Zehn Therapiepferde stehen im Stall der Propstei St. Gerold.
Die sensiblen Tiere bauen bei der Hippotherapie zu jedem,
den sie am Rücken tragen, eine eigene Beziehung auf.
Um gute Therapeuten zu sein, brauchen sie Erholung, Ruhe und Bewegung.
Die alten Boxen konnten das nicht bieten, daher bauten ihnen HK Architekten
offene Freiställe. Außerdem wurde die Zugangssituation zum Sandplatz mit
neuem Empfang, Garderoben und barrierefreien Rampen stark aufgewertet.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer, Roland Wehinger

Wer St. Gerold betritt, wird ruhig und still. Seit über tausend Jahren bauten Menschen am Kloster, ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen haben es geformt. Bereits 960 gründete der heilige Gerold die Benediktinerpropstei am Sonnenhang des Großen Walsertals. Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus hinterließen ihre Spuren, 1958 war das Kloster einsturzgefährdet und halb leer, damals begann der charismatische Pater Nathanael Wirth es in einen Ort der Begegnung und Bildung umzuwandeln.

Seither wird es kontinuierlich behutsam saniert und an die neue Nutzung adaptiert. Östlich vom Haupthaus liegen die Propsteikirche mit Gnadenkapelle und Gedenkstätte des heiligen Gerold, rund um die Apsis sind die Toten zur ewigen Ruhe gebettet, Martin Rauch baute ihnen 1992 eine Friedhofsmauer aus Lehm. Im Westen gruppieren sich die Wirtschaftstrakte um das Geviert des Klostergartens in der Mitte, der alle nährt. Seit fast dreißig Jahren bearbeiten HK Architekten das denkmalgeschützte Ensemble. „Gemeinsam mit der Propsteileitung erarbeiten wir ein Konzept, welche Bauten in welcher Reihenfolge saniert werden sollen“, sagt Projektleiter Christoph Dünser.

„Gemeinsam mit der Propsteileitung erarbeiten wir ein
Konzept, welche Bauten in welcher Reihenfolge saniert werden sollen.
Das Schöne an St. Gerold ist, dass es nicht ums Bauen,
sondern ums Weiterbauen geht.“

Christoph Dünser
Architekt

1997 wurde die Reithalle für die Hippotherapie errichtet, dann die Jugendherberge im Wirtschaftstrakt, zwischen 2014 und 2018 weitere Gästezimmer, Seminarräume, das neue Restaurant, im Jahr 2020 kehrten die Architekten zum Beginn zurück: sie sanierten die Reithalle. „Das Schöne an St. Gerold ist, dass es nicht ums Bauen, sondern ums Weiterbauen geht“, so Dünser. Diesem Bestand muss man sich in Achtsamkeit und Demut nähern. „Verschwendung ist Sünde. Das Holz, das hier verbaut wird, kommt aus dem Baumbestand des Klosters.“

Die Reithalle zählt zu den schönsten ihrer Gattung. Der leichtfüßige Holzständerbau liegt an einem steilen Hang, der von der Klosterseite im Norden bis zur Pferdekoppel im Süden um etwa ein Geschoß abfällt. Sein Tragwerk ist eine konstruktive Meisterleistung. Frei überspannt es die 30 Meter lange, 15 Meter breite Halle, ein Stahlzugband und sechs räumlich angeordnete Druckstäbe unterstützen die Konstruktion.

Nach 25 Jahren starker Beanspruchung hatte die Halle Wartungsschäden, das Holz war angeknabbert, die Lehmschicht am Boden bewährte sich nicht. „Die Architektur muss so sein, dass der Mensch und das Tier sich wohlfühlen“, sagt Pater Martin. „Im Gegensatz zum Therapeuten machen Pferde keinen Druck. Es ist faszinierend, was dabei an Heilung passieren kann.“ Zehn Therapiepferde sind in St. Gerold eingestellt, das älteste ist 36 Jahre alt, die Hippotherapie verlangt den sensiblen Tieren viel ab. „Sie brauchen Ruhe, Erholungsflächen und müssen sich frei bewegen können.“

Die Boxenhaltung tat ihnen nicht gut, im Nordosten baute man also an den Reitplatz neue Freiställe an, darüber befinden sich Seminarraum, Büro und Garderoben. Diese liegen auf Klosterniveau und sind an Boden, Wänden und Decke mit gemasertem Eschenholz verkleidet. Das wirkt sehr edel, durch zwei Fenster sieht man wie von einer Kanzel in die Halle. Sand liegt am Boden des Reitplatzes, Stahlschienen schützen die Holzkanten vor Verbiss. Kinderzeichnungen mit Pferden hängen zwischen dem Zaumzeug an den Wänden, es riecht nach Holz. In der Halle herrscht eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Still drehen die Pferde mit ihren Patienten und Patientinnen am Rücken an der Hand der Hippotherapeutinnen ihre Runden.

Die Halle setzt im Süden auf Geländeniveau auf, ist also bergend in den Hang gegraben, die Fläche über den Banden aus gehobelter Fichte mit Lehm verputzt, auf drei Seiten fällt durch die Glasfassade Licht, es blendet nicht. Eine Rampe führt auf ein kleines Podest in Pferderückenhöhe. So lassen sich Patient(inn)en mit Behinderung gut auf den Sattel setzen, eine kleine Bank für alle, die zuschauen wollen, gibt es auch. Die neuen Pferdequartiere nebenan sind zoniert: Die Liegeplätze ins Erdreich gebettet, daran angrenzend – unter einem vorgezogenen Dach mit Oberlicht – die Fressstände. Die davorliegende Freifläche zum ständigen Auslauf lässt sich zur angrenzenden Blumenwiese hin öffnen. Das Flachdach des Freistalls wird zur Terrasse für das neue Restaurant, es beschenkt die Menschen mit Plätzen an Sonne, Koppel und Natur.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Reithalle Sanierung, St. Gerold
Bauherr Kloster Einsiedeln – Propstei St. Gerold
Architektur Hermann Kaufmann + Partner ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik Merz Kley Partner, Dornbirn, www.mkp-ing.com
Fachplanung Bauphysik WSS, Frastanz; Heizung, Klima, Sanitär: E-Plus, Egg; Elektro: Norbert Steiner, Nüziders; Entwässerung M+G, Feldkirch; Geotechnik: Dönz, Schruns; Vermessung: AVD ZT, Dornbirn
Planung 05/2019–11/2020
Ausführung 10/2020–04/2021
Grundstück 12.057 m²
Nutzfläche 866 m² (inklusive Reithalle und überdachtem Auslauf)
Bauweise Sanierung der Innenräume erfolgte nach einheimischer Handwerkstradition mit hochwertigen regionalen Materialien.
Ausführung Baumeister: Tomaselli Gabriel, Nüziders; Zimmerer: Heiseler, Sonntag; Fenster: Manfred Bischof, Thüringerberg; Tischler Sattelkammer: Günter Konzett, Fontanella; Seminarraum: Gottlieb Kaufmann, Blons; Holztüren: Elmar Dünser, Thüringerberg