Das zweigeschoßige „Paulihaus“ an der Schweizer Straße scheint dort schon immer gestanden zu haben. Doch der Eindruck täuscht: Optisch ganz nah am Original wurde das Wohn- und Geschäftsgebäude rekonstruiert und um weitere Bauten ergänzt. Heute gibt es hier nicht mehr wie früher einen Lebensmittelladen und eine Post, nun sind eine Pflegestation und eine Arztpraxis eingezogen. Ideal ist das im Zusammenspiel mit dem neuen Alterswohnen, das sich seitlich und dahinter befindet.

Text: Katinka Corts | Fotos: Maria Ritsch

Gegenüber der Altacher Pfarrkirche ist an der Schweizer Straße ein Zentrum für Alters- und Generationenwohnen neu gebaut worden. Auf dem großen Grundstück befand sich früher nur das „Paulihaus“. Mit Lebensmittelladen und Poststelle war das Gebäude Anlauf- und Identifikationsort im Städtchen. Als Altach im Rahmen der Quartiersentwicklung Friedrichsfeld Flächen für Wohnen im Alter, einen Gemeindearzt und den Krankenpflegeverein suchte, bot sich der Standort nahe Kirche und öffentlicher Nahversorgung an. Die Eigentümerin des Grundstücks einigte sich mit der Gemeinde auf einen Teilverkauf – unter der Bedingung jedoch, dass ihr Elternhaus in seiner ursprünglichen Erscheinung um die Jahrhundertwende erhalten bleiben müsse. Architekt Wolfgang Ritsch plante zudem für zwei Bauherrschaften:

Auf dem größeren südlichen Teil des Grundstücks entstand für die Gemeinde das Alterswohnprojekt, auf dem nördlichen plante der Architekt für die ursprüngliche Besitzerin des gesamten Grundstücks ein einzelnes Wohnhaus mit sechs frei vermietbaren, ebenso barrierefreien Wohnungen. Die Neubauten ähneln sich äußerlich in der Form, sind im Inneren jedoch klar unterschiedlich ausgelegt. Die Mietwohnungen sind größer als jene des Alterswohnens, zu denen auch gemeinschaftliche Flächen gehören. „Wir entwickelten das Projekt gemeinsam mit einem Sozial- und Bauausschuss und schauten uns bestehende altersgerechte Wohnprojekte an“, erinnert sich Ritsch. „Allen war klar, dass wir mit unserem Bau keinesfalls das Gefühl von Block und Heim vermitteln wollten.“

„Als wir uns fragten, was wir uns selber im Alter wünschen würden, änderte sich alles: Wir entwickelten Gemeinschaftszonen, rüsteten die Küchen auf und separierten den Schlafbereich.“

Wolfgang Ritsch
Architekt

Im obersten Geschoß des Alterswohnprojekts gibt es eine Art Wohnzimmer für alle, mit gemütlichen Sesseln, einer Couch, einem Tisch fürs gemeinsame Kartenspiel und eine Art Gartenzimmer, dessen Fensterfront weit aufgeschoben werden kann. In der ersten Etage hingegen ist Platz zum gemeinsamen Kochen und Backen – ein Zusatz, denn jede Wohneinheit hat eine vollständig eingerichtete Küche. Die Grundrisse sind so gestaltet, dass sich keine langen Fluchten ergeben und sich die Bewohnerinnen und Bewohner anhand des Außenraumes immer wieder einfach orientieren können. Den wohn-lichen Charakter unterstützt, dass Ritsch Architekten nur wenige, dezente Materialien wählte: Entlang der Fassade ziehen sich dunkel lasierte, vertikal angeordnete Holzlamellen, im Inneren hingegen kommt für Böden und Fensterrahmen helles Fichtenholz zum Einsatz.

In den barrierefreien Wohnungen befindet sich jeweils in der Nähe des Eingangs der Zugang zu Bad und Schlafraum, daran schließen Küchenzeile und Wohnzimmer an. „Uns war wichtig, dass Schlaf- und Wohnzimmer voneinander räumlich unabhängig sind, sodass ein wirkliches Wohngefühl entsteht“, so Ritsch. Die vorgelagerten Terrassen und die Balkone in den Obergeschoßen sind so groß, dass darauf auch mit dem Rollstuhl gewendet werden kann. Durch die großen Fenster gelangt viel Licht in die Räume, gleichzeitig reduzieren transluzente Rollstoren die Blendung. Als Ergänzung zu den Einzelwohnungen gibt es zwei Wohnungen, die mit insgesamt drei Zimmern für ältere Paare gedacht sind, die hier gemeinsam einziehen möchten.

An diese Wohn- und Aufenthaltsbereiche ist das neu aufgebaute „Paulihaus“ über einen Empfangsbereich und einen Gemeinschaftsraum angebunden. Es wird hauptsächlich über den Haupteingang mit dem zentral liegenden Erschließungskern betreten. Im Erdgeschoß befindet sich die Verwaltung der Pflegestation. Über den anschließenden Treppenraum gelangt man in das Obergeschoß, in dem wiederum Wohnungen untergebracht sind. Das direkte Miteinander ermöglicht jenen, die im Alter nicht mehr alleine leben wollen, eine neue Form der Gemeinschaft. Wer an sich noch autark leben kann, aber vielleicht aufgrund kleiner Handicaps Unterstützung braucht, findet hier ein angenehmes Zuhause. Für die kleine Gemeinde ist der Neubau mit 21 Wohnungen ein recht großes Haus, was es aber auch zukunftstauglich macht. Neben Bewohnertreff und gemeinsamem Kochen finden hier auch sportliche Aktivitäten und Lesetreffs statt. Ob Privatheit oder gemeinschaftliche Erlebnisse – der Bau an der Altacher Schweizer Straße ermöglicht beides.

Daten und Fakten

Objekt: Betreutes Wohnen im Paulihaus, Altach
Bauherrschaften: Gemeinde Altach und Maria und Kurt Ebenhoch
Architekt: Wolfgang Ritsch Architekten, Dornbirn, www.ritsch-architekten.com
Planung: Oktober 2018 – Mai 2024
Ausführung: Oktober 2022 – Mai 2024
Grundstück: 1401 m²
Wohnnutzfläche: 1223,77 m²
Keller: 928,49 m² inkl. Tiefgaragen
Nutzung: 21 Wohnungen(alle zwischen 33 und 44 m²), davon 19-Zwei- und 2-Dreizimmerwohnungen, sowie zusätzlich sechs Wohnungen, welche im privaten Wohnbau von Maria und Kurt Ebenhoch errichtet wurden.
Weitere Mieter: Arztpraxis Dr. Tobias Winder, Krankenpflegeverein Altach, Case Management Altach
Besonderheiten: Planung und Ausführung mit enger Zusammenarbeit mit den Nutzern (Gemeinde Altach, Arzt, Krankenpflegeverein, Case Mangagement), Rekonstruktion des Paulihaus
Heizung: Wärmepumpe plus Erdsonde
Photovoltaik: Anlage mit ca. 60 kWp
Energiekennwert: 22,9 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten: ca. 6.000.000 Euro