In Bizau-Oberdorf machte eine Tischlerei, die nicht mehr in Betrieb war,
Platz für den Neubau einer Kleinwohnanlage.
Schaut man auf den breiten Ostgiebel des gesamten Baukörpers,
meint man ein Bregenzerwälderhaus zu sehen.
Es gibt einen massiven Sockel, darüber die Fassade mit Holzschindeln,
Reihenfenstern und Klebdächern, die als Gesimse ausgebildet sind,
und einen armbreiten Dachüberstand.

Text: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel

Der Eingang liegt allerdings an der Nordseite, das ist eher unüblich. Auch dass er durch einen über beide Stockwerke reichenden Vorbau mit einem kleinen, quer zum Hauptfirst stehenden Satteldach geschützt ist, weist darauf hin, dass es sich beim Haupthaus nicht wirklich um ein altes Bauernhaus handelt. Vielmehr wurde es 1910 von Käsebaronen aus Schnepfau als Gasthaus errichtet, die darauf spekulierten, dass die Bregenzerwälderbahn bis Bizau kommen würde.

Die Bahn kam nicht. Im Gasthaus wurde auf Dauer gewohnt und der westseitig an die Tenne angebaute Wirtschaftstrakt wurde erst landwirtschaftlich genutzt, dann als Schreinerei, die sich mit einem ebenerdigen Anbau weit in den südseitigen Garten hinein ausbreitete.

Als die Schreinerei außer Betrieb ging, wurde ein Umbau in Wohnungen in Betracht gezogen. Beim Rückbau der vielen Schichten wurde aber immer klarer, dass das Hinterhaus komplett abgerissen werden musste. Es gab keine Bodenplatte, nur eine dünne Schüttung direkt auf dem Erdreich. So waren nicht einmal die Mauern aus Bachkieseln, Bruchstein und Ziegelbruch statisch geeignet zur Weiterverwendung. Durch den radikalen Abriss wurde landwirtschaftliche Fläche zurückgewonnen. Sie blieb erhalten, weil der Neubau auf kompakterem Grundriss mit dem Bestand wieder zu einer markanten Großform unter einem Dach zusammengefasst wurde. Der Neubau ist um ein Schleppdach über den Terrassen im Süden und einen erdgeschoßhohen Vorbau im Norden tiefer als der Bestand und wirkt doch zurückhaltend im Vergleich zu ihm.

„Der Familie im bestehenden Vorderhaus war es äußerst wichtig,
ökologisch und qualitativ hochwertig zu bauen. Dies ist nicht
unbedingt immer mit enormen Mehrkosten verbunden.“

Daniel Zimmermann
Baumeister

Die Tenne mit ihren beiden markanten Zwerchdächern ist das Bindeglied zwischen Alt und Neu. In ihrer Fassadengestaltung werden die Horizontalen der verschiedenen Geschoßhöhen von Bestand und Neubau geschickt angeglichen. Die Fensterunterkanten im zweiten Stock alt setzen sich als Fensteroberkanten im ersten Stock neu fort, und die horizontale Schirmkante des Neubaus nimmt die Tiefe des vertikal orientierten Eingangsvorbaus auf und reicht fast bis an ihn heran. Auf der Südseite zieht sich die Erdgeschoßwohnung bis in die Tenne hinein, die oberen Stockwerke gehören sichtbar zum Bestand.

Im Norden, an der Traufseite entlang der Landesstraße, sind die Stellplätze für Pkw und Fahrräder sowie das Treppenhaus unter Dach gebracht, dazwischen liegt die Eingangstür. In zweiter Reihe folgen die Kellerräume für alle Wohnungen, in dritter Reihe eine dieser Wohnungen. Sie ist groß, überwiegend nach Süden orientiert und angenehm hell. Das liegt nicht nur an der Terrasse, die sich hinter großen Glastüren und -fenstern in vierter Reihe über die ganze südliche Breite des Neubaus erstreckt, sondern auch am hochwertigen Innenausbau.

Die mit Holzwolle gedämmten Wände in Holzständerkonstruktion sind teils mit Gipskartonplatten versehen und in Weiß gehalten, teils mit hellem Tannentäfer beplankt. Helles Holz auch bei den Einbaumöbeln und Tischlertüren, einigen Decken und am Boden reflektiert viel Licht und gibt ihm den freundlichen Ton.

Diese Qualität haben alle Wohnungen. Bei den beiden Dachgeschoßwohnungen wird sie noch gesteigert durch die Galerien im Spitz und den üppigen Luftraum über den Wohn-/Essräumen samt Küchen. Die Dachflächen sind teilweise verglast, so dass sich das Zenitlicht mit dem seitlich-indirekten Licht von den teilüberdachten Südterrassen sehr schön mischt. Ein Dachfenster und ein Nordfenster hinter einem halboffenen Lattenschirm lassen Tageslicht in das Stiegenhaus, eine schlanke Treppenanlage sorgt für Durchblick. Die Belichtung über das Dach trägt dazu bei, das Hinterhaus gegenüber dem dominanten Haupthaus geschlossen und zurückhaltend erschienen zu lassen und trotz großer Trakttiefe helle Innenräume zu erhalten.

Obwohl die getrennten Eingänge der Haus- und Bauherrschaft wichtig waren, wird die Haustechnik gemeinsam genutzt. Der Raum dafür befindet sich im Keller des Altbaus, und es führen wiederum zwei separate Treppen zu ihm hinab. Die alte Ölheizung für das Vorderhaus wurde durch eine Pelletsanlage ersetzt, deren Kapazität für das gesamte Gebäude reicht. Das Warmwasser für alle Bewohner(innen) erzeugt eine Solaranlage, deren Paneele auf dem Dach des Neubaus angebracht sind. So sind Alt und Neu auch ökologisch sinnvoll miteinander verschränkt.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Mehrparteienwohnhaus Bizau, Oberdorf 44
Bauherr Arnold und Katharina Meusburger
Architektur BM Daniel Zimmermann, Andelsbuch; www.guter-plan.at
Statik Günther Hammerer, Andelsbuch; https://plandrei.at/
Fachplanung Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung Sommer 2019–Frühjahr 2020
Ausführung Sommer 2020–Sommer 2021
Grundstück 893 m² (Neubauanteil)
Nutzfläche 660 m² (Neubau)
Ausführung Baumeister: Wälderbau; Zimmermann: FB, Schnepfau; Dach: Roman Moosbrugger, Bezau; Fenster: Wälderfenster, Bizau; Elektro: Willi, Andelsbuch; Installationen: Wäldarinstallateur, Bezau; Estrich: Vigl & Strolz; Maler: Moosburgger, Au; Verputz: Wilhelm, Au; Innentüren: Künzler, Bizau;
Verglasung: Alu-Glastechnik, Lustenau; Möbeltischler: Casimo, Lingenau und Möblar, Au
Energiekennwert 28 kWh/m² im Jahr
Baukosten 1,5 Mill. Euro