Ehrliche, natürliche Oberflächen und viel Licht prägen den Dachgeschoßumbau, den die Architekten Paul Gröfler und Much Schwarz des Wiener Zeichenbüros OEOOO in Feldkirch realisiert haben. Viel Liebe zu Bestand und Detail ist im Haus Schatzmann in der zweigeschoßigen Familienwohnung zu finden. Die zukünftigen Bewohner(innen) und die Architekten haben hier merklich an einem Strang gezogen und das Wohnhaus mit präzise gesetzten Eingriffen um eine neue Zeitschicht ergänzt.

Text: Katinka Corts | Fotos: David Schreyer

An der Reichsstraße in Feldkirch erzählen zahlreiche Großbauten jenen die Geschichte des Ortes, die genauer hinsehen wollen. Die Wohnhäuser sind größer als normalerweise, waren in ihnen früher doch auch Produktionen, Werkstätten und Firmen untergebracht. Darüber wohnten die Besitzerfamilien, nochmals darüber Angestellte und Bedienstete. Das Haus Schatzmann war damals schon eine Institution, denn hier wurde Naschwerk hergestellt. „Bei euch konnten wir als Kinder Zuckerbruch holen, ich kenne euer Haus“, wird Bauherrin Hanna heute noch von älteren Menschen angesprochen. Als die Geschäftsräume des Gebäudes nicht mehr gebraucht wurden, entschied sich die Familie gegen den Verkauf des Hauses an große Bauträger und stattdessen für das Mehrgenerationenwohnen. Das Erdgeschoß übernahmen Hannas Eltern Tibor und Mary und ließen es von Architekt Martin Häusle umgestalten. Vom Dach bis zum Keller und wieder zurück – bereits die Großeltern und Urgroßeltern schauten stets, dass das Haus in Ordnung blieb, richteten die Etagen jeweils her. So sind die Bewohner(innen) des Hauses, das Anfang der 1950er-Jahre gebaut wurde, immer mit der Zeit gegangen.

Die jüngste Generation, die heute hier lebt, ist gerade mal drei, fünf und sieben Jahre alt. Ihre Mutter Hanna wuchs bereits in jenen Räumen auf, die sie nun mit ihren Kindern und ihrem Mann Elias bewohnt. Gemeinsam mit den befreundeten Architekten von OEOOO hatten sie vor einigen Jahren Pläne geschmiedet, wie das Elternhaus umgebaut werden könnte. „Ich dachte zunächst, dass wir sicher viele Sitzungen brauchen, um einen Entwurf zu finden“, erinnert sich Hanna. „Als dann aber Paul und Much mit dem ersten Modell vor uns standen, haben wir es genau so haben wollen.“ Offen, hell und großzügig – die zweigeschoßige Wohnung ist abzüglich der Dachschrägen knapp 130 m2 groß. Früher wurde in der zweiten Etage bei niedriger Raumhöhe in Einzelräumen gewohnt, der abgeschlossene Dachboden diente als Lager. Die Architekten entnahmen einige der Zwischenwände, entfernten die trennende Decke zum Spitzboden und schufen damit das neue Herzstück der Wohnung: Den Essbereich in einem Luftraum von knapp sechs Metern Höhe.

„Als Paul und Much mit dem ersten Modell vor uns standen,
haben wir es genauso haben wollen.

Hanna
Bauherrin

Gegenüber befindet sich die Küche, in der die sonderangefertigten Eschenholzmöbel auffallen. Die Kochstelle ist zugleich ein großer Schrank voller Schubladen, ein Wunsch der Bauherrin: „So habe ich mir immer die Süßwarenfabrik vorgestellt, mit Schubladen voller Zuckerwerk“, schmunzelt Hanna. Überdeckt sind Schrank und auch Spültisch mit durchgehenden Platten aus Messingblech. „Der Metallbauer riet uns von dem empfindlichen Material ab, wir aber haben uns direkt in die ehrliche Optik verliebt, die altern darf“, erinnert sich das Paar. Auch wenn der alte Holzboden bestehen blieb, lassen sich auf ihm die Spuren der Hausgeschichte finden. „Hier war früher der Eingang … dort war bereits die Küche … hier stand eine Wand und jenes Fenster war viel kleiner …“ – Hanna und Elias wissen zu jeder Ecke und jedem Detail eine Geschichte zu erzählen. Im Parkett zeugen Versprünge im Muster und eingelassene Holzbretter von jenen Stellen, an denen früher Wände die Räume trennten.

Das Wohnzimmer ist zum ruhigen Garten orientiert, ein kleines Büro, zwei Kinderzimmer und ein Bad grenzen straßenseitig an Küche und Essraum an. Nach oben führt eine schmale Wendeltreppe zu Schlafraum, einem Duschbad und einem luftigen Dachraum. Hier schaut man durch ein großes, halbkreisförmiges Fenster in den Garten und auf die erneuerte Terrasse. „Wir wollten zusätzlich zum Treppenhaus auch im Außenraum eine Verbindung schaffen und die Bewohner(innen) miteinander verknüpfen“, erklärt Architekt Paul Gröfler. Von der Terrasse führt deshalb eine Wendeltreppe zum ersten Geschoß und bis hinab in den Garten. Sollte dereinst auch die Wohnung im ersten Obergeschoß von jemandem aus der Familie bewohnt werden, wäre das Thema Mehrgenerationenwohnen mehr als erfüllt. „Auch wenn wir natürlich sehr gerne wieder helfen bei einem Umbau“, so Paul im Gespräch, „interessant für das Gebäude wäre, wenn ein drittes Büro diesen Umbau übernimmt. Dann gäbe es neben Martin Häusles und unserer Interpretation von Wohnen noch eine dritte.“

Daten und Fakten

Objekt: Mehrgenerationenhaus Schatzmann, Feldkirch

Architektur: OEOOO Zeichenbüro, Wien, www.oeooo.at

Statik: DI Andreas Gaisberger, Dornbirn, www.zt-gaisberger.at

Fachplanung: Bauphysik: DI Günter Meusburger, Schwarzenberg; u. a.

Planung: 05/2019–11/2020

Ausführung: 11/2020–12/2021

Grundstück: 1200 m²

Nutzfläche: 130 m²

Bauweise: Sanierung und Umbau des Dachgeschoßes einer ehemaligen Süßwarenfabrik

Besonderheiten: Besonders Augenmerk auf den Einsatz natürlicher Materialien

Ausführende: Baumeister: Wilhelm & Mayer, Götzis; Zimmerer: Mayer, Götzis; Fenster: Eisele, Feldkirch; Böden: Stern, Dornbirn und Dietmar Heidegger, Hohenems; Heizung/Lüftung: Dorfinstallateur, Feldkirch; Elektro: Innovativ, Schwarzach; Küche: k_m Möbelbau, Bregenz und Werner Graf, Feldkirch; Verputz: Profi Putz, Feldkirch

Energiekennwert: 32,4 kWh/m² im Jahr (HWB)

Baukosten: 450.000 Euro