Lage verpflichtet: Die Landwirtschaft des Bauherrn liegt exponiert auf einem
Hang in Sonntag, Haus und Hof mussten besonders sein. Architekt Reinhold
Hammerer setzte einen schlichten Stall ins Gelände, im rechten Winkel dazu
reckt sich ein schönes Holzhaus auf Stützen dem Ausblick entgegen.
Eine Terrasse erweitert die zentrale Wohnküche ins Freie.
Der Bauherr ist Holzbaumeister, er baute es selbst und zeigte damit,
was Bergholz aus dem Biosphärenpark Großes Walsertal leisten kann.

 

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Der Bauherr ist Holzbaumeister und Zimmermann aus Leidenschaft. Neben seiner Zimmerei betreibt er in Sonntag eine biologische Landwirtschaft. Haus und Stall für Mutterkühe, Kälber und Zuchtstier liegen auf 1013 Meter Seehöhe hoch über dem Tal. Dass er beides selbst bauen würde, war klar, mit Entwurf und Planung beauftragte er den Architekten Reinhold Hammerer. Sie hatten schon vorher viele Projekte gemeinsam.

„Vertrauen ist Gold wert, ich kenne Reinhold seit mehreren Jahren und hatte viele Wünsche an ihn“, erklärt der Bauherr. „Ich bin ein gelernter Zimmermann und Holzbaumeister, ich decke auch die statische Seite ab, Reinhold hat ein sehr gutes Gespür für Raumaufteilung. Er teilte Haus und Stall in zwei sehr schlichte Baukörper auf.“ Beide sind aus Holz und haben Satteldächer, deren Vorstände von Holzstützen getragen werden. Sie sind von Funktion und Ausführungsgrad sehr unterschiedlich, bilden aber in Material, Maßstab und der Anordnung zueinander ein stimmiges Ensemble. Der Kaltstall mit separatem Kälberschlupf ist nach Süden gedreht, damit die Tiere im Winter viel Sonne haben. „Weil es hier so viel Schnee gibt, haben wir die Photovoltaikpaneele nicht nur auf die Südseite des Dachs montiert, sondern auch die Wand damit belegt“, sagt Hammerer. Daher ist auch das Haus vom Boden abgehoben und brauchen die Balkone einen speziellen Witterungsschutz.

„Die zwei Bauten fügen sich in Landschaft.
Der Stall geht mit dem Gelände, der Giebel des Hauses ist wie
bei den alten Walserhäusern gedreht. Ich wollte ihm auch
viele Freiflächen schaffen.“

Reinhold Hammerer, Architekt

„Die zwei Bauten fügen sich in Landschaft. Der Stall geht mit den Schichtenlinien des Geländes, das Thema des Hauses war der Ausblick, sein Giebel ist so wie bei den alten Walserhäusern ins Tal gedreht“, sagt Hammerer. „Ich wollte ihm unbedingt Freiflächen schaffen und das Kleid zum raumbildenden Element machen.“ Eine vorgesetzte Lattenstruktur wird zur schützenden Schicht für Balkone und Terrasse. Die prominente Südfassade ist symmetrisch komponiert. Mit ihrem zentralen Stützenpaar, flachem Satteldach und den zwei in das Lattenkleid eingeschnittenen Öffnungen lässt sie ein Gesicht assoziieren.

Das Haus steht auf Stelzen, die Wohnebene dockt an die rückwärtige Garage und die Zufahrtsstraße an. Sie verläuft entlang des Stalles vom Osten westwärts auf die Längsseite des Hauses zu. Eine Bank steht davor, die Freifläche zwischen Garage, Eingangstür und Stall ist ein wunderbarer Spielplatz für die Kinder, die sich auch am Hang und zwischen den Stelzen unter dem Balkon sehr wohlfühlen. Bauherr und Architekt sind Mitglieder im Verein Bergholz, der Holz aus dem Biosphärenpark Großes Walsertal auf hohem Niveau ökologisch verarbeitet. Das beginnt schon bei der Ernte: Dem Wald wird nur so viel Holz entnommen, wie auch nachwachsen kann, ohne das biologische Gleichgewicht zu stören. „Das Haus sollte auch zeigen, welche Möglichkeiten Bergholz aus dem Walsertal hat“, so der Bauherr. Jeden Baum suchte er selbst aus, jede Holzart hat ihre Stärken: Esche ist viel härter und widerstandsfähiger als Weißtanne, im Wald geht das Eschen-sterben um. Ihre Verwertung macht doppelt Sinn. „Alle Böden und die Möbel in der Küche sind aus Esche“, sagt der Bauherr. Nur das Bett im Schlafzimmer ist aus Zirbe, ihr Duft beruhigt, er machte es selbst. Die Wände sind aus Weißtanne, das Konstruktionsholz aus Fichte, die Fassade aus Lärche. Zwei Leimholzbinder überspannen das Haus über die ganze Länge, das Dach ist mit Lärchenschindeln gedeckt.

Der Grundriss ist hocheffizient rund um ein mittiges, zweiläufiges Stiegenhaus organisiert. Ein Gang, der auf drei Seiten den Luftraum über dem Podest umkreist, erschließt alle Räume. „Ich freue mich täglich darüber“, sagt der Bauherr. „Mit wenigen Schritten erreicht man jede Ebene.“ Alle Wände und Decken sind aus Weißtanne, die Böden aus Esche, das Holz schafft hier eine bergende, in ihrer Schlichtheit wunderschöne Ruhe. Eine asymmetrisch unter den First gesetzte Öffnung belichtet diese Stiege von oben und adelt die ökonomische Erschließung zum höchst atmosphärischen innerfamiliären Kommunikationsort über zwei Ebenen. Das Herz des Hauses schlägt in der Wohnküche an der Stirnseite im Süden. Hier ist alles überlegt: die Brüstungen sind auch umlaufende Eckbank, darüber alles verglast. Der Raum ist sonnig, hell und wendet sich mit seiner drei Meter tiefen Terrasse unter dem Satteldach mit jeder Holzfaser dem phänomenalen Ausblick über das Tal zu.

Objekt Haus für einen Zimmermann, Sonntag
Bauherr Thomas Heiseler
Architektur Hammerer Architekten SIA, Aarau (CH)www.hammerer.co
Statik Leitner ZT, Schröcken; www.zte.at und Zimmerei Heiseler, Sonntag;
www.zimmerei-heiseler.at
Fachplanung Elektro: Licht und Wärme, Raggal
Planung 03/2020–09/2020
Ausführung 10/2020–08/2021
Wohnnutzfläche 165 m²
Keller/Garage 80 m²
Bauweise Holzbauweise (Bergholz), erdberührend Stahlbeton; Fassade: Lärche; Nassräume: Naturofloor; Holz­heizung; Photovoltaik-anlage am Stall
Ausführung Baumeister: BSG, Thüringerberg; Holzbau: Heiseler, Sonntag; Möbelbau: Günter Konzett, Fontanella; Fenster/Außentüren: Stuchly, Thüringen; Innentüren: Elmar Dünser, Thüringerberg; Elektro: Licht und Wärme, Raggal; Installation: Küng, Thüringen; Ganzhausholzheizung: Müller, Ludesch; Raumausstattung: Wrann, Thüringen; Spengler: Gottlieb Burtscher, St. Gerold; Bautischler: Gottlieb Kaufmann, Blons; Holz: Sägewerke Martin Urban und Erhart Holz, Sonntag
Energiekennwert 34 kWh/m² im Jahr (HWB)