Der neunzig Hektar große Britzer Garten am Rand von Berlin wurde für die
Bundesgartenschau 1985 als Landschaftspark angelegt und hat diesen Charakter bis
heute
behalten. Der Aushub für seinen zehn Hektar großen See im Zentrum wurde
verwendet, um das platte Land zu modellieren: Sanft gewellte Liegewiesen
mit Baumgruppen und Aussichtshügeln wechseln sich mit Blumenrabatten
und weitgehend der Natur überlassenen Arealen ab.
Schafe und Ziegen assistieren bei der Landschaftspflege.

 

Text: Claudia Rinne | Fotos: Roland Wehinger

So alt wie der Britzer Garten war auch ein Glashaus, das nach seiner Zeit als Ausstellungspavillon dem Verein Freilandlabor Britz als Treffpunkt, Veranstaltungsraum und Ausgangspunkt für Exkursionen diente. Dieser Verein richtet seine Angebote zu Themen der Umweltbildung in erster Linie an Kinder und Jugendliche. Nach 30 Jahren sollte das Glashaus durch einen winterfesten Neubau ersetzt werden. Der Parkbetreiber lud drei Architekturbüros aus Berlin und eines aus Vorarlberg ein, Ideen und erste Planungsansätze für ein modulares Umweltbildungszentrum mit möglichst geringem ökologischen Fußabdruck zu erarbeiten. Wie es zu der Einladung kam, ist gar nicht mehr herauszufinden. Tatsache ist, dass eine multidisziplinäre Jury das einzige nicht aus Berlin stammende Konzept zur weiteren Bearbeitung empfahl: So wurde das Büro HK Architekten aus Schwarzach mit Planung und Bau beauftragt. Beim Lokalaugenschein ist auch das neue Umweltbildungszentrum bereits durch einige Winter geprüft. Sein Weißtannenholz ist silbrig geworden, dadurch fügt sich die Struktur nur noch besser in die Umgebung ein. Der Hauptweg der großen Parkrunde führt von Norden auf das Gebäude zu, biegt um seine Südwestecke und führt weiter nach Osten. Kommt man auf das Gebäude zu, sieht man unter den Baumkronen eine Struktur aus Rundhölzern, die aus der schwebenden Bodenplattform aufragen und wie ein Geflecht wirken. „Ein filigranes Nest im alten Baumbestand“ nennen es die Architekten.

Hinter diesem Schirm aus Rundhölzern kann man das ganze Kerngebäude unter Dach umrunden. Das haben vor allem Kinder und Jugendliche entdeckt. Sie laufen, skaten oder rollern im Kreis, immer wieder an der fast geschlossenen Nordfassade entlang, um die Ecke an den bodentiefen Bürofenstern im Osten vorbei — viele von ihnen kennen wir schon recht gut und wir winken uns, sagt eine Mitarbeiterin des Freilandlabors. Dann laufen sie vorbei am Hinterausgang der breiten Mittelgangerschließung und weiter zur Südfassade, die eine einzige, von drei kräftig gerahmten Türen und wenigen fein dimensionierten Stützen unterbrochene, raumhohe Glasfläche ist, welche um die Südwestecke herumgezogen wurde und über zwei Drittel der Westfassade fortgesetzt ist.

„Vom ersten Tag an haben wir uns
an einem Vogelnest orientiert, also einem
schwebenden Ort zwischen den Bäumen,
der gleichzeitig in der Natur ist,
aber auch die Natur nach innen holt.“

Roland Wehinger
Architekt

Vor der Westfassade ist der Schirm unterbrochen und der Weg doppelt so breit, eigentlich ein kleines Podium, denn es kommt zuerst der Eingang in das Foyer mit den Ausstellungen und einem dritten Büroplatz, dann der doppelflügelige Haupteingang in den breiten Mittelflur. Das letzte Drittel der Westfassade ist schon wieder geschlossen und beschirmt, es kündigt den Weg entlang der Nordfassade an, in den voll Schwung sogleich wieder eingebogen wird. Die Betreiber lassen sich nicht stören: Das Haus wird eben auch auf diese Weise geliebt, Haupt-zielgruppe erreicht. Viel größer war die Sorge, dass die gerne etwas ungebärdige Berliner Jugend an den Diagonalstäben emporklettern würde. Das wurde aber nicht einmal versucht. Stellte der größere Reiz des Rundlaufs den kleineren ins Aus? Vögel aller­dings lassen sich durch den Schirm von nichts abbringen. Jede Öff­nung, durch die eine Faust passt, ist für sie groß genug, um flott hindurch zu fliegen. Daher verhindert ein zarter Nadelstreif auf den Glasflächen Kollisionen. Er verläuft horizontal, so wie die Schalung aus Weißtanne an den massiven Abschnitten der Fassade, hinter denen die Räume für die Infrastruktur liegen.

Dass es zwei Zugänge gibt, einen direkt in den breiten Mittelgang und einen anderen über das Foyer mit den Ausstellungen, erleichtert den Betrieb erheblich. Gruppen, die zu Veranstaltungen kommen, können so leicht von den immer willkommenen Spontanbesuchern getrennt wer­den. Der Seminarraum kann zwei­geteilt, aber auch bis zum Stabge­flecht vor der Südfassade erweitert werden, indem man die Glastüren öffnet. Aber eigentlich reicht er ohnedies bis in den Landschafts­garten hinein, da die Transparenz des Vorgängerbaus auf so differenzierte und nachhaltige Weise in die Moderne transponiert wurde. Als der Schafzüchterverein wieder ein­mal hier tagte, war das Wetter mi­serabel. Vor dem Fenster dennoch ein Idyll: Draußen weide­ten die Schafe. Man blickte aus der wohligen Wärme zu ihnen hinaus und alle waren sich unmittelbar einig: So ein schöner Platz hier.

Objekt Umweltbildungszentrum Britzer Garten, Berlin
Bauherr Grün Berlin, Berlin
Architektur HK Architekten, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik merz kley partner ZT, Dornbirn, www.mkp-ing.com
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: ITV, Berlin; Elektro: PEZ, Berlin; Landschaftsarchitektur: plancontext, Berlin; Bauphysik: WSS, Frastanz; Brandschutz: DI Hans Ulrich Voigt, Berlin
Wettbewerb 2014
Ausführung 2017
Nutzfläche 268 m²
Bauweise Schwebender Pavillon; Holzrahmenbau aufgeständert; Horizontalschalung, Decke und Diagonalstäbe Weißtanne; Innenwände Gipskartonverkleidung; Böden geschliffener Zementestrich; Heizung: Luft-Wärmepumpe
Besonderheiten Durch hohen Vorfertigungsgrad konnte der gesamte Aufbau in wenigen Monaten erfolgen.
Ausführung Zimmerer: IHR Tischler, Harth-Pöll­nitz; Fenster u. Fassade: Systembau Röck, Plessa Kahla; Innenausbau: Hofmann&Großmann, Ottendorf-Okrilla
Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis: S. 7 Nr. 6: Dominik Butzmann; alle übrigen: Roland Wehinger