Genau richtig für eine Pause im Schulalltag:
Der neue Mittagstisch in Lustenau
strahlt Entspanntheit und Leichtigkeit aus.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Angela Lamprecht

Gemeinsam Essen stärkt Beziehungen. Die Infrastruktur nimmt sich zurück, ist funktional und praktisch.

Schule und Kindergarten sind nicht nur Betreuungseinrichtungen, sondern Lebenswelten, Orte der Gemeinschaft, des Erfahrungsaustausches und natürlich des Lernens. Ein genau solcher Ort ist auch der gemeinsame Mittagstisch. Immer mehr Kinder in Vorarlberg nehmen an solchen Angeboten teil, essen gemeinsam mit anderen Kindern – sei es, weil es die Arbeitssituation der Eltern nicht anders zulässt, aber auch weil es schön sein kann, mit Freunden und Gleichaltrigen zu essen.

Gemeinsames Essen stärkt Beziehungen. Die gute Qualität des Angebots, der Nahrung selbst, ihrer Zubereitung, des schönen Anrichtens, das Erlernen von Tischkultur, das Gestalten einer guten Umgebung für Erholung, Entspannung und die langsame Aktivierung zum Abschluss der Pause – all das sind Faktoren, die zu Gesundheit, Wohlbefinden und auch zu Chancengerechtigkeit beitragen. Denn nicht allen Kindern ist ein solches Angebot auch zu Hause zugänglich. Essen spielt in den Bildungseinrichtungen in Vorarlberg daher auch eine wichtige Rolle. Kochen und Essen verbindet Menschen, Kulturen, ermöglicht gemeinsame Erfahrungen, ist Lernfeld. Es gibt dazu verschiedene pädagogische Ansätze. Haltungen, Meinungen und erst recht Geschmacksurteile verraten viel über unsere Einstellung zu Leben, Alltag, Gemein­schaft. Nicht selten ist das Gegenstand intensiver Verhandlung – im besten Sinne. (Mittags-)Pausen sind einfach wichtig. Ihre Ausgestaltung emotionalisiert. Als Ergänzung zum bestehenden Angebot betreibt die Marktgemeinde Lustenau seit wenigen Wochen einen neuen Mittagstisch. Im Kirchpark, also mitten im Ort, über dem Nahversorger Sutterlüty, wo vorab ein Glücksspiellokal war. Nun tummeln sich dort auf 230 m² Kinder, trudeln nach dem Vormittag in der Volksschule Kirchdorf in kleinen Gruppen zum Essen, Spielen und Entspannen ein. Die Marktgemeinde hat den Raum von der Sutterlüty Handels GmbH angemietet und nicht nur auf notwendige Infrastruktur, sondern auch auf Atmosphäre geachtet.

Julia Kick hat Prioritäten gesetzt. Ein starkes Möbel steht im Zentrum, rundherum wurde belassen, was noch ging und gut war. Schönes Detail: die selbstgemachten Leuchten.
Wo früher ein Wettbüro war, tummeln sich jetzt mittags Kinder. Der Platz im Zentrum ist dafür prädestiniert.

„Die neue Einrichtung belebt und verbessert die Lebensqualität im Zentrum, denn junge Menschen brauchen attraktive Bewegungsräume. Das ehemalige Geschäftslokal hat sich dafür bestens angeboten“, sagt dazu Bürgermeister Kurt Fischer. 80 Kinder können dort nun mittags essen und in die Nachmittagsbetreuung kommen. Gestaltet wurde der Raum von Architektin Julia Kick und ihrem Team.

Der Raum war durch seine Vorgeschichte wenig bekannt, auch etwas abgenützt. Die Spuren dieser Nutzung sind noch gut sichtbar. Nicht etwa, weil man nicht darauf geschaut hätte, sie zu beseitigen, sondern weil manche Spuren auch ihren Reiz haben. „Wir hatten ein straffes Budget und haben daher Prioritäten gesetzt. Mittagstisch, da steckt das Wort „Tisch“ drin.

Coole Atmosphäre. Die Oberflächen wurden roh belassen. Qualitativ hochwertige Möbel bilden einen schönen und bequemen Kontrast.

Das ist auch der eigentliche Ort. Das Zusammenkommen an einem Tisch.“ So wurde in massive, schöne, große Tische aus geölter Ulme investiert, gefertigt von Architekt und Tischler Martin Bereuter. „Das Design für Tische und Bänke gab es schon. Die Hocker hat Martin eigens für den Mittagstisch entwickelt.“ Der Raum selbst blieb offen. Wir haben uns für Vorhänge entschieden, die, wenn zugezogen, verschiedene Zonierungen ermöglichen. Mit einer Handbewegung entsteht ein neuer Raum, zum Lesen, Sichzurückziehen, für Gespräche, für das Spiel. „Die Vorhänge schlucken außerdem etwas vom Schall, der in diesem Raum sonst wirklich stören würde. Zusätzlich haben wir noch an der Decke Akustikelemente angebracht, das war einfach notwendig.“

Zonierung durch Vorhänge. Zum Schaffen kleiner Raumeinheiten und zur Verbesserung der Akustik wurden Vorhänge angebracht.
Gemeinsam spielen nach dem Essen: Die Kinder organisieren sich räumlich selbst.
„Wir haben mit wenigen Mitteln
einen Ort mit anregender,
cooler Atmosphäre für
Kinder und Jugendliche geschaffen.“

Julia Kick
Architektin

Die Oberflächen sind teilweise roh belassen. „Wir wollten diesen coolen, fast schon industriellen Charme erhalten. Er erzeugt eine Atmosphäre, die zu Spiel und Experiment einlädt. Wir möchten, dass sich die Kinder frei und ungezwungen bewegen können, ohne Angst haben zu müssen, etwas kaputt zu machen.“ Der Boden wurde also geschliffen, die Farbkleckse und der Abrieb blieben visuell erhalten und bilden auch das Grundmuster für den Farbcode im Raum: schwarz, gelb, weiß. „Das bunte Leben kommt durch die Nutzer(innen) in den Raum.“ Mit genau diesem Farbcode hat auch die Idefix-Klasse der Volksschule Kirchdorf gearbeitet, um die Lampen für den Raum aus Kabelbindern zu fertigen, erzählt Julia Kick und deutet auf die Leuchten oberhalb der Tische.

Der ca. 230 m² große Raum kann als Ganzes, aber auch mit vielen kleinen Nischen, bespielt werden.
Chillig und super entspannt. Nach dem Essen ist die Ecke mit den großen Sitzsäcken besonders beliebt.

Hell und freundlich ist es hier – wohl auch durch die raumhohen Verglasungen, die schon Teil des Bestandes waren. Im Sommer werden die Türen geöffnet und eine großzügige Terrasse lädt ein, noch ein paar Sonnenstrahlen zu tanken, bevor es zurück in die Schule oder nach Hause geht.

Noch ist es draußen ein bisschen kalt. Bewegung und frische Luft sind in der Mittagspause sehr willkommen.

Daten & Fakten

Objekt Mittagstisch Volksschule Rheindorf, Lustenau

Eigentümer Sutterlüty Handels GmbH

Bauherrin Marktgemeinde Lustenau

Architektur Julia Kick Architekten, Dornbirn, juliakick.com

Fachplanung Bauphysik (Akustik): Lothar Künz, Hard

Planung 4/2018–8/2018

Ausführung 8/2018–11/2018

Nutzfläche 233 m², 105 m² Dachterrasse

Ausführung: Möbel: Martin Bereuter, Lingenau; Zimmerer/Trockenbau: Gebrüder Keckeis, Lustenau; Böden/Vorhänge: Ludovikus, Lustenau; Küche: Wolfgang Hermann, Gaißau; Elektrik: Pluspol, Langenegg; Sanitär: Erwin Künz, Lustenau; Schlosser/Glaser: Alexander Kleber, Lustenau; Maler: M3, Lustenau; Fliesen: Fliesenpool, Götzis

Baukosten 195.000 Euro (1–6)