Die Familie der Bauherrin bewohnt das alte Haus seit Generationen, es war in Schönheit gealtert, aber akut sanierungsbedürftig. Die innige Beziehung zum Haus bestimmte den Umbau. Architekt Martin Mackowitz und die Bauherren planten mit den Eigenheiten des Bestands. Die Umsetzung erfolgte durch Handwerker(innen) aus der Region und Architekturstudierende der Kunstuni Linz. Diese umsichtige Sanierung lehrte alle, wie man alte Substanz nachhaltig, ökologisch und respektvoll behandelt.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Hanno Mackowitz

Hinter dem dichten Laubwerk im Garten ist das Haus mit Kreuzgiebel in Muntlix kaum zu sehen. Die Witterung von Jahrhunderten formte sein Holz, die ältesten Balken halten ihr seit 1458 stand. Sagt der Befund des Dendrochronologen Klaus Pfeiffer. „Bis in das Jahr 1694 können wir rückverfolgen, wer hier wohnte,“ erzählt Bauherrin Silvia Keckeis. Nach einem ihrer Vorväter – Wendelin Längle – ist das Haus benannt: Hägi Wendls. Bis auf den Einbau von Nasszellen hatte man kaum etwas verändert. „Uns war klar, dass wir die Generation sind, die das herrichten muss, sonst fällt das Haus zusammen.“  Eltern, Kinder, Kindeskinder, Landarbeiter- und Handwerkerschaft: Bis zu über 20 Menschen lebten gleichzeitig unter seinem Dach. Ab den frühen 1990ern war es vermietet, um 2007 zog die Familie wieder ein. Silvia Keckeis und ihr Lebensgefährte Johannes Lampert pflegten die patinierte Schönheit von Dielen, Täfern und Möbeln, brachten sie in ihrem reduzierten Wohnstil zur Geltung und nahmen in Kauf, dass es durch das Dach tropfte und der Kachelofen im Winter zwei Stunden zum Aufheizen brauchte.

Die Bauherrin und ihr Bruder erbten das Haus, wollten es in zwei Wohnungen teilen und wandten sich vertrauensvoll an Architekt Martin Mackowitz. Ein Projekt mit Teilabriss und neuen Zubauten stand kurz vor der Einreichung, doch die Bauherrin spürte, dass es für das Haus und seine lange gemeinsame Geschichte mit der Familie nicht richtig war. Schwester und Bruder hörten in sich hinein und blieben ihren Gefühlen treu. Silvia Keckeis und Johannes Lampert wollten das Haus voll Respekt für seine Eigenarten herrichten und nutzen, der Bruder überließ es ihnen. Der regionale Gestaltungsbeirat und das Denkmalamt befanden es als nicht schutzwürdig, bedankten sich aber für ihre Wertschätzung des Bestands. „Wenn alle so wären wie Sie, bräuchte es das Amt nicht.“

„Das Projekt erforderte eine intensive konzeptuelle Arbeit und Auseinandersetzung mit Bauherren, Bestand und Studierenden auf vielen Ebenen. Zum Glück haben sich alle auf diesen Prozess eingelassen.“

Martin Mackowitz
Architekt

Für die beiden blieb es absolut erhaltenswert. Gemeinsam mit Architekt Martin Mackowitz suchten sie geduldig nach der stimmigsten Lösung. Fast sieben Jahre dauerte es, bis sie gefunden war. „Wir landeten schließlich beim einfachsten, aber kompromisslosesten Entwurf“, so Mackowitz. Die Strategie der Wahl war, möglichst wenig zu verändern, möglichst viel zu erhalten, wieder zu verwenden und nur behutsam einzugreifen. Also minimal invasiv und maximal ökologisch vorzugehen.

Genau darum geht es bei BASEhabitat der Kunstuni Linz. In diesem spezifischen Studio lernen Architekturstudierende, wie man nachhaltig und sozial verantwortlich mit Lehm, Holz, Bambus und anderen natürlichen Materialien baut. Oft erfolgt das in Form von Bauprojekten in Thailand, Indien, Afrika. Ein inländisches Objekt zu bearbeiten, das aus regionalen Materialien in traditionellen Bauweisen errichtet wurde, ist noch wesentlich nachhaltiger. Das alte Haus in Muntlix war das perfekte Exerzierfeld zur Aneignung studentischer Expertise, die Bauherren stellten es dafür gern zur Verfügung. „Das Projekt umfasste eine intensive konzeptionelle Arbeit und eine gründliche Auseinandersetzung auf verschiedenen Ebenen. Zum Glück haben sich alle auf diesen Prozess eingelassen“, sagt Mackowitz. „Er erfordert, den Ort und die beteiligten Personen gut zu kennen und daraus einen Mehrwert im weitesten Sinn zu schaffen.“

Die Studierenden lernten, alte Bausubstanz aufzunehmen, Details zu verstehen, mit Bauherren Ideen zu entwickeln, Pläne zu zeichnen, Baugenehmigungen einzuholen, Material zu erproben, Schilfrohrmatten mit Lehm zu verputzen. Sie verarbeiteten Hackschnitzel zu Dämmung und stampften den Lehmboden fest. Holzbauer und Statiker berechneten das Tragwerk, dann wurde der neue Dachstuhl einfach auf den alten draufgesetzt: Das nutzt dessen erhaltene Tragkraft und spart Material. Auch alle alten Fenster wurden weiterverwendet. „Zwei Jahre haben wir fortlaufend Fenster gerichtet, ausgebaut, eingeglast, geschliffen, geölt, gekittet“, sagt die Bauherrin. Seit Weihnachten 2021 lebt die Familie glücklich in ihrem achtsam sanierten Haus. Auch für den Heuboden fand sich eine passende Nutzung: Er wird in den warmen Monaten mit Kultur bespielt. Zwanzig Eigen- und zehn Fremdveranstaltungen gab es schon, viele werden noch folgen.

Daten & Fakten

Objekt: Hägi Wendls

Bauherr: Silvia Keckeis und Johannes Lampert

Architektur: Martin Mackowitz, www.ma-ma.io

Statik: Frick & Schöch ZT GmbH, www.fszt.at

Planungsdaten: Jänner 2020–April 2021

Ausführung: Oktober 2020–März 2023

Grundstück: 1300 m²

Wohnnutzfläche: 157 m² (80 m² Dachgeschoß)

Bauweise: Wohnhaus: Ständerbohlenbau aus dem Spätmittelalter. Neue Holzkonstruktion innen. Gedämmt mit Hackschnitzel und Lehm. Zwischendecken aus Holz. Kulturraum: Holzkonstruktion Altbestand. Unterkonstruktion Vollholz neu. Nasszellen: Holz / Hanf / Kalk. Trasskalkboden roh in der Tenne.

Ausführende: Dach: Dachdecker Fricker, Göfis; Spengler: Martin Fleisch, Sulz; Zimmerer: Marte Holzbau, Rankweil; neue Fenster: Tischlerei Bischof, Thüringerberg; Sanitär: Dorfinstallateur, Götzis; Metallbau: Eisenhauer, Weiler; Heizung: Müller Ofenbau, Ludesch; Kalk / Lehm: Lehm Ton Erde, Schlins; Lehmbau: DADO Lehmarbeiten, Röthis

Energiekennwert: 66 kWh/m² im Jahr (HWB)

Kosten: ca. 600.000 Euro