Die Rückkehr des Ornaments
Ein Werkstattgebäude in Ludesch, noch dazu ein architektonisches
Erstlingswerk, hat das Potenzial, ikonisch zu werden. Aus einem sparsamen Bau
wurde ein kulturell reiches Gebäude.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer
In der Ofenwerkstatt Müller werden Stampflehmöfen und Öfen aus anderen Materialien hergestellt. Sonst Partner für hochwertige Architektur ist die Ofenwerkstatt nun auch zu einem exzellenten Auftraggeber für selbige geworden. Das neue Werkstattgebäude in Ludesch gibt Zeugnis davon.
Wer so viel auf Baustellen unterwegs ist, sieht viel. Und erlebt nicht nur das eigene Handwerk in seiner Wirkung, sondern auch die Wirkung, die gute Architektur für gelingende Lebensentwürfe haben kann. Zum Leben zählt auch die Arbeit. So war es den Brüdern Bertram und Harald Müller wichtig, auch bei der Errichtung des eigenen Werkstattgebäudes vorbildlich zu agieren. Die Souveränität im eigenen Handeln führte zu Großzügigkeit gegenüber anderen. Wer viel weiß und viel kann, kann auch das Wissen und Können von anderen wertschätzen. So zumindest in diesem Fall.
„In meiner Arbeit spielt das Handwerk eine große Rolle. Ebenso Kunst, Kultur und Konzept.“
Martin Mackowitz
Architekt, Vermittler und
Lehrbeauftragter
Der Familienbetrieb in zweiter Generation ist heute ein gefragter Hersteller von Öfen, vor allem von hochwertigen Stampflehmöfen. Lehm spielt in der Architektur Europas eine größere werdende Rolle und ist Ausdruck eines ökologischen und wirtschaftlichen Umdenkens. Dieses vertritt auch Architekt Martin Mackowitz, der mittlerweile unweit der Ofenwerkstatt im Unternehmen von Martin Rauch in Schlins den Lehmbau öffentlichkeitswirksam zu einem Thema für die Bauindustrie machen will. Die Ofenwerkstatt Müller hat er zusammen mit seinem Kollegen Nikolaus Skorpik geplant und sie ist ein Erstlingswerk. Bei der Vor-Ort-Visite wird viel gelacht. Über den Anfang des Projektes, die ersten Gespräche. Für ein gelingendes Erstlingswerk braucht es starke Partner. Die waren in Ludesch zur Stelle, etwa durch die Tragwerksplanung von Merz Kley Partner oder die Bauleitung durch Helmut Taudes. Die Ofenwerkstatt ist heute ein Ort, der nicht nur von außen die Blicke auf sich zieht. Auch das Arbeiten hier macht Freude.
Positioniert wurde die neue Werkstatt neben dem Bestandsgebäude des Unternehmens. Dabei konnten durch ein leichtes Abrücken zwei Hofsituationen geschaffen werden, eine vor und eine hinter dem Gebäude. Beide sind wertvoll für den Betrieb und ebenso für das Dorf und den konkreten Straßenverlauf in Ludesch.
Der Holzständerbau mit einer Grundfläche von 228 Quadratmetern ist eine Hülle aus Holz und Fixverglasung. Diese war entwurfsprägend und entsprang dem Zufall einer Materialschenkung in Form von Fenstern, die hier eine Zweitverwendung fanden. Auch ein wichtiger Aspekt. Wer Handwerk betreibt, sei es als Ofenbauer oder als Architekt, weiß Material und Ressourcen zu schätzen!
Eine solche Ressource für gute Baukultur ist auch das kulturelle Bewusstsein der Auftraggeber und Planer dieses Bauwerkes. Aus einem sonst so groben Material wie Kellerschalstein wurde ein feines Ornament entwickelt, ein sich wiederholendes Muster, abstrakt, schmückend, zierend, ordnend, sich formal und materiell deutlich vom Hintergrund absetzend. Was für eine Wohltat, ein solches gliederndes wie zierendes Element an einem produzierenden Ort vorzufinden. Schlicht und einfach und so wirksam, dass es im Gedächtnis bleibt.
Ornamente kennt die Architektur schon lange, man möchte fast sagen, schon immer. Vielfach verbinden wir sie mit bedeutsamen Gebäuden, Kirchen, Palästen, Kultusbauten. Hier an der Ofenwerkstatt ist es gut platziert als deutliches Zeichen für den Wert von Arbeit, Material und Handwerk, das sich im Inneren des Gebäudes über die Aufenthaltsqualität in den Produktionsräume fortschreibt. Eine vorgesetzte Fassade aus offenem Mauerwerk über einem Betonsockel definiert mit ihren großzügigen Öffnungen präzise Ausblicke in Dorf und Landschaft sowie guten Lichteinfall. Der schlank detaillierte Dachvorsprung verschafft dem Baukörper einen feingliedrig-eleganten Abschluss. Holz und Stein sind zwei der wichtigsten Materialien für Bau und Betrieb eines Ofens und wurden so auch als gestalterische wie funktionale Hauptelemente für die Errichtung des Gewerbebaus gewählt. „Schon von Weitem soll man sehen, hier ist ein Handwerk zu Hause“, sagen die Brüder Müller und können sich sicher sein, dass auch diese Aufgabe gut gelungen ist.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at
Daten & Fakten
Objekt Ofenwerkstatt Müller, Walgaustraße 88, 6713 Ludesch
Bauherren Müller Ofenbau Gmbh, Bertram und Harald Müller
Architektur Martin Mackowitz und Nikolaus Skorpik
Fachplanung
Tragwerksplanung: Merz Kley Partner ZT GmbH (Konrad Merz, Gordian Kley), Dornbirn
Ausführungsplanung & Bauleitung: Helmut Taudes
Ausführung: Zimmerei: Holzbau Sutter;
Solarthermie: Gebhard Keckeis;
Spenglerarbeiten: Spenglerei Küng;
Elektrik: Licht und Wärme
Planungsdaten
Planung: 2/2014–2/2015
Ausführung: 3/2015–10/2015
Energiesystem Solarthermie
Fotos: Petra Rainer