des Studios wurde ausgebaut.

Wie schon bei vielen Bauten von Innauer Matt ist der Bezug zur traditionellen Baukultur leicht erkennbar: er liegt im Verständnis des Materials, der Bauweise, der kulturellen Prägung. Diese traditionelle Baukultur zeitgemäß fortzuführen, ist eine Aufgabe, die Innauer Matt als Architekturbüro mittlerweile unverwechselbar löst. Dafür braucht es auch Unterstützung und Inspiration von außen. Wer vom Bregenzerwald aus Architektur für Europa machen möchte, muss wachsen können und Platz haben für die kreative und technische Arbeit, vor allem aber auch für eine gute Arbeitskultur, die Mitarbeiter(innen) anzieht. Ich stelle mir vor, wie sich Hedwig Hiller und Leopold Kaufmann über die Fortsetzung ihres Erbes gefreut hätten. Nicht nur die Bausubstanz, sondern auch viel von dieser Haltung ist erhalten geblieben: die Sparsamkeit, das Maßhalten, die natürlichen Materialien, aber auch die coolen Gesten, die Unbekümmertheit und die gekonnten Handgriffe.

Daten und Fakten

Objekt: Kriechere 70, Bezau

Bauherr: Baugruppe Berchtel-Innauer-Matt; Örtliche Bauaufsicht: Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Bezau

Architektur: Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Bezau

Projektleitung: Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Bezau

Fachplanung: Tragwerksplanung: Merz Kley Partner ZT GmbH, Geotechnik: 3P Geotechnik ZT GmbH, Bauphysik: Günter Meusburger GmbH, Vermessungswesen: Ender Vernessung ZT GmbH, u. a.

Ausführende: Abbrucharbeiten: Rohner Emil GmbH, Wolfurt; Baumeisterarbeiten: WälderbauGmbH, Schwarzenberg; Heizung-Sanitär: Fink Martin GmbH, Bezau; Elektroinstallationen: Jürgen Albrecht GmbH, Hirschau; Fenster und Portale: Schwarzmann Fenster GmbH, Schoppernau; Schlosser: Figer Kunstschmiede, Bezau; Möbel: Tischlerei Rüscher GmbH, Schnepfau; u. v. a.

Planung: 08/2014–03/2022

Ausführung: 07/2021–03/2022

Energiekennwert: Heizwärmebedarf ca. 37 kWh/m2a