Zentrumsbau der Extraklasse
Das neue „Posthus“ gibt der Bregenzerwälder Gemeinde Egg eine neue Mitte und Identität – zwischen Tradition, Nachhaltigkeit und neuem Gemeinschaftsgefühl. Multifunktionale Nutzung, moderne Infrastruktur und ein lebendiger Dorfplatz bereichern das Gemeindeleben.
Text Verena Konrad· Fotos Gustav Willeit

Die Marktgemeinde Egg liegt im Herzen des Bregenzerwaldes und ist mit rund 3700 Einwohner(inne)n die größte Gemeinde der Region. Sie gilt als wirtschaftliches Zentrum des Tals – getragen von Handwerk, Gewerbe, Landwirtschaft, Bildung und Tourismus. Die Menschen hier leben in enger Verbindung mit der Landschaft und pflegen eine Kultur, in der Tradition und aktuelle Zeitgenossenschaft selbstverständlich zueinander finden. Der markante Neubau im Zentrum von Egg möchte diese Qualitäten sichtbar machen. Lange war der Ortskern von Asphalt, viel zu großer Weite und noch mehr Autos geprägt. Nun bringt ein neuer, markanter Baukörper Struktur, Maß und Leben zurück: Ein kompaktes Gebäude mit Walmdach, das als architektonischer Fixpunkt den Mittelpunkt des Dorfes neu definiert.

Entworfen wurde das Projekt vom mehrfach preisgekrönten Architekturbüro Ludescher + Lutz aus Bregenz, das weit über Vorarlberg hinaus bekannt ist. Seine Arbeit steht für eine klare Verbindung von Landschaft, Kultur und Handwerk. Die Architekten sehen jedes Gebäude als Teil seiner Umgebung – nicht als Fremdkörper, sondern als Weiterentwicklung bestehender Strukturen. Der punktförmige Holzhybridbau mit fünf Geschoßen bildet einen deutlichen Bezugspunkt zwischen Kirche und Gemeindeamt. Trotz seiner Höhe fügt er sich – auf jeden Fall beim zweiten oder dritten Hinsehen – harmonisch in das Ortsbild ein, da die Kirche weiterhin das Ensemble überragt. Durch die Position des Baukörpers wird die Kirche sogar stärker in den Platz eingebunden. Durch die Lage entlang der Landesstraße L 200 und das angehobene Platzniveau wurde der Bereich rund um die zentrale Kreuzung städtebaulich neu geordnet. Eine Wohltat für das öffentliche Leben. Das alte Gemeindeamt ist nun barrierefrei erreichbar; beide Gebäude stehen auf Augenhöhe – auch im übertragenen Sinn.


„Die gute Zusammenarbeit der Loco 597 Investment GmbH mit der Gemeinde war Grundlage für mutige Entscheidungen und einen gemeinsam getragenen, hohen Qualitätsanspruch.“
Elmar Ludescher
Architekt Ludescher+Lutz Architekten
Der neue Dorfplatz ist autofrei, mit Bäumen bepflanzt und mit einem Kunstwerk gestaltet. Er bietet Raum für Märkte, Feste und Konzerte und wird zum Treffpunkt der Gemeinde. Das Kleinsteinpflaster und die schlichte, klare Gestaltung schaffen ein einladendes Ambiente. Im Winter etwas weniger sichtbar hat sich die Gemeinde in diesem Jahr bereits an der äußerst gelungene Freiraumgestaltung erfreut, gestaltet vom Planungsbüro Sturn. Im Inneren des Gebäudes organisiert ein zentraler Erschließungskern alle Ebenen – von der Tiefgarage bis unters Dach. Die mittleren Etagen sind stützenfrei und flexibel nutzbar, ideal für Büros oder Gemeinschaftsflächen. Im Dachgeschoß entstanden vier Wohnungen, die durch ihre Belichtung und Raumhöhe einen besonderen Charakter besitzen.

Die kompakte Bauform ermöglicht kurze Wege und schafft rund um das Haus neue Gassen und Fußwege. Große Fenster im Erdgeschoß öffnen sich zum Straßenraum und bringen Licht und Transparenz. Fußgänger haben Vorrang, Autos bleiben außen vor. Die Fassade spiegelt die Balance zwischen moderner Bauweise und regionaler Tradition wider: Ein dunkles Eternitdach, Tannenschindeln an den Wänden, Fensterrahmen aus unbehandelter Tanne und verzinkte Blechdetails am Sockel bilden eine zeitlose Einheit aus Handwerk und Architektur. Eine überdachte Dachterrasse beim Oberlicht des Stiegenhauses bietet einen geschützten Außenraum mit Blick auf das Geschehen unten. Die charakteristische Fledermausgaube betont die Mitte des Hauses und verleiht ihm eine unverwechselbare Silhouette.


Im Inneren beeindruckt das großzügige Stiegenhaus: Gespachtelter Ortbeton, feine Stahlgeländer und warme Holznischen bilden ein Spiel aus Härte und Wärme. Vermutlich das schönste Stiegenhaus Vorarlbergs, jedenfalls des Bregenzerwaldes. Stiegensteigen wird in diesem Stiegenhaus zum Hochgenuss. Am Höhepunkt öffnet sich ein kreisrundes Oberlicht in 27 Meter Höhe über dem Boden und lässt Tageslicht spiralförmig durch das Treppenauge fallen – ein fast monumentales Erlebnis und eine handwerklich großartig umgesetzte Geste. Ganz oben, unter einem hölzernen Konus, liegt ein Besprechungsraum, der allen Mieterinnen und Mietern offensteht – ein konzentrierter Ort über den Dächern mit schönsten Ausblicken in die umliegende Dorflandschaft. Gelungen ist auch der Mix der Nutzungen: von der öffentlich nutzbaren Garage, die den Verkehrsraum wesentlich beruhigt, dem hervorragend unaufdringlich gestaltetem Vor- und Dorfplatz, Gastronomie in Form von „Sarah kocht“ und „Suzi’s Eiscafé“, Ärzt(inn)en, Büros und Wohnungen – so geht Zentrum!

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at
„posthus“ Egg
Standort: Loco 597, 6863 Egg
Bauherr: Loco 597 Investment GmbH
Architektur: Ludescher + Lutz Architekten
Generalunternehmer: planDREI, Rupert Hammerer
Platzgestaltung: Landschaftsarchitektur Frau Sturn
Nutzfläche: ca. 1200 m²
Realisierung: 2022 bis 2024
