Mit dem „Flint“ hat Dornbirn ein Hotel bekommen, in dem man länger
als nur eine Nacht bleiben möchte. Entworfen von Marte.Marte Architekten
als Turm mit harter Schale und weichem Kern.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Als das elfgeschoßige Hochhaus in den 1970er-Jahren in der Dornbirner Bahnhofstraße gebaut wurde, war es beschlossene Sache, dass es früher oder später einen Zubau mit etwa derselben Kubatur geben wird. Bis der Wohnbau seinen „Zwilling“ bekommen sollte, musste allerdings fast ein halbes Jahrhundert vergehen und mussten Probleme unterschiedlichster Art aus dem Weg geräumt werden, obwohl den Alt- mit dem Neubau außer einer Brandmauer so gar nichts verbindet. Außer, dass in beiden gewohnt wird. Da permanent, in dem neuen Haus dagegen auf Zeit. Wobei das Bestandsgebäude, wäre es menschlicher Gefühle fähig, in Sachen architektonischer Raffinesse schwer eifersüchtig auf sein jüngeres „Geschwister“ sein müsste.

Mit dem „Flint“ hat Dornbirn in unmittelbarer Bahnhofnähe ein neues Vier-Sterne-Hotel bekommen. Dessen Name damit zu tun hat, dass sein Besitzer bzw. Betreiber die Vorarlberger Unternehmerfamilie Feurstein ist. Und das zu entwerfen für Walter Feurstein nur die Besten der Architektenzunft infrage gekommen sind und die sind für ihn eindeutig Bernhard und Stefan Marte (Marte.Marte Architekten). Dass das „Flint“ Fassaden aus Sichtbeton bekommen wird, war anfangs nicht geplant. Wollten die Martes das Haus doch mit Metall verhüllen. Gemeinsam mit dem Gestaltungsbeirat entwickelte man dann eine andere Lösung. Weshalb das „Flint“ Ebene für Ebene – und das sind immerhin elf – in Ortbeton errichtet wurde, womit die Grenzen des technisch Möglichen ausgereizt worden seien, so Stefan Marte.

„Es grenzt an ein Wunder,
dass das Flint letztlich so
realisiert werden konnte.“

Walter Feurstein
Bauherr und Hotelier

Das Ergebnis sind Fassaden, die gewollt massiv daherkommen, plastisch durchpulst von unzähligen Fenstern, die maximal groß sind und durch ihre breiten, erhabenen Rahmungen in einem ausgeklügelten Gleichgewicht aus der Fläche treten. Außerdem sind die einmal tief, dann wieder flach in die Laibungen gesetzten Fenster so zueinander versetzt, dass ihre Anordnung in der Zusammenschau eine Diagonale ergibt. Inszeniert als raffiniertes Spiel mit Offenem und Geschlossenem, Licht und Schatten.

Der an das Bestandsgebäude angedockte neungeschoßige Turm wächst aus einem zweigeschoßigen Sockel mit z-förmigem Zuschnitt in die Höhe. Um auf diese Weise den kleinen, mit geschliffenem Asphalt versehenen Vorplatz zu einem in das Hotel einladenden Stückchen Stadtraum zu machen. Dieser Sockel ist im Erdgeschoß zur Gänze raumhoch verglast, wobei die Fenster bzw. die Eingangstür zum Hotel edel mit goldfarben eloxiertem Alu gerahmt sind. Hier im Sockel ist neben der mit einem riesigen skulpturalen Tisch aus Schwarzstahl markierten Rezeption das mit Designklassikern möblierte „Wohnzimmer“ samt Kamin und Stampflehmmauer eingerichtet.

Genauso wie der Bereich, in dem gefrühstückt wird sowie die Bar mit ihrem mächtigen Tresen aus dunklem Granit und eine kleine Bibliothek. Die Wände sind teilweise golden, die hinter der Bar ziert ein ins Monumentale aufgeblasenes altes Foto, das mit der Weinstube zu tun hat, die 1867 der Bozner Josef Weiss in der feudalen denkmalgeschützten Villa gleich nebenan eingerichtet hat, bevor es als Hotel Weiss zum ersten Haus am Platz werden sollte. Um – sorgsam restauriert – als feine Dependance des Hotels als „Villa Flint“ nun eine Renaissance zu erleben.

Die Zimmer sind mehr oder weniger klein, der Platz ist mit viel kreativem Hirnschmalz perfekt ausgenützt, die räumliche Ausstattung ebenso hochwertig wie schnörkellos funktionell. Atmosphärisch tun die Fototapeten mit Bezügen zur alten Villa gut. Und dass der Blick von den Zimmern nach außen mit jedem Stockwerk höher immer noch besser wird, versteht sich von selbst.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Hotel Flint, Dornbirn
Bauherr Walter Feurstein
Architektur Marte Marte Architekten ZT, Feldkirch www.marte-marte.com
Statik Mader & Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Geologie: 3P ZT, Bregenz; Brandschutz: K&M, Lochau; Elektro: Fröhle, Schlins; Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: E-Plus, Egg; Bauphysik: Günther Meusburger, Schwarzenberg; Bauleitung: Reinhard Schmelzenbach, Riefensberg, u. a.
Planung 12/2019–11/2020
Ausführung 11/2020–02/2023
Grundstück 2215 m²
Nutzfläche 4240 m² (davon 668 m² Bestand) 77 Hotelzimmer, Seminarräume, Wellness, Parkplätze unterirdisch
Bauweise Beton mit Innendämmung; Alufenster eloxiert; Dreischeiben-Isolierverglasung
Ausführung Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Fenster: Wilhelmer, Kolb­nitz; Elektro: Pircher, Bregenz; Lüftung: Kranz, Weiler; Installation: Intemann, Lauterach; Schlosser: Felder, Andelsbuch; Tischlerei: Lenz Nenning, Dornbirn; Türen: Telser, Mals (I), Rudolf Meier, Bezau; Stein: Höfle, Götzis; Böden: Christian Greus­sing, Bezau; Glas: OK, Dornbirn; Möbel: Reiter, Weiler, u. a.
Energiekennwert 31 kWh/m² im Jahr
Baukosten 11,5 Mill. Euro