Neun Südtirolersiedlungen gibt es in Vorarlberg. Die meisten stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und sind im Originalzustand erhalten. Die alteingesessene Bewohnerschaft liebt sie, wie sie sind. Heutigen Wohnungsuchenden bieten sie viel zu wenig Komfort. Ihre Sanierung ist überfällig, die Frage, wie man mit diesem Baubestand umgeht, ist virulent. In einem Forschungsprojekt sanierten Johannes Kaufmann & Partner in der Bludenzer Südtirolersiedlung zwei alte Häuser musterhaft nachhaltig.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Carmen Graber

Die Südtirolersiedlung in Bludenz liegt sehr reizvoll an einem Hang über dem Galgentobelbach. Sie wurde zwischen 1942 und 1945 errichtet, ist eine der größten im Ländle und städtebaulich besonders geglückt. Man erreicht sie über die leicht gekurvte Sonnenbergstraße im Süden, wo die Pfarrkirche Herz Mariae – ursprünglich Fatima – gleichermaßen ihren Auftakt bildet. Zwei- bis dreigeschoßig zusammengeschobene Hausreihen mit Steildächern bilden die Randbebauung, die von leichten Vor- und Rücksprüngen aufgelockert wird. Durch ein breites Rundbogentor führt die Sankt-Antonius-Straße quer durch die ganze Siedlung, in der die Häuser in unterschiedlichsten Formationen eine Vielzahl an Freiräumen ausbilden. Grünstreifen, Höfe und Plätze wechseln einander ab. Die Anlage gehört der Alpenländischen Gemeinnützigen Wohnbau GmbH. Knapp 700 Menschen leben in den rund 400 Wohnungen.  Es gibt keine Zentralheizung, sondern nur Einzelöfen. Weil der Sanierungsrückstand groß ist, blieben die Mieten konkurrenzlos günstig. Auch soziale Härtefälle können sie zahlen.

„Die Häuser sind im Grundzustand der 1950er-Jahre erhalten und ganz sicher sanierungsbedürftig“, sagt Markus Allgäuer von der Alpenländischen. „Bei diesen Siedlungen gibt es immer die Diskussion: Reißt man sie ab oder richtet man sie her?“ Bestand speichert sehr viel Erinnerung, Geschichte und graue Energie. Das ist die Energie, die im gesamten Lebenszyklus des Gebäudes steckt: Der Rohstoff der Materialien, deren Produktion, Lagerung, Transport, der Bau und dessen präsumptive Entsorgungskosten. Bestand speichert sehr viel CO2.

„Wir haben sehr viele Grundrissvarianten gezeichnet und konnten mit wenigen Mitteln sehr viel erreichen.“

Johannes Kaufmann
Architekt

Die Alpenländische prüft nun, ob und wie sich die Siedlung sozialverträglich und klimakompatibel sanieren ließe. Im Februar 2022 startete das Projekt „Antonius & Fatima“. Ein Projektteam aus Ideengeberin Gudrun Sturn, Raum- und Stadtentwicklung, Eva Lingg-Grabher und anderen entwickelte mit Bewoh-ner(innne)n Zukunftsvisionen für die Siedlung. Im Forschungsprojekt „SüdSan“ sanierten Johannes Kaufmann & Partner Architekten zwei Mehrfamilienhäuser mustergültig nachhaltig. Das Energieinstitut Vorarlberg und die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft des Landes Vorarlberg (FFG) begleiteten und förderten das Vorhaben.

Die Architekten hatten ein Jahr Planungs- und ein Jahr Bauzeit. Man prüfte drei Sanierungsvarianten und entschied sich für die anspruchsvollste. Bei der Dämmung kamen nicht die kostengünstigen 12 cm Styropor mit Isolierputz an die Wand, sondern ökologisch hochwertige 24 cm Holzfaserdämmstoffe mit Holzfaserplatte. Es gibt Komfortlüftungen und sogar zwei Erdsonden im kleineren und eine Luftwärmepumpe im größeren Haus. Letzteres steht am Hang, ist fast 22 Meter lang, knapp 10 Meter breit und drei Geschoße hoch. Man stimmte sich mit dem Bundesdenkmalamt ab. Grobputz auf der Fassade wahrt den Charakter der Siedlung, daher entschied man sich gegen eine Aufstockung. Aufgrund der Hanglage haben 95 Prozent der Eingänge im Erdgeschoß drei Stufen, im sanierten kleineren Haus gibt es nun eine Rampe, generell agierte man im Umgang mit der Bewohnerschaft sehr vorsichtig. Ihre Wohnungen blieben unangetastet. „Grundsätzlich haben wir das Stiegenhaus saniert, neue Fenster, ein neues Dach, eine Luftwärmepumpe und ein vorgefertigtes Fassadensystem mit Außenwandheizung entwickelt und beim größeren Haus zum Einsatz gebracht“, so Johannes Kaufmann. Die gesamte südliche Dachhälfte ist mit Photovoltaik belegt.

Die leeren Wohnungen wurden saniert. Sie haben Parkettböden, neue Bäder, im ausgebauten Dach fanden zwei Wohnungen Platz. „Der Umgang mit Bestand ist immer interessant. Der Dachstuhl hielt fast 80 Jahre, heute gäbe den kein Statiker mehr frei. Die Anforderungen sind einfach andere.“ Der Raum unter der alten Gaupe im neu gedeckten, gedämmten Dach ist absolut reizvoll. „Wir haben sehr viele Grundrissvarianten gezeichnet.“ Es zahlte sich aus. Ihre Bewohnerin ist absolut glücklich. „Wir konnten mit sehr wenigen Mitteln sehr viel erreichen“, sagt Kaufmann. Bis Ende 2025 läuft das Monitoring. Hoffentlich geht es zugunsten der Sanierung aus.

Daten & Fakten

Objekt: SüdSan – Sozialverträgliche, klimakompatible Sanierung zweier Mehrfamilienhäuser in der Südtirolersiedlung, Bludenz
Bauherr: Alpenländische Gemeinnützige WohnbauGmbH
Architektur: Johannes Kaufmann & Partner, Dornbirn; www.jkundp.at
Statik: Dr. Brugger & Partner, Bludenz, www.brugger.at
Planung: Jänner 2022–März 2023
Ausführung: März 2023–März 2024
Ausführende: Baumeister Rhomberg Bau GmbH, Bregenz; Elektroinstallationen Elektro Steiner GmbH, Nüziders; Fenster und Türen Josef Feuerstein GmbH & Co KG, Nüziders
Grundstück: 1449 m²
Wohnnutzfläche: 619 m²
Energiekennwert: 29 kWh/m² im Jahr (HWB)