Eine Schule für das Dorf
Die neue Volksschule in Andelsbuch präsentiert sich als Ort der Gemeinschaft. Großzügige Raume mit guter Atmosphäre sind Grundlage für einen Alltag voller Herausforderungen und voller Leben – für Kinder und Eltern, für die Pädagog(inn)en und für die Dorfgemeinschaft, die mit dem Schulbau nicht nur in die Zukunft investiert, sondern durch die Nutzung der Räume auch Anteil nimmt: an der Ressource Raum und am Konzept der Schule.
Text: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer
Worin besteht er eigentlich, der Generationenvertrag? In der Absicherung unserer Bedürfnisse im Alter, gewiss. Doch Generationen wirken in fast jedem Bereich des öffentlichen Lebens zusammen und fast nirgends so wirkungsvoll wie in Bildungseinrichtungen. Die neue Schule in Andelsbuch, errichtet im baulichen Zusammenschluss mit dem bereits existierenden Kindergarten, ist ein sichtbares Beispiel, wie Schule zum Symbol dörflicher Gemeinschaft werden kann. Mitten im Dorf, neben Kirche und an der dorfprägenden Straße gelegen, ist der Neubau der Volksschule Andelsbuch ein sichtbares Zeichen: wir sind uns wichtig.


Kann es zu viel Einsicht und Aussicht geben? Kann zu viel Einsicht zu viel zeigen? Kann zu viel Aussicht ablenken? Wer Schule ernst nimmt, versperrt sich nicht vor dem Außen, geht es doch darum, etwas über die Welt zu lernen. Die Transparenz des Gebäudes signalisiert eine Einladung. Sie fördert Anteilnahme und Verständnis für eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe und setzt zugleich einen wichtigen Akzent, denn Aula mit Küche und die in das Gebäude integrierte Bibliothek sind auch teilöffentlich nutzbar und damit tatsächlich offen. Könnte das Gebäude sprechen, würde es sagen: Wir tragen alle Verantwortung für die Bildung junger Menschen.

„Der Schulneubau bringt viele neue Funktionen für das Dorf. Unsere Arbeit soll dazu beitragen, dass sich Generationen von Kindern und Familien hier treffen und gemeinsam leben und lernen können.“
Michael Stöckler
Architekt

Ein Großteil der Klassenzimmer orientiert sich dennoch zur anderen Seite des Dorfes. So ist Konzentration möglich, die Kinder haben ihre geschützten Räume, die Lehrer(innen) viel Gestaltungsfreiheit in der Organisation des Raumes als „dritter Pädagoge“ durch flexibel positionierbare Möbel und durch eine große Freiheit in der Anwendung digitaler oder analoger Lernformate, die sich auch in der räumlichen Nutzung spiegeln. So wirkt jeder Raum ein wenig anders, hat seine eigene Kultur. Freiheit und Verantwortung gehen Hand in Hand. Die Volksschule Andelsbuch macht diese Einsicht unaufdringlich, aber deutlich spürbar, wie auch ein Rundgang mit Direktorin Cornelia Oberbichler eindrücklich zeigt. Großzügige Erschließungen, keine Gänge wie in historischen Schulen, sondern zentrale Räume mit hohem Gestaltungsanspruch, laden zu vielfältigen Nutzungen ein. Die Kinder bewegen sich ungezwungen durch ihre Schule, man begegnet sich, nimmt sich wahr, in erstaunlich ruhiger Atmosphäre. Das klappt nur, wenn Rücksicht gelebt wird. Eigenverantwortung wirkt und fördert Wachstum und gegenseitiges Verständnis bei allen Beteiligten. Was für ein Lerneffekt!

Materialität, Ausführung, ökologischer Anspruch. Man muss es in diesem Fall eigentlich nicht erwähnen. Als neues Bauwerk im Bregenzerwald reiht sich die Volksschule Andelsbuch ganz selbstverständlich in die sorgsame und grundsolide Baukultur der Region ein. Der zeitgenössische Anspruch liegt im Detail und in der Funktion. Wie baut man Schulen heute? Welche Herausforderungen müssen sie tragen – von Mittagstisch, der Tagesbetreuung, sozialen Aufgaben und nicht vergessen als Arbeitsort für viele Erwachsene.Die Architektur des Gebäudes unterstützt die Schulgemeinschaft bei der Bewältigung der vielfältigen Ansprüche an einen zeitgemäßen Schulbetrieb. Ebenso die Einrichtung. Ein Highlight sind die von regionalen Handwerker(inn)en gefertigten Möbel. Hier hätte auch hochwertige Katalogware zum Einsatz kommen können. Die Entscheidung fiel der Gemeinde leicht. Die Zukunft des Handwerks braucht nicht nur Nachwuchs, sondern auch qualitätsbewusste Nutzer(innen). Früh übt sich dieses Verständnis.

Auch die Handwerker(innen) selbst haben Freude beim Gedanken, die Möbel der Schule gefertigt zu haben. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Schule einen hervorragenden Werkraum hat, der jedoch vor allem Alltagskompetenz und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten vermitteln soll. Unweit der Schule liegt dann auch der „Werkraum Bregenzerwald“, das Schaufenster und der Gemeinschaftsort des Bregenzerwälder Handwerks – immer eine Reise wert. Vor der Schule spannt sich neu ein weiter Platz auf. Befestigt und auch öffentlich nutzbar. Diese Zutat bringt Schule und Gemeinschaft in Idealform zusammen, denn der Schulneubau bringt damit eine wichtige und lang ersehnte Funktion ins Dorf, die eines Platzes für Veranstaltungen, abseits der Straße, und ausgestattet mit der dafür notwendigen Infrastruktur.

Daten und Fakten
Objekt: Volksschule Andelsbuch
Bauherr: Gemeinde Andelsbuch
Architektur: stöckler gruber architekten, sg-architekten.at
Bauleitung: Baukultur Management GmbH, baukulturgmbh.com
Statik: gbd ZT GmbH, Dornbirn, www.gbd.group
Fachplanung: Bauphysik: hafner weithas bauphysik, Lauterach; Elektro: Ingenieurbüro Meusburger, Bezau; HLS: Planungs-team E-Plus GmbH, Egg; Landschaft: LandRise, Egg
Planung: 11/19–12/23
Ausführung: 04/22–04/24
Grundstück: 6880 m², Nutzfläche: 6304 m²
Bauweise: Bestand: Mischbauweise, Neubau: Holzbauweise
Ausführung: Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Zimmerer, Innenausbau: Holzbau Fetz, Egg; Fenster: Hartmann Fensterbau, Nenzing; Türen: Lenz Nenning Möbelhandwerk, Dornbirn; Böden: Bartle Düringer, Andelsbuch; Elektro: Elektro Willi, Andelsbuch
Energiekennwert: 24 kWh/m² im Jahr (HWB)
