Die Architekten reitbruggerGAU planten ihre zwei Häuser für die
Wohnbauselbsthilfe so, dass die meisten Wohnungen ins Grüne schauen.
Runde Ecken bei den Balkonen rahmen den Ausblick besonders schön.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Stefan Hauer

Das Grundstück hatte zwei Seiten. Eine laute an der Straße und eine ländliche mit Blick auf die Hohenemser Ach. Die Architekten reitbruggerGAU machten das Beste draus. Für ihre Anlage der Wohnbauselbsthilfe entwickelten sie zwei Baukörper mit einer Fassade aus braunem Well-Faserzement, die leicht zu reinigen ist. Das Stiegenhaus mit seiner Brüstung aus geöltem Schwarzstahl ist sehr cool, die 19 Wohnungen liegen durchwegs an den Ecken: mit großen Balkonen orientieren sie sich vor allem zur schönen Aussicht im Grünen. Zum Wohnen war das Grundstück nicht optimal: Seine knapp über 60 Meter lange Längsseite verläuft an der Lustenauer Straße, einer stark befahrenen Route in Hohenems. Dafür war es für die Wohnbauselbsthilfe günstig zu haben. Eine gute Voraussetzung für Miet- oder Mieteigentumswohnungen zu sozialen Preisen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: Denn an der Südwestflanke der Parzelle verläuft das Flussbett der Hohenemser Ach. Dieser idyllische Wasserlauf gräbt sich durch ein Hochwassergebiet. Diese naturbelassene Nachbarschaft

Das Grundstück hatte eine ländliche und eine laute Seite.
Die Architekten reitbruggerGAU entwickelten zwei gestaffelte Baukörper mit einer Fassade aus braunem Wel­l-Faserzement.
Zwischen den Häusern erstreckt sich ein Freiraum mit Tisch, Bänken, Kinderspielplatz und einer riesigen Betonplatte über der Belüftung der Garage.

Zum Wohnen war das Grundstück nicht optimal: Seine knapp über 60 Meter lange Längsseite verläuft an der Lustenauer Straße, einer stark befahrenen Route in Hohenems. Dafür war es für die Wohnbauselbsthilfe günstig zu haben. Eine gute Voraussetzung für Miet- oder Mieteigentumswohnungen zu sozialen Preisen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: Denn an der Südwestflanke der Parzelle verläuft das Flussbett der Hohenemser Ach. Dieser idyllische Wasserlauf gräbt sich durch ein Hochwassergebiet. Diese naturbelassene Nachbarschaft mit ih­ren Apfelbäumen, Vogel-
gezwitscher und Pferdestall ist ein toller Abenteuerspielplatz für Kinder und auch als Ausblick ein absolutes Plus.

„Direkt im Grünen zu wohnen, ist eine große Qualität und für Mieter von gemeinnützigen Bauträgern normalerweise nicht möglich“, so Architekt Wolfgang Reitbrugger vom Bregenzer Büro reitbruggerGAU. Möglichst viele Wohnungen sollten davon profitieren. Außerdem: An dieser stark befahrenen Straße durfte kein Haus mit einer Putzfassade stehen, die „rasch verdreckt.“ Damit waren zwei Merkmale sicher: Die hinterlüftete Fassade aus dunkelbraunem Wel­l-Faserzement und die Orientierung möglichst vieler Wohnungen nach Süd- und Nordwesten, hin zur ländlichen Aussicht. Sogar die langen, schmalen 50-m2-Einheiten an der Straße sind bis ans südwestliche Eck vorgezogen: Ihr zwischen Schlaf- und Wohnzimmer eingeschnittener, zwei Meter tiefer und vier Meter langer Balkon ist zum Fluss orientiert. „Wir haben viele Baukörperstudien gemacht“, so Reitbrugger. „Riegel an der Straße waren in diesem Fall nicht gut. Man kann ja dem öffentlichen Raum nicht den Rücken zeigen.“

„Direkt im Grünen zu wohnen,
ist eine große Qualität und für Mieter
von gemeinnützigen Bauträgern
normalerweise nicht möglich.“

Wolfgang Reitbrugger
Architekt

Das üppige Beet ist schön anzusehen und bildet einen Puffer zur Straße.
Die Balkone mit den runden Ecken sind von der Wohnküche aus zugänglich und erweitern den Raum nach außen.

Freistehende Ein- und Mehrfamilienhäuser prägen die Gegend, an der Kreuzung im Norden stehen ein paar Gemeindebauten, die etwas höhere Blöcke bilden. reitbruggerGAU entwickelten zwei Baukörper, die größenordungsmäßig dazwischen liegen: Ihr Grundriss besteht aus einem viergeschoßigen Rechteck von 11,17 Meter Breite an der Straße und 20,39 Meter Länge an der Landschaft, wobei das rückseitige Eck im Nordwesten – an Fluss und Natur – abgerundet und als Balkon geöffnet ist. Wie einen Schatten ordneten sie dazu noch einen vier Meter schmalen, in Richtung Grünraum vorspringenden Bauteil an, der an der anderen ruhigen Seite im Nordosten ein abgerundetes Eck hat. Dieser ist nur drei Geschoße hoch. Jedes Haus zeigt sich also differenziert und wirkt so weniger massiv. Ein Effekt, der auch vom Wel­l-Faserzement, der optisch schmale Streifen erzeugt, verstärkt wird. „Wir sind Fans von vorgehängten Fassaden.“ Aus Kostengründen beschränkte man sich bei der Wahl der Fenster auf zwei Formate: Fenstertüren und französische Fenster vor den Balkonen, fast quadratische in allen anderen Zimmern. Diese sind weiß und heben sich also klar von der braunen Fassadenhaut ab. Drei-Fach-Isoliergläser und eine Lüftungsanlage dämpfen den Verkehrslärm höchst effizient.

Möglichst viele Wohnungen sind nach Süd- und Nordwesten, zur ländlichen Aussicht orientiert.
Runde Ecken an den Balkonen sorgen innen wie außen für besondere Perspektiven.

Der Versatz zwischen den Bauteilen lässt an der nordöstlichen Ecke einen kleinen Vorplatz entstehen: Hier ist der Eingang. Das Stiegenhaus liegt hinter der ersten straßenseitigen, kleinen Wohneinheit in der Mitte des Hauses und wird von einem Oberlicht erhellt. Es ist mit einer Brüstung aus geöltem Schwarzstahl und einem dunklen Kugelgarnteppich sehr unorthodox gestaltet. Ein Oberlicht und ein Luftschlitz, der in der Spindel der einläufigen Treppe durch alle Geschoße verläuft, lässt es sehr großzügig wirken. Zwei Lifte gibt es außerdem, grundsätzlich sind die Häuser als Dreispänner organisiert. Das heißt: In jeder Ebene werden drei Wohnungen erschlossen, einzig im Erdgeschoß und im vierten Stock sind es aufgrund seiner reduzierten Grundfläche nur zwei. Alle Einheiten haben Eichenparkett, Fußbodenheizung und Komfortlüftung. Solarpaneele am Dach sorgen für Niedrigenergiestandard.

Das Stiegenhaus ist mit einer Brüstung aus geöltem Schwarzstahl und ...
... einem dunklen Kugelgarnteppich am Boden sehr unorthodox gestaltet.

Vor den Häusern führt an der Straßenseite eine Rampe in die Tiefgarage, der Raum darüber wurde mit einem Hochbeet voll bunter Blumen und Fahrradabstellplätzen gestaltet. Das üppige Beet ist schön anzusehen und bildet einen Puffer zur Straße. Dahinter erstreckt sich zwischen den Häusern ein Freiraum mit Tisch, Bank, Kinderspielplatz und einer riesigen Betonplatte über der Belüftung der Garage: Diese würde sich gut zum Tischtennisspielen eignen. Man wird sehen, wie die Bewohner und deren Kinder sie nutzen wollen. Wolfgang Reitbrugger: „Die größte Herausforderung war, an diesem Standort attraktiven Wohnraum zu schaffen. Wir wollen, dass die Menschen sich hier wohlfühlen.“ Im Sommer sind die ersten eingezogen.

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Lustenauer Straße, Hohenems

Eigentümer/Bauherr Wohnbauselbsthilfe, Bregenz, www.wohnbauselbsthilfe.at

Architektur reitbrugger & GAU Architekten, Bregenz, www.reitbruggerGAU.at

Statik Mader + Flatz Baustatik ZT, Götzis

Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanität: E-Plus, Egg; Elektro: MTE, Wolfurt; Bauphysik: Weithas, Lauterach

Planung 5/2015–10/2016

Ausführung 10/2016-8/2018

Grundstücksgröße 1740 m²

Nutzfläche 1359 m² (19 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen)

Parkierung 19 Tiefgaragenstellplätze für Autos und zwei zusätzliche Autostellplätze, Fahrradraum

Bauweise Niedrigenergiehaus in Massivbauweise (Beton/Ziegel); vorgehängte Plattenfassade; jede Wohnung mit Loggia/Terrasse; barrierefrei; Gasheizung mit Solaranlage zur Unterstützung; kontrollierte Be- und Entlüftung; zusammenhängendes Untergeschoß mit Garage

Ausführung Generalunternehmer und Baumeister: Rhomberg Bau, Bregenz; Dach: Tectum, Hohenems; Lüftung: Kranz, Weiler; Heizung/Sanitär: Feurstein, Bregenz; Elektro: MTE, Wolfurt; Fassade: Spiegel, Koblach; Schlosser: Metcon, Thüringen

Energiekennzahl 17 kWh/m² im Jahr (HWB)