Willkommen im gemeinsamen Wohnzimmer
Die Wohnsiedlung Maierhof in Bludenz-Brunnenfeld
ist zum größten Teil autofrei. Die Freiräume sind extrem vielgestaltig,
manche privat oder halb öffentlich, manche öffentlich.
Autor: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel
In dem Bogen, mit dem die Rheintalautobahn in die Arlberg-Schnellstraße übergeht, liegt der Bludenzer Ortsteil Brunnenfeld. Obwohl auch der Weg ins Montafon früher direkt durch das alte Straßendorf Brunnenfeld geführt hat, blieb der Ort relativ klein. An seinem nördlichen Eingang, nach einem großen Maisfeld, steht massiv und dicht an der verkehrsberuhigten Brunnenfelder Straße das denkmalgeschützte Zürcherhaus. Gleich nach ihm teilen sich Einfamilienhäuser und uniforme Wohnbauten aus den 1980er-Jahren eine Stichstraße Richtung Osten.
Das Zürcherhaus freundlich umfangend, parallel zur Stichstraße, liegt die neue Wohnsiedlung Maierhof auf einem lang gestreckten schmalen Dreieck. Ihr nördliches Rückgrat ist eine asphaltierte Zufahrt zur Tiefgarage und einem oberirdischen Besucherparkplatz am Maisfeld, hier wird der motorisierte Verkehr noch vor allen Wohnhäusern abgefangen. Dennoch muss man kaum weiter als 20 Meter vom Auto zu einer der Haustüren gehen.
Das Team von feld72 Architekten hat das Gesamtvolumen auf acht Baukörper verteilt, die sich in ihrer Größe am denkmalgeschützten Bestand orientieren und auf dem schwierigen Grundstück zu einem überzeugenden dörflichen Ensemble geordnet wurden. Auf den ersten Blick überwiegt die Ähnlichkeit zwischen den Häusern: Vertikale Weißtannenlatten an den Fassaden, ein umlaufendes Blechband am Übergang vom Erdgeschoß zu den zwei Obergeschoßen, quadratische Fassadenöffnungen mit Holzfaschen für die Fenster. Dann kommen die Unterschiede zum Tragen: In der Größe, in der freien Anordnung der Fenster und Loggien, in ihrer Orientierung zum vielgestaltigen Freiraum.
Der eigentliche Eingang zur Siedlung ist für Fußgänger und Radfahrer gemacht. Gleich nach dem Zürcherhaus öffnet sich ein gekiester Quartiersplatz mit Mauer, Brunnen und Linde. Man kann hier verweilen, man kann ihn eilig durchqueren, und er ist trotz seiner wasserdurchlässigen Decke als Feuerwehrzufahrt ausgelegt – nur ein Aspekt der Arbeit, für die die Landschaftsarchitekt(inn)en verantwortlich sind. Vor dem Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß des ersten Hauses biegt man links und wieder rechts ab in einen zentralen grünen Innenhof mit Spielplatz und Sitzen. Sieben Zierkirschen werden ihn bald beschatten, das Spielgerät ist locker verstreut und kann auch Ältere interessieren, die Attraktion für Roller und Räder ist aber bei unserem Besuch der gepflasterte, autofreie Weg mit seinen vielen Richtungswechseln. Auch sein Aufbau lässt Wasser durchsickern. Die holzbelegten Luftschächte für die Tiefgarage wurden in Absprache mit den Landschaftsarchitekt(inn)en so platziert, dass sie nirgends im Weg stehen.
„Wir haben die Wohnsiedlung
auf diesem schwierigen Grundstück mit
besonderer städtebaulicher Sorgfalt geplant.
Eine früh einsetzende Kooperation
mit Landschaftsarchitekt(inn)en
ist da essenziell.“
Richard Scheich
feld72 Architekten
Dieser zentrale Platz steht allen Brunnenfelder(inne)n zur Verfügung und ist das gemeinsame Wohnzimmer der Anlage wie des Ortsteils. Nach Errichtung durch die Wohnbauselbsthilfe hat die Stadt Bludenz seine Erhaltung übernommen. Ein diplomierter Sozialarbeiter der Stadt betreut ihn und auch den Gemeinschaftsraum, der mit einer Seite zum Innenhof, mit der anderen zum Quartiersplatz orientiert ist. Vier der acht neuen Häuser flankieren das öffentliche Wohnzimmer im Freien, alle Eingänge sind ihm zugewandt und auch einige Loggien.
Im obersten Geschoß wohnt ein Ehepaar, das sich schon ganz früh für die Wohnsiedlung angemeldet hatte, weil sie barrierefrei ist. Fast immer freuen sie sich am Leben vor ihrer Loggia, besonders, wenn ihre Enkelin zu Besuch ist. Am östlichen Ende bilden zwei weitere Häuser eine enge Gasse, durch die man zu einem Kleinkindspielplatz in einer breiten Nische gelangt. Hier wünschen sich zwei Mütter eine Rutsche, das wär die Krönung. Das letzte der beiden östlichsten Häuser ist ein exakt nach den Himmelsrichtungen gedrehter Kubus. Er verdeckt ein Stück Grünland im Spitz, das als Gemeinschaftsgarten gewidmet ist. Unmerklich geht hier die Wiese in Schotterrasen über, um die Zufahrt zum Maisfeld zu ermöglichen.
Daten & Fakten
Objekt Wohnanlage Bludenz Brunnenfeld
Bauherr Wohnbauselbsthilfe Vorarlberger gem. reg. Gen.m.b.H.
Architektur feld72 Architekten, Wien/Feldkirch, www.feld72.at
Landschaftsarchitektur GRUBER + HAUMER, Bürs, landschaftsarchitektur-gh.at
Planung 2017
Fertigstellung 2019
Wohnnutzfläche gesamt 4503 m²
Nutzung 8 Gebäude, gesamt 67 Wohneinheiten; 17 Eigentum, 6 Mietkauf, 44 Miete
Konstruktion Mischbauweise: tragende Bauteile Stahlbeton und Stahl; Außenwände Holzelemente mit Holzfassade Weißtanne unbehandelt; barrierefrei außer 1+2 OG Haus 8 (kein Personenaufzug); Haus 7+ 8 nicht unterkellert; Fußbodenniedertemperaturheizung mittels Gas und Solaranlage
Planung und Ausführung GU: Arge Hinteregger-Winsauer Bau, Statik: Hämmerle – Huster, Bauphysik: DI Bernhard Weithas, Haustechnik: WILU, Elektro: EWA St. Anton, Versickerung: Ingenieurbüro Landa
Investition gesamt ca. 15 Mill. Euro