Eine Ländle-Schatulle mitten in Wien
Im berühmten, denkmalgeschützten Zacherlhaus
auf der Brandstätte 6 haben Dietrich Untertrifaller eine schöne,
materiell gediegene Filiale der Hypo Vorarlberg eingerichtet – und sich dabei
an den Originalbaustoffen von Architekt Jože Plečnik orientiert.
Text: Wojciech Czaja | Fotos: Kurt Hörbst
Als würde der Parkettboden an der Wand weitergehen. Quadratische Holzkassetten, jeweils aus fünf schmalen Leisten bestehend, klettern bis auf eine Höhe von zwei Metern hinauf und verleihen dem Raum eine gediegene Wärme. „Früher befand sich hier ein Geschäftslokal, und als wir den Raum übernommen haben, waren die Säulen nackt, unverkleidet, in einem kalten Weiß gestrichen“, erinnert sich Architekt Much Untertrifaller, Partner im Vorarlberger Büro Dietrich Untertrifaller, während er, man kann es ihm nicht verübeln, mit einer weichen Handbewegung über die hell geölte Oberfläche streicht. „Also mussten wir in die Trickkiste greifen und mit einem passenden Zitat eine vertraute, aber doch auch öffentliche, banktaugliche Wohnlichkeit erzeugen.“
Das Vorbild für den gestalterischen Trick ist nur wenige Meter entfernt, ein herrschaftliches Stiegenhaus überaus reich an hochwertigem Material und hocheleganter Atmosphäre – handelt es sich an besagter Adresse, Brandstätte 6 im Herzen der Wiener Innenstadt, doch um das denkmalgeschützte, in den Jahren 1903 bis 1905 errichtete Zacherlhaus des Otto-Wagner-Schülers Jože Plečnik. „Dieses Gebäude ist einer der Meilensteine des 20. Jahrhunderts“, sagt Untertrifaller. „Das historische Stiegenhaus hat eine wunderschöne Holzvertäfelung aus quadratischen Eichenkassetten. Also haben wir beschlossen, die unverwechselbare Struktur zu übernehmen und an den Säulen der neuen Hypo-Bankfiliale fortzusetzen.“
Ergänzt wird die minimalistische Materialkomposition von dunklem, farblos lackiertem, verzundertem Vollstahl. Die archaisch anmutenden Metallplatten finden sich als flächige Verblendung am Bankschalter und an den angrenzenden Schließfächern sowie an der viergeschoßigen Innentreppe, die wie eine eckige, polygonale Skulptur den Innenraum durchbricht. Im Souterrain erschließt sie – wie Architekt Untertrifaller dies ausdrückt – den „Dagobert-Duck-Tresorraum“, in den beiden Etagen darüber befinden sich Besprechungszimmer für vertrauliche Kund(inn)engespräche.
„Eine Vielzahl von Vorarlberger(inne)n hat ihren Lebensmittelpunkt
in der Bundeshauptstadt. Es ist uns wichtig, auch diesen Menschen als
zuverlässiger Finanzpartner zur Verfügung zu stehen
und mit diesem Ort eine Art Fenster in die Heimat anzubieten.“
Roswitha Klein
Direktorin
Sehr sympathisch: Die Räume sind nach Orten in Vorarlberg benannt – etwa Ill, Lünersee, Rheintal, Montafon und Bregenzerwald. „Eine Vielzahl von Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern hat ihren Lebensmittelpunkt in der Bundeshauptstadt“, sagt Roswitha Klein, Direktorin der Hypo Vorarlberg in Wien. „Daher ist es uns wichtig, auch diesen Menschen als zuverlässiger Finanzpartner zur Verfügung zu stehen und mit diesem Ort eine Art Fenster in die Heimat anzubieten.“ Das erklärt auch, warum die Hypo-Vorarlberg-Filiale in der Brandstätte weniger an eine üppige Wiener Historizität anknüpft, sondern eher alemannisches Understatement ausstrahlt.
Das gesamte Projekt erfolgte – sowohl bei den baulichen Abänderungen im Innenraum als auch bei der Gestaltung der Fassade und des Portals – in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt. „Wir haben die historischen Pläne und Fotografien sehr genau studiert“, erklärt der Architekt, „und haben uns bemüht, trotz der neuen Nutzungsanforderungen dem Original so nahe wie möglich zu kommen.“ Das heißt: Die kleinteilige Tür wurde – wie dies von Plečnik vorgesehen war – in eine wind- und wettergeschützte Nische positioniert, bei der Auslage in der Fassadenebene hingegegen handelt es sich um riesige Glasscheiben ohne jegliche Unterteilung.
Buchstäbliches Highlight der 2015 fertiggestellten Hypo-Vorarlberg-Filiale ist die Dachterrasse im fünften Stock. Um den Dachaustritt in der Stadtsilhouette visuell zu entmaterialisieren, wurde die Einhausung zwischen den hinausragenden Kamingruppen mit hochspiegelndem Edelstahl verkleidet. Es ist ein Reflexionsspiel aus Himmel und umliegender Dachlandschaft – und dient vor allem den wenigen Abenden im Jahr, an denen ein dramatischer Sonnenuntergang im Mittelpunkt steht. Doch der Feierabend währt nicht lange. Zu ebener Erde wird bereits weitergearbeitet. Im Ecklokal, in dem bis vergangenen Sommer ein Vorhang- und Textilgeschäft untergebracht war, sind die Bauarbeiter eifrig am Werk. Mit ein paar zusätzlichen Quadratmetern und einer etwas breiteren Präsenz im Straßenraum wird die Hypo Vorarlberg demnächst weiterwachsen. Und noch mehr Ländle-Charme nach Wien bringen. Geplante Fertigstellung ist im Mai.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten und Fakten
Objekt Hypo Vorarlberg im Zacherlhaus, Wien
Bauherr Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank, Bregenz
Architektur Dietrich | Untertrifaller ZT, Wien, www.dietrich.untertrifaller.com
Statik KS Ingenieure, Wien, www.ksingenieure.com
Fachplanung Haustechnik: Klimaplan, Bregenz; Elektro: Freunschlag, Linz; Bauphysik: IBO, Wien; Brandschutz: Hoyer, Wien
Planung 01/2014–12/2014
Ausführung 01/2015–10/2015
Nutzfläche 1770 m²
Bauweise Wandverkleidungen innen aus geölter Eiche, interne Treppe aus schwarzgrau lackiertem Stahlblech und Eichenholz, Trennwände aus undurchsichtigem Glas, Sanierung der Türen, Fenster und Böden im Bestand
Besonderheiten Denkmalgeschütztes Gebäude; Umbau auf sechs Geschoßen; Dachterrasse für Veranstaltungen zugänglich
Ausführung Baumeister: Durst-Bau, Wien; Schlosser: Fischer, Pischelsdorf; Tischler: Franz Walder, Außervillgraten; Trockenbau: Paglitsch, Tamsweg; Elektro: Sumetzberger, Wien; Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: Markus Stolz, Wien u. a.
Baukosten 4,5 Mio. Euro