In der Baukultur-Gemeinde Zwischenwasser
planten reitbruggerGAU eine Wohnanlage,
die mit split-gelevelten Doppelhäusern
auf den Hang reagiert.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel, Dietmar Walser

Grund und Boden sind ein besonderes Gut: Sie sind die Grundlage für unsere Nahrung und die Schönheit unserer Landschaft. Im Konflikt dazu steht der Wunsch nach Behausung. Denn bebautes Land ist versiegeltes Land. Wie und wo man wohnt, ist alles andere als nur eine Frage von individuellem Geschmack und finanziellen Möglichkeiten. Es wird in der Raumordnung festgelegt und kann gravierende Konsequenzen haben. Die zunehmende Zersiedelung durch Einfamilienhausteppiche, Einkaufszentren, die dazugehörigen Parkplätze und immer leistungsfähigere Straßennetze verändern die Region und das Zusammenleben der Menschen.

Holz harmoniert: Abgesehen vom ersten Haus am Platz sind alle anderen Häuser mit unbehandelter Fichte verkleidet. Das Holz altert in Würde und passt gut zu den umgebenden Häusern.
Zu jedem Doppelhaus gehört auch der Blick auf einen Baum im Garten.
Split LeveL Die Doppelhäuser werden von einem zentralen Stiegenhaus in der Mitte erschlossen, dessen Podeste den Höhensprung im Haus mitmachen.

Die Gemeinde Zwischenwasser ist in dieser Hinsicht besonders: Sie ist sich der Bedeutung der Ressource Boden ebenso bewusst wie der Wichtigkeit von Baukultur. Unter anderem hat sie für den Kindergarten Muntlix (2015) und das ökogeneralsanierte Gemeindeamt (2017) – beides von HEIN Architekten – den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit bekommen. Zwischenwasser will auch mit seinen Baulandreserven verantwortungsvoll umgehen. Die hohe Lebensqualität, die es derzeit in den Orten Muntlix, Batschuns und Dafins gibt, wird von den knapp über 3000 Einwohnern sehr geschätzt. Sie sollte so lange als möglich erhalten bleiben.

Bauen mit dem Hang: Die Doppelhäuser reagieren mit auf zwei Ebenen versetzten Haushälften auf die Topografie.
Die Hinterseite der Anlage schmiegt sich im Osten an die Hangkante.

Also holte man sich das Team des Wiener Büros „nonconform“ für einige Tage vor Ort nach Zwischenwasser: Dieses Team hat mit der „Ideenwerkstatt“ eine eigene partizipati­ve Methode entwickelt, in deren Rahmen die Bevölkerung und die politisch Verantwortlichen in einem moderierten Prozess ihre Anliegen und Ideen in Worte fassen, um auf dieser Grundlage gemeinsame Entwicklungsziele festzulegen. Eines der Zukunftsszenarien für die Baulandreserven der Gemeinde ergab, dass diese bei einem maximalen Wachstum von 8,4 Prozent innerhalb von 30 Jahren erschöpft wären. Zwischenwasser entschied sich also, vorhandene Potenziale zu nutzen und bevorzugt nach innen zu verdichten. Neuwidmungen sollten bewusst erfolgen, Freiraumreserven erhalten, repräsentative Orte aufgewertet, kleinstrukturierte Bauweisen fortgeführt, der soziale Zusammenhalt gestärkt, Straßenräume zukunftsfähig und menschengerecht gedacht werden. Auch die Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen in der Ortsmitte wollte man fördern. All das wurde in ein Räumliches Entwicklungskonzept (REK) gegossen.

Alle Terrassen, Loggien und Mietergärten sind nach Süden oder nach Westen orientiert.
„Wir wollten so wenig wie möglich
vom Gelände abtragen. Daher haben wir zwei Häuser
als Split-Levels mit dem Gefälle halbgeschoßig versetzt.“

Robert Gau
Architekt

Muntlix ist der Ortsteil mit dem größten Verdichtungspotenzial. Hier erwarb die Rhomberg Bau ein zentrumsnahes Grundstück, das eine besondere Lösung erforderte. Es liegt nämlich im Norden an einer Straßengabelung, die kürzlich verkehrsberuhigt wurde. Sie wirkt wie ein Platz, großzügig und urban: Hier stand ein altes Haus, das früher ein Geschäft beherbergt hatte. Dahinter aber steigt das Grundstück stark an, macht eine Kante und geht in eine dörfliche Struktur über, die von alten Häusern und Streuobstbäumen geprägt ist. Gemeinde und Bauträger wünschten sich hier einen Neubau, der wieder gewerblich genutzt werden kann. Dahinter sollten Wohnungen entstehen.

Fünf Stufen zwischen Loggia und Garten sorgen für Privatheit.

Die Architekten reitbruggerGau fanden darauf eine sehr stimmige Antwort. „Der Hang steigt nach hinten in zwei Richtungen an“, erklärt Robert Gau. „Wir wollten aber so wenig wie möglich vom Gelände abtragen. Daher haben wir zwei Häuser als Split-Levels mit dem Gefälle halbgeschoßig versetzt.“ Dadurch konnte mit Grund und Boden achtsam umgegangen werden: So ließ sich nämlich die obligate Tiefgarage unter den Häusern unterbringen, ohne viel vom Erdreich abzutragen. Außerdem war den Architekten ein Anliegen, alle Loggien entweder nach Süden oder nach Westen zur Abendsonne zu orientieren. Sie entwickelten also Doppelhäuser mit versetzten Ebenen mit einem zentralen, von einem durchgehenden, vertikalen Fensterband natürlich belichteten Stiegenhaus, dessen Podeste den Höhensprung zwischen den Haushälften mitmachen. Es wirkt wie eine innere Naht und erschließt pro Ebene vier Einheiten. Zwei Haushälften sind nach Westen zum Dorfplatz orientiert, zwei nach Süden zum Hang. Einzig das kleinste, rückwärtige Haus im Süden steht alleine. Das Treppenhaus erschließt hier nur zwei Wohnungen pro Stockwerk ohne Versatz.

Raumhohe Verglasung sorgt für einen nahtlosen Übergang zwischen innen und außen – und für viel Sonnenlicht.
Private Paradiese: Die Loggien vor dem Wohnzimmer sind so tief, dass man wirklich bequem einen großen Tisch mit vielen Plätzen für Gäste draußen aufstellen kann.

Städtebaulich reagieren die Doppelhäuser und das Punkthaus sehr achtsam auf die Topografie: Zum Hang hin werden sie etwas höher, das war ein Wunsch des Gestaltungsbeirats. Außerdem sind die Häuser durchwegs mit unbehandelter Fichte verkleidet. Diese Fassade altert in Würde und passt gut zu den umgebenden Häusern. „Ich wollte unbedingt eine Terrasse im Süden. Ich bin sehr glücklich mit der Ruhe, die ich hier habe“, sagt eine Dame, die im hintersten Punkthaus wohnt. Jede Loggia liegt ein paar Stufen über dem Gartenniveau: Das sorgt für mehr Privatheit. Einzig das erste Haus am Platz, das mit einer weißen Putzfassade und einer höheren Sockelzone extra für Gewerbenutzung ausgelegt war, wurde nun in Ermangelung an Interessenten zu Wohnungen umgewidmet. Aber vielleicht macht ja doch jemand einmal hier eine Praxis oder einen Laden auf und bereichert so das Dorf.

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Bergstraße Zwischenwasser

Bauherr Rhomberg Bau, Bregenz

Architektur reitbruggerGAU ZT, Bregenz, www.reitbruggergau.at

Statik Mader/Flatz, Bregenz

Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Marte/Diem, Bregenz; Elektro/Licht: MTE, Wolfurt; Geotechnik: BGG Bauconsult, Hohe­nems; Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach

Wettbewerb 10/2013

Planung 10/2013–1/2015

Baubeginn 3/2017–10/2018

Grundstücksgröße 3558 m²

Nutzfläche 1890 m²

Bauweise Außenwände massiv (Beton und Ziegel) mit Vollwärmeschutz bzw. hinterlüftetem Holzschirm; bekiestes Flach­dach

Ausführung Baumeister: Lothar Burtscher, Bregenz; Stahlbau: Summer, Feldkirch; Spengler: Jäger, Lauterach; Fassade: Kratzer, Röthis und Brunner, Fußach; Heizung/Sanitär: Modern Home, Gaißau; Elektro: MTE, Wolfurt; Fenster: Trefz, Wüstenrot (D)

Baukosten 3,2 Mill. Euro